Für mich ist es heute ein großes Vergnügen und ein große Ehre zugleich, hier als Vorsitzender des Kuratoriums zu stehen. Ich denke nämlich daran zurück, wie ich gleich nach der Wende selber mit unglaublich viel Idealismus und einer großen Portion Sendungsbewusstsein los gezogen bin, um Menschen in der neuen Gesellschaft mitzunehmen, sie zu „politisieren“, mit dem „Politik-Virus“ zu infizieren. Heute bin ich froh, dass es immer noch viele dieser hemmungslosen Idealisten gibt – hier in der Landeszentrale und bei den vielen Partnern im ganzen Land Brandenburg. Dafür mein herzlicher Dank an alle Mitstreiter.
Vielen Dank für all das, was Sie in den letzten 20 Jahren geleistet haben. Vielen Dank dafür, dass Sie Jahr für Jahr ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt, Publikationen herausgegeben und nicht zuletzt Ausstellungen geplant und betreut haben. Es galt all die Jahre und gilt bis heute, zu organisieren, zu planen, zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass noch im sprichwörtlich „ im letzten Winkel“ dieses Bundeslandes möglichst viele Bürgerinnen und Bürger von der Arbeit dieser Landeszentrale erreicht werden.
Denn so verstehe ich den Auftrag dieser „Landeszentrale“: Sie soll zum einen hier vor Ort eine Anlaufstelle für Interessierte sein und eine offene Tür für Alle haben. Sie soll zentral Informationen anbieten, Materialien erarbeiten und bereitstellen und natürlich Veranstaltungen und Ausstellungen organisieren. Aber mindestens genauso wichtig ist es, „auszuschwärmen“ und von der Lausitz bis zur Prignitz, vom Speckgürtel um Berlin herum bis zur polnischen Grenze präsent zu sein. Dafür sind die Kooperationen mit einer Vielzahl freier Träger so wichtig.
Danke auch dafür, dass Sie sich nicht haben entmutigen lassen, die Bürgerinnen und Bürger im Land zu informieren und dabei zu helfen, sich in unserer politischen Gesellschaft zurechtzufinden, mitzureden und am besten mitzugestalten. Ich bin mir sicher, es gelingt mit Ihren Angeboten auch in Zukunft immer wieder, Bürgerinnen und Bürger zum Nachdenken zu bewegen und ihr politisches Bewusstsein zu schärfen. Denn genau darum geht es – nicht hauptsächlich um die Vermittlung von Faktenwissen. Klar auch das, auch hier bekommt man natürlich ein Grundgesetz, zum - wenn man möchte - täglich für sich Herumtragen. Aber das eigentlich wertvolle an der politischen Bildung ist: Den Blick zu schärfen. Den Blick fürs wesentliche, den Blick für Zusammenhänge und Blick für das was man nicht auf den ersten Blick erkennt. Insofern wundert es nicht, wenn nach mir eine Karikaturistin spricht – es gibt schließlich eine sehr ähnliche Arbeitsbeschreibung.
Ich bin mir sicher, es ist Ihnen in den letzten 20 Jahren gelungen, viele Menschen derart aufmerksam und neugierig zu machen. Mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen würde ich Sie zusätzlich auffordern, auch über den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Fähigkeiten im Sinne der Allgemeinheit zu reden. Wir alle kennen die großen kontroversen Themen der Zukunft, nehmen Sie die Frage der Energieerzeugung.
Bisher war in Brandenburg davon nur eine Region betroffen, zukünftig wird man überall im Land mit den Auswirkungen dieses Themas konfrontiert werden. Ich hätte Sorge, wenn hier die gut gebildeten, hervorragend Informierten und bestens vernetzten ihr politisches Handwerkszeug nur im eigenen Interesse einsetzen.
Wer schützt dann eigentlich die Uninformierten, müssen die dann die Lasten unserer Gesellschaft tragen, weil sie nicht gelernt haben, mitzureden?
Woher nimmt eigentlich die Landeszentrale ihre Themen? Nun, der Begriff Politik, vom griechischen „Politika“ hergeleitet, meinte damals – salopp formuliert – alle Dinge, die die Polis – also den Stadtstaat – betreffen. Alle Fragen, Themen und Gegenstände, die Gemeinwesen und Gesellschaft betreffen. Ein breites Spektrum, wie wir wissen. Anders gesagt: Martina Weyrauch und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können aus dem vollen politischen Leben schöpfen. Das hat die Landeszentrale in den letzten 20 Jahren auch hemmungslos getan. Entgegen anderslautender Gerüchte, war sie dabei nie tendenziös aber oft kontrovers. Das war nicht nur gut so, sondern möge auch so bleiben.
Wäre also das mit der Politik geklärt, bleibt die Frage nach der Bildung: Ich bin Anfang des Monats mit dem Bildungsausschuss des Landtages in Finnland gewesen und sehr begeistert darüber, was ich dort erleben durfte. Finnland hat – wie sie alle wissen – bei den PISA-Studien der vergangenen Jahre immer sehr erfolgreich abgeschnitten. Man kann die Gründe dafür in dem schon früh im Kindesalter einsetzenden Bildungsauftrag suchen oder auch im Schulsystem mit der 9-jährigen Gemeinschaftsschule, den exzellent ausgebildeten und hoch motivierten Lehrerinnen und Lehrern. Ich glaube aber, ganz wesentlich ist etwas anderes: Bildung in praktisch jeder denkbaren Form genießt dort hohes gesellschaftliches Ansehen. Die die Bildung vermitteln, genießen ebenfalls dieses Ansehen und sie genießen darüber hinaus ein breites Vertrauen in ihre Arbeit. Es muss wirklich Spaß machen, Teil des finnischen Bildungssystems zu sein.
Und noch einen weiteren Faktor habe ich als sehr wichtig wahrgenommen: Das Verständnis, dass alle Kinder mitgenommen werden. Das Ziel, kein Kind zurückzulassen, ist dort in den Köpfen fest verankert.
Um jetzt den Bogen wieder zur Landeszentrale für politische Bildung und ihrer Arbeit zu schlagen, wünsche ich Ihnen, dass Sie über Ihre Arbeit noch mehr Ansehen und Vertrauen in Sachen politischer Bildung erlangen – möglichst bis in finnische Dimensionen. Außerdem möchte ich Sie ermuntern, auch in Zukunft ein breites Angebot für alle Bürgerinnen und Bürger auf die Beine zu stellen, also niemanden zurück lassen. Ich möchte Sie darin bestärken, politische Bildungsarbeit in diesem Sinne zu leisten, Bildung auch und gerade zu den sogenannten „Bildungsfernen“ zu bringen. Das ist natürlich die schwierigste aber auch die lohnenswerteste Aufgabe.
Bleibt noch die Frage des Wie? Ich füge das hinzu, weil wir in der Enquetekommission des Landtages immer wieder mal die Frage haben, wie denn am besten DDR-Geschichte vermittelt werden kann? Das läuft dann, zugespitzt gesagt, nach dem Motto „erhobener Zeigefinger oder unvoreingenommene Diskussion“. Ich kann Sie nur bitten: Seien Sie in der Wahl der didaktischen Mittel mutig, persönlich und unkonventionell. Denn, noch eine Erkenntnis aus Finnland: Wer sich wohl fühlt und Spaß dabei hat, der lernt am besten.
Dass Ihnen das Gelingen wird, darin habe ich volles Vertrauen! Herzlichen Glückwunsch Landeszentrale!
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