Eine ganz kurze Geschichte Preußens

Herrschaftszeiten

In der Geschichte Brandenburgs spielt bis heute die Herrschaft der Hohenzollern eine herausragende Rolle. Unter ihnen entstand das Königreich Preußen, dessen Kernland Brandenburg war. Sie blieben von 1415 bis 1918 an der Macht.

Illustration der preußischen Könige
© Anne Albert, ByeByeSea.com

Folgt man gängigen Vorstellungen, begann im Verlauf des 17. Jahrhunderts jene Phase der Geschichte unseres Landes, die mit dem Aufstieg der nunmehr »brandenburgisch-preußischen« Gesamtmonarchie gleichgesetzt wird. Dies lag zunächst einmal an den in der damaligen Fürstengesellschaft gar nicht so seltenen Wechselfällen und Zufälligkeiten in den Erbgängen der Dynastien.

In Folge von Erbverträgen waren die brandenburgischen Hohenzollern bereits im frühen 17. Jahrhundert in den Besitz von Territorien am Niederrhein und des Herzogtums Preußen geraten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kamen dann noch mit Hinterpommern, Halberstadt und Magdeburg Gebiete hinzu, die eine direkte Landverbindung mit der Mark Brandenburg aufwiesen.

Mehr Sorgen als Prestigegewinn

Gleichwohl dürfte ein Reisender, der die Mark Brandenburg in jener Zeit durchquert hätte, noch kaum etwas von dem mit dem Gebietserwerb verbundenen Prestigegewinn des brandenburgischen Kurfürsten gespürt haben. Zu offensichtlich zeigten sich noch geraume Zeit die desaströsen Spuren des »großen Krieges« zwischen 1618 und 1648.

Die Kriegsfolgen waren hier auch deshalb so fürchterlich, weil die Mark auf jener, sich von Pommern bis in den Südwesten des Reiches hinziehenden »Zerstörungsdiagonale« gelegen hatte, in welcher besonders hohe Bevölkerungsverluste zu beklagen waren. Der Wiederaufbau und die Sorgen um das Überleben bestimmten den Alltag jener Nachkriegsjahrzehnte in den märkischen Städten und Dörfern. Zudem hätte man verwunderte Blicke geerntet, wenn ein Brandenburger schon damals als »Preuße« angeredet worden wäre.

Es dauerte vergleichsweise lange, ehe sich die Bewohnerinnen und Bewohner der zum Gesamtstaat zählenden Territorien wirklich auch als Preußen fühlten. Hier handelte es sich um einen sehr zählebigen Prozess, der zunächst von den der Dynastie nahestehenden Eliten, über die Armee bis hin zu den ohnehin nur über eine geringe Mobilität verfügenden Untertanen auf dem »platten Land« verlief. Wohl aber lassen sich andere, auch heute noch gut sichtbare Symptome für diese Veränderungen erkennen: Die territoriale Vergrößerung und politische Aufwertung der Hohenzollernmonarchie, deren Fläche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf insgesamt 200.000 Quadratkilometer und deren Bevölkerung auf sechs Millionen Menschen anwachsen sollte, verlangte nach entsprechender Symbolik.

Dies hatte besonders in den ambitionierten Schlossbauten in der sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert ausformenden Berlin-Potsdamer Residenzlandschaft seinen Ausdruck gefunden. So entstand zum Beispiel das Fortuna-Portal als Teil des Potsdamer Stadtschlosses als unmittelbare Reaktion auf die Rangerhöhung, die der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. mit der 1701 im preußischen Königsberg zelebrierten Krönung zum »König in Preußen« erreichen konnte.

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Die die Berlin-Potsdamer Residenzlandschaft umschließende Mark Brandenburg wurde nun gleichsam zu einer Art Klammer des höchst heterogen zusammengesetzten Territorienverbundes. Das enorme Wachstum Berlins (die Einwohnerzahl verdreifachte sich innerhalb des 18. Jahrhunderts auf etwa 150.000) beeinflusste auch in immer stärkerem Maße das Umland. Die Stadt wurde der wichtigste Absatzmarkt für agrarische Produkte märkischer Landschaften wie der Prignitz oder der Uckermark, aber auch ein Magnet für den Bevölkerungszuzug aus den brandenburgischen Landschaften und weit darüber hinaus.

Die Mark als Probierstube für Reformen

Und die Mark etablierte sich zudem auch als eine Art »Probierstube«. Gerade hier waren während der Regierungszeit der im 18. Jahrhundert bedeutendsten Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. wichtige Reformen in der Verwaltung, in der Rechtspflege oder in der Landwirtschaft in Gang gesetzt worden, bevor sie auf die anderen Provinzen des preußischen Staates übertragen wurden. So kam es auch nicht von ungefähr, dass sich die preußische Hauptstadt damals zu einem der bedeutendsten Zentren der deutschen Aufklärung entwickelt hatte.

Berlin wurde nach den Worten des australischen Historikers Christopher Clark um 1800 »in puncto Geistes- und Gesellschaftsleben die vitalste Stadt des deutschsprachigen Europa«. Doch auch in den Dörfern und Kleinstädten der Mark Brandenburg vollzogen sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts einschneidende Umwälzungen, die die Sozialbeziehungen und die Lebensweise der Menschen gravierend verändern sollten. Zwar gewannen die bäuerlichen Hintersassen im Zuge der »Preußischen Agrarreform« ihre persönliche Freiheit, doch zahlten sie dafür einen recht hohen Preis, wenn man die gewaltigen Landgewinne der zumeist adligen Gutsherren im Blick hat, mit denen diese entschädigt worden waren.

Preußen - Brandenburg in Karten
© retalic | Anja Gollor, Henry Hajdu

Brandenburgs Geschichte in Karten (PDF)

Den flächenmäßig beträchtlich angewachsenen Gutswirtschaften stand eine rasant wachsende Zahl von Kleinbauern gegenüber, die nur wenig oder gar kein Ackerland besaßen. Viele suchten deshalb in der in Berlin, aber auch in etlichen mittleren brandenburgischen Städten stetig wachsenden Industrie eine neue Existenzgrundlage oder stellten ihre Arbeitskraft dem seit den 1840er Jahren auch in Brandenburg boomenden Eisenbahnbau zur Verfügung.

Integration von "Musspreußen"

Zu diesen am Beginn der Moderne zu beobachtenden Neuerungen gehörten aber nicht zuletzt auch Veränderungen in der territorialen Struktur der Mark: In Folge der Bestimmungen des Wiener Kongresses von 1815 gingen die früher zu Sachsen gehörende Niederlausitz sowie die Ämter Jüterbog und Belzig an die neugebildete »Provinz Brandenburg«, während die Altmark der preußischen »Provinz Sachsen« zugeschlagen wurde.

Die Integration dieser maliziös als sogenannte »Musspreußen« bezeichneten neuen Einwohnerinnen und Einwohner verlief natürlich nicht spannungsfrei und kündete von den noch lange weiter bestehenden Ressentiments gegenüber »ihrem« neuen Staat und Landesherrn. Die unaufhaltsam voranschreitende Industrialisierung hinterließ in der Mark Brandenburg deutliche Spuren, auch wenn ihr Charakter als vornehmlich agrarisch geprägte Landschaft erhalten blieb, vor allem je weiter man sich von Berlin entfernte.

Lesetipp

Solchen Industriestädten mit ihren wachsenden sozialen Problemen und einer zunehmend selbstbewusster ihre Interessen vertretenden Arbeiterschaft wie etwa Brandenburg an der Havel, Rathenow oder Cottbus standen Hunderte von Dorfgemeinden gegenüber, in denen die Autorität des Gutsherrn zumeist immer noch fraglos akzeptiert wurde. Vor allem Theodor Fontane hat es in seinen brillanten poetischen Bildern wie kein zweiter verstanden, diese Ambivalenzen eingängig darzustellen und ein Gespür für jene Zeit zu vermitteln, in der bereits die Abendsonne über die alten märkischen Lebenswelten aufzuscheinen begann.

Wie für viele andere historische deutsche Landschaften ging auch für Brandenburg in den Stürmen der Kriegsniederlage und der Novemberrevolution im Jahre 1918 das monarchische Zeitalter zu Ende; auch der letzte Kaiser, Wilhelm II., hatte im Übrigen immer noch den Titel eines »Markgrafen von Brandenburg« geführt. In der Zeit der Weimarer Republik behielt Brandenburg seinen Status als eine der Provinzen des »Landes« Preußen.

Über das genaue Ende der sogenannten »preußischen Phase« in der brandenburgischen Geschichte mag man trefflich streiten, gleich ob man den von der nationalkonservativen Reichsregierung initiierten sogenannten »Preußenschlag« von 1932 mit der Absetzung der demokratisch legitimierten preußischen Landesregierung, die nach 1933 von den braunen Machthabern forcierte Gleichschaltungspolitik oder aber den Alliierten Kontrollratsbeschluss von 1947 als Zäsur anerkennen möchte. Auch das 1946 zunächst wiedergeborene Land Brandenburg war kurze Zeit später im Zuge der »sozialistischen Verwaltungsreform« der DDR als administrative Einheit aufgelöst und durch drei Bezirke ersetzt worden.

Preußische Tugenden. Längst vergessen oder wieder erwünscht? 
Sparsamkeit, Fleiß und Ordnung

 

Friedrich Wilhelm I. gilt als der Begründer der preußischen Tugenden. Er hatte mit seiner Thronbesteigung 1713 einen überschuldeten Staat übernommen und ihn danach absolutistisch reformiert und saniert. Für Prunksucht war fortan kein Geld mehr da, Sparsamkeit, Ordnung, Fleiß und Bescheidenheit wurden zu Devisen des gottesfürchtigen Königs.

Auf Friedrich Wilhelm I. folgte sein Sohn Friedrich II. Er galt als schöngeistig, begabt und bildungshungrig. Gleich nach der Thronbesteigung 1740 begann er, gegen seine Nachbarn Krieg zu führen. Seine militärischen Siege wurden zur Basis der Mythenbildung: Aus dem jungen König wurde schon zu Lebzeiten Friedrich der Große, dem Tapferkeit, Gerechtigkeit und Volksverbundenheit zugeschrieben wurden. Auch später, als er im Alter als schwer erträglich galt, blieb er das Sinnbild für preußische Härte, Pflichtbewusstsein und Disziplin.

Kriege, Kunst und Disziplin

 

Lange bezogen sich die "preußischen Tugenden" ausschließlich auf das Militär. Drill, Gehorsam und Disziplin galten als notwendige Grundlagen für eine funktionierende Armee. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 bestimmten militärische Tugenden auch die zivile Gesellschaft. Sie wurden zum Maßstab bei der Erziehung, fanden Eingang in Schulen und Amtsstuben.

Selbst als das Kaiserreich 1918 nach dem 1. Weltkrieg unterging, wurden die als preußisch - und zunehmend auch als "typisch deutsch" - geltenden Tugenden zur Grundlage einer gut funktionierenden Verwaltung in der Weimarer Republik.

Die nationalsozialistische Propaganda verklärte Friedrich II. als siegreichen Heerführer. Treue, Tapferkeit und Pflichtbewusstsein wurden zum Anspruch auf absoluten Gehorsam - mit grauenhaften Folgen.

Das Ende Preußens – wohin mit den Tugenden?

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lösten die alliierten Siegermächte den preußischen Staat 1947 auf. Die preußischen Tugenden aber existieren in den Gedanken vieler Menschen bis heute weiter. Je nach Bedarf und Mode, politischer Überzeugung oder Abneigung werden sie verteidigt oder verdammt. Dabei ist die Liste der Tugenden weder in Anzahl noch Qualität festgelegt und deshalb gerade kein verbindlicher Wertekatalog.

Lässt man das „preußische“ weg, dann werden sittlich-moralische Verhaltensregeln sichtbar, die das Zusammenleben der Menschen in unterschiedlichem Maß prägen können.

Preußische Tugenden
© Rainer Ehrt

Entwicklung von Landesbewusstsein

Ein genuin brandenburgisches Landesbewusstsein unter diesen Bedingungen zu bewahren, fiel in den kommenden Jahrzehnten im Vergleich etwa zu den südlichen DDR-Bezirken wesentlich schwerer. In Sachsen und Thüringen gelang es erfolgreicher, historisch gewachsene Identitäten trotz gegenläufiger Bemühungen zur Etablierung einer »sozialistischen Nation« in einem breiteren Bewusstsein zu halten.

Und es war nicht zuletzt die lange Zeit bestehende enge Verbindung der brandenburgischen Geschichte mit der preußischen Historie, die eine plausible Erklärung für diese auffallenden Unterschiede bietet. Denn Preußen und das Preußentum unterlagen seit dem Kriegsende im Osten Deutschlands einem scharfen ideologischen Verdikt und wichen erst in den 1980er Jahren einem etwas milderen Urteil.

Man sieht also: Auch wenn »Preußen« als Staat nicht mehr existent ist, lebt es auf vielfältige Weise, vor allem als ideelle Größe bis heute weiter und stößt auf unvermindertes Interesse. Jener Zeitraum, in dem die Mark Brandenburg ein Teil dieses sowohl faszinierenden als auch zu Widerspruch anregenden Staatswesens war, stellt indes nur eine, wenn auch sehr prägende Phase der 850jährigen Geschichte unseres Landes dar.

Während der schwarze Preußen-Adler als Symbol eines untergegangenen Staatswesens nunmehr seinen Platz in Museen und anderen Stätten der Erinnerungskultur gefunden hat, repräsentiert der rote Adler heute ein höchst agiles Gemeinwesen mit einer hoffentlich noch langen Zukunft.

Frank Göse
Aus: Das Brandenbuch. Ein Land in StichwortenBrandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, 3. Auflage, Potsdam 2020

 

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