Deutsche Erfahrungswelten

Die Besetzung Deutschlands, die Ausübung der Befehlsgewalt in den Zonen, die Abstimmung einer gemeinsamen Politik sowie die Koordination des Vorgehens war für die Alliierten eine Herausforderung, für die es weder Beispiel noch Planspiel gab.

Die Amerikaner wollten Deutschland und die Deutschen nicht nur entnazifizieren, entmilitarisieren, entflechten, demokratisieren und reorientieren, sie waren auch im Interesse der Wahrnehmung ihrer eigenen Sicherheit darauf bedacht, Deutschland und Europa wieder wirtschaftlich gesunden zu lassen und den Bestand des freien Unternehmertums zu gewährleisten. Sie wollten den Sozialismus verhindern, dem Kommunismus zuvorkommen, das Geld des amerikanischen Steuerzahlers sparen, französische Pläne zur Zerstückelung Deutschlands vereiteln und die Sowjetunion in Mitteleuropa in Schranken halten.“ (Gimbel, in: Kleßmann 1991, S. 91 *)

Die britischen Sozialisierungspläne für die Montan- und Schwerindustrie fielen den Sachzwängen zum Opfer.

Wir können die Amerikaner nicht vor den Kopf stoßen, oder wir bekommen keine Dollar; wir können die Deutschen nicht vor den Kopf stoßen, oder wir bekommen nicht mehr Kohle; wir können die Franzosen nicht vor den Kopf stoßen, oder wir schwächen die französische Regierung und verlieren ihre Unterstützung bei den laufenden Marshallplan-Verhandlungen; wir können die Sozialisierungspolitik nicht vollständig aufgeben, ohne dass es zu einem Aufschrei im Parlament kommt. Es ist fast unmöglich, eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stellt.“ (Benz 1991, S. 210 *)

Die Franzosen wollten kein starkes Deutschland. Deshalb verhinderten sie, die sich selbst als Zentralstaat in Szene setzten, die Errichtung zentralstaatlicher deutscher Einrichtungen. Ansonsten gingen sie pragmatisch vor und waren auf Loyalitätssicherung bedacht. Das schloss allmähliche Annäherungspolitik an Deutschland ein.

Die Sowjetunion war das Gegenteil von (fast) allem. Wenn schon Duldung, dann keine Förderung des freien Unternehmertums; Eindämmung, wenn schon nicht Abschirmung des amerikanischen Einflusses; statt Wiederaufbau der Industrie ihre Demontage, statt Aufbauhilfe Herausziehen von Reparationen aus Deutschland. Das nimmt nicht wunder, übertraf doch die Kriegverwüstung ihres Landes alles, was England und Frankreich zu erdulden gehabt hatten, von den USA ganz zu schweigen. Dazu kam der vermutete, gleichermaßen befürchtete wie erhoffte „Export der Revolution“, also die Installation des sowjetischen Gesellschaftssystems in Deutschland. Dennoch sollte „die scheinbar folgerichtige Entwicklung zum Stalinismus (...) jedoch nicht von vornherein den Blick für Varianten und Alternativen auch der sowjetischen Politik verstellen.“ (Kleßmann 1991, S. 80f *)

Wichtige strukturelle und sozialökonomische Eingriffe wie Bodenreform, Enteignung und Verstaatlichung der Großindustrie, Umgestaltung des öffentlichen Dienstes standen auch in den Westzonen auf der Tagesordnung, waren dort gewollt und wurden in Angriff genommen als Teil der Entnazifizierung und nachholender Reformierung der Weimarer Republik.

Ein politisches Schisma schien durch die Reihen der SMAD zu gehen, das eine Teilgruppe von 'Sowjetisierern’, die entschlossen war, den deutschen Osten kommunistisch zu machen und die SED als ihr auserwähltes Werkzeug benutzte, von einer Gruppe Gemäßigter trennte, die die Sowjetisierung als unvereinbar mit den deutschen Bedingungen scheute und sowjetische Ziele im Bündnis mit 'progressiven’ Elementen der Bourgeoisie zu erreichen trachtete. Insgesamt sah die Situation aus der amerikanischen Perspektive zumindest teilweise offen aus – und die Sowjets, offenbar nach Alternativen suchend, schienen amerikanischen Einflüssen zugänglich.“ (Stivers, in: Lemke 1999, S. 275f *)

Deutschland war, bevor der kalte Krieg auch hier einbrach und merkwürdige Koalitionen stiftete, aus alliierter Sicht eine „Spielwiese“ für die verschiedenen Arten, eine demokratische Gesellschaft einzurichten.

Welche Kunde hinterließen die Besatzungsmächte davon in ihren Filmen?

Bewertung