Kunst und Gleichberechtigung

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg, Monika von der Lippe, spricht über das, was sie beim Thema "Kunst und Gleichberechtigung" bewegt und was eine Beauftragte für Gleichstellung eigentlich macht.

Monika von der Lippe, Gleichstellungsbeauftragten des Landes Brandenburg
Monika von der Lippe, Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg

Sie haben die Karikaturenausstellung „Frauen, hört die Signale“ in der Landeszentrale mit einem Grußwort eröffnet und man merkte Ihnen an, dass es für Sie keine Pflichtübung war. Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
 
Nun, Sie haben in Ihrer Frage den Untertitel der Ausstellung nicht genannt: „Vom Kampf um die Gleichberechtigung“, heißt es da. Ich hätte wohl eher von Gleichstellung gesprochen, aber das Anliegen, politische Themen mit den Mitteln der Kunst zu erschließen, finde ich besonders reizvoll. Der Publizist Henri Nannen sagte einmal: „Kunst muss anstößig sein; sie muss Denkanstöße geben.‘‘ Diskussionen über Freiheiten und Grenzen von Satire – und nichts anderes ist ja die Karikatur als Kunstform – begleiten uns besonders in diesen Tagen allerorten.

Dass Herr Böhmermann mit seinem umstrittenen Erdogan-Gedicht Presseberichten zufolge eine „Staatsaffäre“ auslöst, hätte wohl niemand erwartet. Abgesehen davon treibt mich die Frage nach der Gleichberechtigung nicht nur von Amts wegen, sondern auch deshalb um, weil auf dem Gebiet zwar viel erreicht wurde, aber ebenso viel auch noch zu tun bleibt.

Wie meinen Sie das? Gerade junge Frauen melden sich seit einigen Jahren zu Wort, die eben diese Debatten angesichts des Erreichten überflüssig finden.

Da bin ich tatsächlich anderer Meinung. Bleiben wir beim Beispiel Kunst. Die Erkenntnis, dass der vermeintlich fortschrittliche, innovative, facettenreiche, offene und bunte Bereich von Kunst und Kultur sich mitnichten so fortschrittlich erweist, wenn es um die Gleichstellung von Frauen und Männern geht, war für mich schon erschütternd. Das fängt bereits bei der statistischen Grundlage an. Auf der Suche nach Zahlen und Fakten rund um Frauen in Kunst und Kultur bin ich zunächst darauf gestoßen, dass aktuelle und bundesweite Zahlen zum Frauenanteil in der Kunst- und Kulturszene, auch in Führungspositionen, offenkundig gar nicht existieren.

Die vorhandenen Daten aber zeichnen für die Frauen in der Kunst- und Kulturlandschaft kein buntes Bild und zeigen leider auf recht eindrückliche und bedrückende Weise, dass wir von einer Geschlechtergerechtigkeit noch ein gutes Stück entfernt sind. Die Malerin Sibylle Zeh hat das Geschlechterverhältnis in der Kunstszene einmal eindrücklich illustriert. In Reclams Künstlerlexikon, in dem 5.000 Kunstschaffende gelistet sind, übermalte sie die Männernamen mit weißer Farbe. Übrig blieben sage und schreibe 169 Künstlerinnen. Männliche Künstler, Publizisten und Musiker verdienten 2014 durchschnittlich 17.452 Euro im Jahr. Ihre weibliche Kolleginnen dagegen nur 13.217 Euro. Über 80 Prozent der Beschäftigten in der Buchbranche sind weiblich. Nur 16 Prozent der Führungspositionen werden dort aber durch Frauen besetzt. In Schnitt verdienen Frauen in der Buchbranche 28 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. In der Filmbranche sieht es ähnlich aus.

Angesichts dieser Situation kann ich gar nicht zufrieden sein mit dem Status Quo, zumal dieser Befund nicht nur für die Kulturbranche gilt. Im Schnitt verdienen in Deutschland Männer immer noch rund 20 Prozent mehr als Frauen.

Was finden Sie in der Debatte um die Gleichstellung wichtig?

Ich finde eine gesellschaftliche Sensibilisierung sehr wichtig. Dabei geht es nicht nur um die Akteurinnen und Akteure, sondern auch um das, was in die Gesellschaft gespiegelt wird. Mit anderen Worten: um Verantwortung. Eindrücklich finde ich zum Beispiel die Frage, welche Rollenbilder über das verbreitete Medium „Film“ transportiert werden.

Haben Sie Filme schon einmal unter dem Genderaspekt gesehen? Nein? Versuchen Sie`s, ich verspreche Ihnen, das Ergebnis wird Sie überraschen und es geht auch ganz einfach: Mit dem sogenannten Bechdel-Test können Sie herausfinden, wie eigenständig und facettenreich weibliche Figuren dargestellt werden und ob ein Film möglicherweise traditionelle Geschlechterklischees bedient.

Die Fragen sind: „Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen sie miteinander? Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann?“ Die meisten Filme bestehen den Test nicht, erweisen sich aber oftmals als absolute Kassenschlager.

Am Rande der Ausstellung wurden Sie von einer Besucherin gefragt: „Was macht eine Gleichstellungsbeauftragte eigentlich?“ Was haben Sie geantwortet?

Ich habe ihr geantwortet, dass ich versuche, Denkanstöße zum Thema Gleichstellung zu geben. Die Frauenquote ist eben nicht nur ein Gegenstand für die Vorstände börsennotierter oder landeseigener Unternehmen, sondern geht darüber hinaus. Ich glaube, es ist Zeit, größer und weiter zu denken. Zum Wohle aller Geschlechter und der Gesellschaft, in der wir leben.

Landeszentrale, April 2016

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Monika von der Lippe, eine wirklich beeindruckende Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg. Gebildet, reflektiert, sachlich und voller Power. Ich wünsche Ihr und allen MitstreiterInnen viel Durchschlagskraft.

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