Trotz aller Zersplitterung versucht die linksextreme Szene, sich zu vernetzen. Dafür nutzt sie gemeinsame Themen wie den Kampf gegen den Rechtsextremismus, die antikapitalistische Ausrichtung sowie Klimaschutzproteste. Diese Themen schaffen auch Anschlussmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen, Gewerkschaften und linke Parteien.
Es gibt keine einheitliche ideologische Grundlage der verschiedenen linksextremen Akteurinnen und Akteure. So unterscheiden sich die Ideen der kommunistisch geprägten linksextremistischen Parteien sowohl untereinander als auch von denen der eher anarchistisch geprägten linksextremen Szene. Dennoch gibt es lagerübergreifende Themen. Gemeinsame Klammern bilden der Kampf gegen den Rechtsextremismus, die antikapitalistische Ausrichtung aller Linksextremisten sowie die in den vergangenen Jahren verstärkte Beteiligung an den Klimaprotesten.
Um in der Öffentlichkeit mehr Gehör für ihre Anliegen zu finden, bemühen sich die verschiedenen linksextremen Strömungen um eine stärkere Vernetzung untereinander. Dafür bildeten sich Strukturen ohne verbindliche ideologische Vorgaben. Es gilt, die Kampagnenfähigkeit zu vergrößern und die Zersplitterung im Linksextremismus zu überwinden. Zu den zentralen Bindegliedern dieser Kooperationsstrukturen zählen die Interventionistische Linke (IL), das kommunistische Bündnis "...ums Ganze (uG) und der Verein Rote Hilfe e.V.
Unterstützung von Straftätern durch Rote Hilfe e.V.
Für die lagerübergreifende Zusammenarbeit spielt die Rote Hilfe e.V. mit ihren etwa 11.000 Mitgliedern eine wesentliche Rolle. Sie versteht sich selbst als „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Ziel ihrer Tätigkeit ist die politische und finanzielle Unterstützung von linksextremen Gewalt- und Straftätern, unter anderem durch die Übernahme von Geldstrafen, Anwalts- und Prozesskosten.
Solche Solidaritätsaktionen stärken den Zusammenhalt innerhalb des linksextremen Spektrums und fördern die interne Vernetzung. Auch die kleineren Gruppierungen IL (1.100 Personen) und uG (300 Personen) treten zugunsten einer möglichst breiten Einbindung verschiedener linksextremistischer Strömungen undogmatisch und meist anlassbezogen auf, vorrangig im Zuge von Demonstrationen und Protestereignissen. Dabei geht es nicht nur darum, interne Bündnisse zu schließen, sondern auch Unterstützung und Sympathien über das linksextreme Spektrum hinaus zu gewinnen.
Faktenbox:
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Antifaschismus, Antikapitalismus, Antirepression und Klimarettung stellen die zentralen Themenfelder aller Linksextremisten dar.
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Ideologischen Unterschieden zum Trotz versuchen sich die verschiedenen linksextremen Lager intern zu vernetzen und ihrer Zersplitterung entgegenzuwirken.
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Linksextremistische Themenfelder gehen mit konkreten Aktionsorten einher, zum Beispiel
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bei Protesten im Zuge von politischen Gipfeltreffen (Antikapitalismus),
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bei Gegendemonstrationen als Reaktion auf rechtsextremistische beziehungsweise flüchtlingskritische Kundgebungen (Antifaschismus und Antirassismus),
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durch Hausbesetzungen und Blockaden in „Szenekiezen“ (Antirepression),
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durch Protestaktionen wie im Hambacher Forst und gegen den Braunkohleabbau (Klimarettung).
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Linksextremistische Themenfelder und Aktionsorte sind häufig eng miteinander verbunden und folgen konkreten Anlässen. Antikapitalistische und globalisierungskritische Kampagnen finden regelmäßig im Umfeld von G8- und G20-Treffen, EU-Gipfeln oder im Zuge von Mai-Demonstrationen – vorrangig in der Hauptstadt Berlin – statt. Die Themen Antifaschismus und Antirassismus stehen im Zusammenhang mit dem Aufkommen von Pegida und der AfD sowie flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen – die sich in entsprechenden Gegenprotesten äußern.
Aktionen wie Hausbesetzungen, Blockaden und Angriffe auf Baufirmen richten sich gegen den Neubau von Eigentums- und Luxuswohnungen in Szenekiezen wie zum Beispiel in Berlin und Leipzig (Antirepression und Antigentrifizierung). Zudem hat das Thema Klimawandel mit der zunehmenden öffentlichen Aufmerksamkeit auch unter Linksextremisten an Bedeutung gewonnen. So sind sie an Protestaktionen wie im Hambacher Forst und gegen den Braunkohleabbau im Bündnis Ende Gelände beteiligt. Mit der Besetzung des Themas sollen Brücken zu zivilgesellschaftlichen Initiativen, zu Gewerkschaften und linken Parteien geschlagen und Rückhalt für ihre Anliegen gefunden werden.
Prof. Dr. Tom Thieme, März 2022
Der Autor ist Professor für Gesellschaftspolitische Bildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) in Rothenburg/O.L.
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