Frauen in der Kirche

Auch 500 Jahre nach der Reformation ist Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchen immer noch nicht erreicht. Es ist nach wie vor viel zu tun, erklärt Pfarrerin Magdalena Möbius.

Frauen in der Kirche. Bild: pixabay, CC0
Frauen in der Kirche. Bild: pixabay, CC0

Wir feiern in diesem Jahr 500 Jahre Reformation – wie hat sich diese damals auf die Rolle von Frauen in der Kirche ausgewirkt?

Das muss man differenziert betrachten. Die Reformation war sicher keine Emanzipationsbewegung der Frauen. Die Zeit Anfang des 16. Jahrhunderts war allgemein eine Aufbruchs- und Umbruchssituation. Schon vor der Reformation kam es sowohl gesamtgesellschaftlich als auch in den Kirchen zu Veränderungsbewegungen. Das gab auch Frauen die Chance, sich mehr als in anderen Zeiten einzubringen. Im Anschluss daran gab es wieder Rückschritte und zwar starke Rückschritte. Letztendlich hat sich in den Kirchen über Jahrhunderte hinweg erst einmal nicht viel für Frauen verändert.


In welcher Form haben sich Frauen während der Reformation eingebracht?

Magdalena Möbius

Pfarrerin Magdalena Möbius ist Studienleiterin für Frauenarbeit in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Frauen haben in der Reformationszeit befreiende Themen aufgegriffen und für sich genutzt, beispielsweise das Priestertum aller Gläubigen. Mit Verweis auf das bekannte Prinzip Sola Scriptura – ‚allein die Schrift‘ – haben sich Frauen auch direkt auf die Bibel bezogen. Zum Beispiel auf die biblischen Geschichten und Elemente, in denen Frauen eine große Bedeutung haben. Sie begründeten damit ihr Recht, sich zu äußern.

Darüber hinaus gab es in der Reformationszeit Frauen, die öffentlich lehrten und predigten. Der Buchdruck und damit verbunden die Möglichkeit zur Veröffentlichung kleinerer Schriften hat auch Frauen genutzt. Auf diese Weise kamen die reformatorischen Ideen bei ihnen in den Klöstern und Herrscherhäusern an, wo viele Frauen diese Schriften mit Interesse wahrgenommen und zu ihrer Sache gemacht haben. Frauen haben aber auch selbst Schriften veröffentlicht. Hier ist zum Beispiel Argula von Grumbach zu nennen, die ihre Meinung schon 1524/1525, also zur Kernzeit der Reformation, über Flugschriften veröffentlichte. 


Gab es weitere wichtige Errungenschaften für Frauen?

Während der Reformation und sogar für Martin Luther, der sich nicht unbedingt die Frauenemanzipation auf seine Fahnen geschrieben hatte, war das Thema Bildung wichtig. Bildung sollte für alle eingeführt werden – unter anderem auch für Mädchen. Allerdings fand Luther eine Stunde Bildung am Tag für sie ausreichend. Andere sahen es anders. So gründete beispielsweise die ehemalige Nonne Magdalena von Staupitz 1529 in Grimma eine der ersten Mädchenschulen.


Sie haben angesprochen, dass sich die Situation der Frauen auch schnell wieder verschlechterte. Wie zeigte sich das?

Der Rückschlag bestand im Grunde darin, dass Frauen in den reformatorischen Kirchen über Jahrhunderte keine Ämter innehatten. Das markanteste Zeichen dafür ist sicher, dass die Ordination für Frauen nicht eingeführt wurde – Frauen also nicht Pfarrerinnen werden sollten und konnten. Die Reformation blieb bei einem patriarchalischen Weltbild und bezog sich auf die wenigen Texte in der Bibel, in denen geistliche Ämter für Frauen ausgeschlossen werden. Die vielen Stellen, an denen Frauen wichtige Funktionen in der Bibel wahrnehmen, wurden ausgeblendet. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wurde damit begonnen, die Frauenordination einzuführen. Bis heute ist es Frauen nicht in allen in protestantischen Kirchen möglich, Pfarrerin zu werden.


Welche Erfahrung haben Sie persönlich als Frau innerhalb der Kirche gemacht?

Als ich aufwuchs, ich bin Jahrgang 1966, da war das Pfarrer*innenbild noch sehr männlich geprägt. Obwohl meine Mutter Theologin war und Pfarrerin werden wollte, konnte sie das damals noch nicht, weil es verheirateten Frauen nicht erlaubt war. Sie ist dann erst sehr spät Pfarrerin geworden. Im Grunde bin ich mit der feministischen Theologie aufgewachsen. Wir mussten uns im Studium die feministische Theologie selber organisieren, denn diese war nicht an den Universitäten verankert. Ich habe dann lange als Theologin gearbeitet und bin erst spät ordiniert worden. Die Kirche hat sich in den Jahren auch immer weiter verändert.


Wie sieht es denn heute mit der Rolle der Frau aus? Können wir inzwischen von Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche sprechen?

Nein. Geschlechtergerechtigkeit ist in den Kirchen noch immer nicht erreicht. Es ist nach wie vor viel zu tun. Da wäre zum Beispiel die feministische Kritik an der Sprache. Wie in vielen gesellschaftlichen Institutionen wird auch in der Kirche an der Oberfläche eine geschlechtergerechte Sprache gesprochen. Theologisch spezifisch interessant ist aber, wie über Gott gesprochen wird, ob es ein männliches oder ein vielfältiges Gottesbild gibt und ob sich die vielfältigen Möglichkeiten, über Gott zu sprechen, auch in der Sprache innerhalb der Kirche niederschlagen. Die feministische Theologie hat hier schon viel zur Bewusstseinsbildung beigetragen, in der Breite der Kirche setzt es sich aber dann doch nicht durch.


Warum ist es problematisch, wenn das Gottesbild männlich dargestellt wird?

Als religiöser Mensch ist man geprägt durch so ein Gottesbild. Es gibt den berühmten Ausspruch der US-Amerikanerin Mary Daly, einer ehemals feministischen Theologin, die sich dann vom Christentum entfernt hat. Sie hat gesagt: ‚Wenn Gott männlich ist, dann ist das Männliche Gott‘. Das fasst es gut zusammen, denn wenn man religiös denkt und ein männliches Gottesbild hat, dann erscheint das Männliche als das Wichtigere.


Was fordern Sie stattdessen?

Ein vielfältiges Gottesbild, das sowohl das Männliche als auch das Weibliche, also beispielsweise auch mütterliche Gottesvorstellungen, einbezieht. Denn diese gibt es ja durchaus in der Bibel, sie wurden bloß über die Jahrhunderte nicht erwähnt. Wünschenswert wäre es auch, ein Gottesbild zu befördern, bei dem Gott nicht als Mensch gesehen wird und damit weder männlich noch weiblich wäre. Auch das ist in der Bibel angelegt.


Gibt es Bemühungen, die Sprache geschlechtergerecht zu gestalten?

Ja. Ein wichtiges Projekt ist die Bibel in gerechter Sprache. Das ist eine Bibelübersetzung, die sowohl deutlich macht, dass Gott nicht männlich gesehen werden muss oder soll und gleichzeitig zeigt, an wie vielen Stellen Frauen in der Bibel vorkommen, in der klassischen Übersetzung aber unsichtbar gemacht wurden.


Wie waren die Reaktionen auf dieses Projekt?

Als diese Bibelübersetzung 2006 veröffentlich wurde, war sie umstritten und wurde in der Kirche kontrovers diskutiert. In Teilen der Kirche hat sie auch sehr großen Anklang gefunden. Inzwischen könnte man fast sagen, dass die Erkenntnisse, die die Forschungsgemeinschaft um die Bibel in gerechter Sprache erarbeitet hat, weit verbreitet sind. Umstritten ist vielmehr, ob man die männlich geprägte Sprache, in der die Bibel vor 2000 Jahren geschrieben wurde, unter heutigen Erkenntnissen einfach verändern kann. Die Bibel ist patriarchal, in einem patriarchalen Kontext geschrieben. Das zu benennen und zu fragen, wie wir als Christinnen und Christen heute damit umgehen, ist wiederum auch eine Leistung der feministischen Bewegung.


Nutzen Sie als Pfarrerin in Ihren Predigten die geschlechtergerechte Sprache?

Ja!
 

Und wie geht Ihre Gemeinde damit um?

Ich bin selber nicht Gemeindepfarrerin, engagiere mich aber ehrenamtlich in einer Berliner Gemeinde. Dort gibt es natürlich Fragen und Diskussionen dazu, aber im Grundsatz wird das sehr positiv aufgenommen. Es gibt viele Frauen und Männer, die befremdet sind, wenn die Kirche nach wie vor patriarchal auftritt, da das der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung überhaupt nicht mehr entspricht.


Gibt es abgesehen von der Sprache weitere Beispiele, die die mangelnde Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche zeigen?

Auf jeden Fall bei der Verteilung von Leitungsämtern. In der obersten und mittleren Leitungsebene, zu der auch die Kirchenkreise gehören, gibt es bei einem Frauenanteil von nur 21 Prozent ein großes Ungleichgewicht. Im Land Brandenburg werden von 13 Superindenturen nur drei von Frauen geleitet. Die drei Ämter auf der höchsten Leitungsebene – Bischof, Probst und Verwaltungsleiter – sind in unserer Kirche zurzeit alle von Männern besetzt.

Auch bei der Verteilung der Pfarrämter zeigt sich dieser Trend. Hier haben wir 36 Prozent Frauen, das ist zwar etwas mehr, aber auch noch nicht besonders gut. Inzwischen wurde erkannt, dass in diesem Bereich endlich etwas getan werden muss. Andere Landeskirchen in Deutschland sind da schon viel weiter. Zum Beispiel muss auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessert werden.


Wie wird das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche diskutiert und was muss sich ändern?

Wie gesamtgesellschaftlich gibt es auch in der Kirche die Tendenz zu sagen, wenn wir uns Gender-Mainstreaming-Leitlinien geben, dann ist doch alles erreicht. Ein bisschen nach dem Motto: Geschlechtergerechtigkeit besteht zwar nicht, aber zumindest haben wir uns einen hübschen Gesetzesrahmen gegeben. In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) haben wir zwar beispielsweise ein gutes Gleichstellungsgesetz, wir hatten aber lange Zeit keine berufliche, zuletzt nicht einmal eine ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragung. Dadurch wurde nichts umgesetzt. Darüber hinaus gibt es innerhalb der evangelischen Kirche auch sehr konservative Strömungen, die eine Auseinandersetzung mit Vielfalt von Geschlechtlichkeiten ablehnen. Den größten Handlungsbedarf sehe ich bei der Akzeptanz einer Vielfalt von Lebensformen und der Förderung von Frauen, um die Leitungsebene zu durchmischen.

Allerdings möchte ich auch erwähnen, dass unsere Landessynode im letzten Jahr mit großer Befürwortung die Trauung für alle beschlossen hat. Damit war die Kirche schneller als die staatliche gesetzliche Änderung. Der Wille zur Veränderung ist also durchaus da.


Arbeiten Sie in Ihrem Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit eigentlich auch mit Frauen anderer Kirchen zusammen?

Als kirchliche Frauenbewegung sind wir ökumenisch aktiv und arbeiten mit den anderen Kirchen und insbesondere mit der katholischen Kirche beziehungsweise den Frauen der katholischen Kirche sehr eng zusammen. Denn auch dort spielt die feministische Theologie eine große Rolle und die Frauen befinden sich in den gleichen Diskussionsprozessen. Die Forderungen sind weitgehend die gleichen.



Vielen Dank für das Gespräch!

Landeszentrale, Oktober 2017
 

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