Wie reagiere ich auf Witze über Juden, auf Beschimpfungen auf Facebook oder auf die "Schlussstrichdebatte"? Nicht in jeder Situation kann und muss man etwas sagen. Es gibt aber einige Tipps, was man tun kann, wenn man gegen antisemitische Vorurteile aufstehen möchte.
Manchmal zeigen sie sich offen gewalttätig, manchmal verpackt als Humor und oft in Bemerkungen, die scheinbar nebenbei fallen - Vorurteile gegen Juden halten sich hartnäckig. Vielen fällt das auch auf, doch nicht immer weiß man, wie man darauf reagieren soll. Nicht in jeder Situation kann und muss man etwas sagen. Die Bundeszentrale für politische Bildung schildert in einem Flyer typische Alltagssituationen und gibt Empfehlungen, wie man auf so genannte Juden-Witze, auf Angriffe in Facebook und jahrhundertealte Vorurteile reagieren kann. Nachstehend veröffentlichen wir als Auszug die Handlungsempfehlungen. Der Flyer selbst kann online gelesen und bei der Bundeszentrale bestellt werden.
Allgemeine Tipps
Werden Sie aufmerksam und benennen Sie Antisemitismus, wenn Sie ihn wahrnehmen!
Die Welt ist nicht so einfach gestrickt: Es gibt mehr Kategorien als Gut und Böse.
Bedenken Sie vorher!
Wer ist Ihr Gegenüber? Will Ihr Gegenüber überhaupt ins Gespräch gehen oder nur schlechte Stimmung machen? Sie müssen nicht auf jede Parole reagieren. Sie können sich auch erst weiter informieren und später reagieren.
Haben Sie Mut und trauen Sie sich – auch einfach „Stopp“ sagen hilft!
Bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie diese Äußerungen nicht hören wollen und selbst eine andere Meinung haben! Dies können Sie auch, ohne Gegenargumente einzubringen, als Zeichen setzen.
Fragen Sie kritisch nach!
Was war mit dieser Äußerung wirklich gemeint?
Unterstützung holen
Holen Sie sich Hilfe und Rückendeckung!
Sprechen Sie mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Nachbarn! Nehmen Sie Kontakt mit einer Beratungsstelle auf!
Irritieren Sie ihr Gegenüber mit Fragen! Und lassen Sie sich nicht provozieren.
Regen Sie zum Nachdenken an!
Informieren Sie sich umfassend.
Handeln und Argumentieren
Beschimpfungen auf Facebook
Der Jugendleiter im Verein erfährt von einem Jugendlichen, dass er über Facebook von einem anderen Jugendlichen der Jugendgruppe mit „Du verdammter Jude!“ beschimpft wurde. Bei persönlichen Treffen der Gruppe wurde die Beschimpfung
bislang nicht geäußert. Der Beschimpfte fühlt sich nun stark verunsichert.
Wie darauf reagieren?
- Gespräche mit dem Jugendlichen, der die Beschimpfungen auf Facebook gepostet hat, führen und ihn fragen, was er damit erreichen wollte.
- Klarstellen, dass die Beschimpfung als „verdammter Jude“ nicht tragbar und überhaupt nicht in Ordnung ist.
- Ein klärendes Gespräch mit beiden Jugendlichen führen.
- Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Schulklasse oder mit der Jugendgruppe allgemein zum Thema zu machen. Dafür kann man sich Unterstützung und Hilfestellungen zur Gesprächsführung holen (siehe Infokasten oben)
Diskussion im Freundeskreis
Bei einem Abend im Freundeskreis wird auch über den Nahost-Konflikt diskutiert. Sehr schnell werden alle Juden und Jüdinnen eines „Völkermordes an den Palästinensern“ beschuldigt.
- Mit solchen pauschalen Vorwürfen werden alle Juden und Jüdinnen zu einem Kollektivsubjekt zusammengefasst und für die Politik des Staates Israel verantwortlich gemacht. Machen Sie Verdecktes sichtbar: Es gibt keinen Zusammenschluss aller Juden und Jüdinnen.
- Der Begriff „Völkermord“ setzt den Vorwurf in den direkten Vergleich mit dem Holocaust. Das ist völlig unpassend und verkleinert die historische Verantwortung Deutschlands für die Verfolgung der Juden.
- Die Situation im Nahen Osten ist komplex und lässt keine einfachen Antworten oder Beschuldigungen zu. Unsere Sichtweise auf den Konflikt ist die von außen und wir befinden uns nicht inmitten der Situation vor Ort.
Arm und Reich
Im Kollegenkreis wird ein Gespräch über Globalisierung und lokale Arbeitsbedingungen geführt. Ein Kollege äußert sich: „Wir als kleine Angestellte haben keine Chance, uns gegen die Unternehmer und die Großkonzerne zu behaupten. Die Last tragen immer die Kleinen … Und hinter den Großkonzernen stecken vermutlich einflussreiche jüdische Kreise.“
- Fragen Sie nach, was damit gemeint ist und worauf sich die Behauptung gründet.
- Machen Sie es persönlich: Wo fühlst du dich konkret Ungerechtigkeiten ausgesetzt? Und was haben Juden damit zu tun?
- Beziehen Sie andere Kolleginnen und Kollegen in die Diskussion ein.
- Machen Sie Ihre Meinung deutlich: Ich halte nichts von solchen einfachen Schuldzuweisungen (weitere Argumente gegen eine „jüdische Weltverschwörung“ finden Sie weiter unten).
Juden-Witze
Kennt Ihr den: „Ein Jude trifft …“. Alle lachen und nur wenige schauen betreten um sich. Ist das „erlaubt“, soll ich mitlachen oder Spielverderber sein?
- Witze spielen mit Tabubrüchen und sind deshalb besonders reizvoll zu erzählen.
- Durch Witze werden oft Vorurteile bestärkt, in „wir“ und die „Anderen“ unterschieden. Witze sind machtvoll und können erhöhen bzw. erniedrigen.
- Achtsam sein und nachfragen: Was steckt hinter dem Witz? Welches Bild von DEM Juden wird hier vermittelt?
- Grenzen setzen: Machen Sie deutlich, wo Grenzen erreicht werden. Das hat auch Wirkung auf die Umstehenden, die sich noch nicht getraut haben einzuschreiten.
„Nach so langer Zeit muss doch einmal ein Schlussstrich unter die deutsche Vergangenheit gezogen werden. Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen.“
- Hier wird mit einem vermeintlichen Tabubruch versucht, Gegenmeinungen von vornherein zu entkräften bzw. gar nicht zuzulassen.
- Mit der Schlussstrichdebatte ist gemeint, dass Deutschland für den Nationalsozialismus und den Holocaust genug Verantwortung und Entschädigung gezahlt habe und nun keine „Sonderrolle“ mehr einnehmen solle.
- Benennen Sie den vermeintlichen Tabubruch und zeigen Sie ihre persönliche Meinung: „Ich bin da ganz anderer Meinung. Und es ist ja nicht so, dass darüber nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird.“
- Aus der Geschichte erwächst Verantwortung: So lange die Einstellungen und Ideologien fortleben, die den Nationalsozialismus und Auschwitz möglich machten, kann es keinen Schlussstrich geben.
„Es gibt eine (versteckte) jüdische Weltherrschaft. Juden tragen die Verantwortung für die Durchsetzung des Bolschewismus wie auch des Kapitalismus.“
- Schon seit dem Mittelalter gibt es solche Verschwörungstheorien. Es gibt aber keine Organisation, die alle Juden und Jüdinnen der Welt vereinigt bzw. vertritt. Von „Weltjudentum“ kann tatsächlich nicht gesprochen werden. Organisationen wie der World Jewish Congress oder die Jewish Claims Conference sind lediglich legitime Interessensvertretungen in der Öffentlichkeit.
- Die Antisemiten schürten diese Verschwörungstheorien durch die „Protokolle der Weisen von Zion“, die eine Fälschung der zaristischen Geheimpolizei waren. Die Fälschung wurde im Rahmen eines Prozesses in der Schweiz 1934/35 konkret nachgewiesen.
- Wie absurd die Verschwörungstheorien sind, zeigt sich auch daran, dass dadurch Juden und Jüdinnen für alles Bedrohliche verantwortlich gemacht werden: den Kommunismus genauso wie den Kapitalismus, die Globalisierung, die Beherrschung des Finanzmarktes, für Kriege oder sogar Krankheiten. Hier werden für schwer durchschaubare Ereignisse Schuldige gesucht.
Quelle: Flyer "Antisemitismus begegnen", bpb, 2014
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