Als Friedliche Revolution wird der Umbruch von 1989/90 in der DDR bezeichnet. Obwohl der Begriff aus wissenschaftlicher Sicht die gesellschaftlichen Umwälzungen zutreffend beschreibt, hat sich in der Bevölkerung die Bezeichnung "Wende" weitaus stärker durchgesetzt.
Historisch waren die Ereignisse, die zum Ende des SED-Regimes und zur deutschen Wiedervereinigung führten, bislang einzigartig: ein repressives System wurde durch die Mobilisierung großer Teile der Bevölkerung in gewaltfreien Protesten für bürgerliche Freiheiten, demokratische Rechte und die Durchsetzung zivilgesellschaftlicher Normen gestürzt. Als Symbol für den Erfolg der Friedlichen Revolution gilt Vielen der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989.
Für die Akteure selbst spielte der Begriff im Herbst 1989 aber zunächst kaum eine Rolle. Die Bezeichnung "Revolution" für das, was in der DDR vor sich ging, tauchte nur gelegentlich auf. Weitaus häufiger war in oppositionellen Kreisen von "Reformation" oder "Erneuerung" die Rede. Die zunehmend an Macht verlierende DDR-Regierung setzte den Erneuerungsversuchen von unten einen eigenen Begriff entgegen und sprach von "Wende". Damit waren aber nicht gesellschaftspolitische Veränderungen gemeint, sondern notwendige Aktionen der führenden Staatspartei SED, um die eigene Herrschaft weiter zu sichern.
Erst im Laufe mehrerer Wochen wurden die Begriffe "Revolution" und "friedlich" in Verbindung zueinander gebracht.
Walter Momper, der damalige Regierende Bürgermeister von West-Berlin, soll zum ersten Mal den Begriff "Friedliche Revolution" zur Beschreibung der Entwicklungen in der DDR benutzt haben. In einer Rede vor dem Schöneberger Rathaus beglückwünschte er am 10. November 1989, am Abend nach dem Mauerfall, "die Bürgerinnen und Bürger der DDR zu ihrer friedlichen und demokratischen Revolution".*
In vielen Medien wurde das Begriffspaar danach verbreitet, während die "friedlichen Revolutionäre" selbst eher kritisch dazu standen und von "Umbruch" sprachen. Bärbel Bohley, die später auch als "Mutter der Revolution" galt, lehnte den Revolutionsbegriff für die DDR sogar ganz ab.
Mit Ausnahme Rumäniens verliefen auch in den anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks die Umbrüche relativ gewaltfrei. Der britische Historiker Timothy Garton Ash sprach deshalb auch von „Refolutionen“, um den Mischcharakter der damaligen Ereignisse zu betonen, die sich zwischen Reform und Revolution bewegten.
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Die Wandlungsprozesse in der DDR und den anderen osteuropäischen Staaten führten zu so grundlegenden Veränderungen in Europa und der Welt, dass Historiker von einer "Zäsur 1989", also von einem tiefgreifenden Einschnitt, sprechen. Dazu werden nicht nur das Jahr 1989 gezählt, sondern auch die Reformen unter Michael Gorbatschow, die deutsche Einheit und das Ende der Sowjetunion 1991.
Längere Zeit schien es, als sei das Urteil der Wissenschaft über die "Zäsur 1989" abgeschlossen. Das damit einher gehende Ende des Kalten Krieges wurde zugleich als "Ende der Geschichte" (Francis Fukuyama) gefeiert und zum Ausgangspunkt für optimistische Zukunftsszenarien einer gemeinsamen, freien Welt. Als deutlich wurde, dass die Entwicklung in eine andere Richtung ging, mehrten sich kritische Stimmen, die den ungehinderten Durchbruch des Neoliberalismus, die Zunahme nationalistischer Tendenzen und kriegerischer Auseinandersetzungen als unmittelbare Folge der Umbrüche von 1989 deuteten.
Gegen eine finale Wertung als Krisen- auf der einen oder Erfolgsgeschichte auf der anderen Seite wendet sich eine jüngere Generation von Wissenschaftlern. Sie sieht „1989" vielmehr als Chance, um die Gegenwart neu zu hinterfragen.
Insbesondere in Deutschland sollte dafür die Zeit des Umbruchs aus der regionalen Ecke, das heißt aus der Konzentration auf die DDR und Osteuropa, geholt werden. Statt dessen sollten stärker globale Entwicklungen in den Blick rücken, die in dieser Zeit entstanden und bis heute wirken wie etwa die Umweltbelastung und Ökologiebewegung, die Arbeits- und Zwangsmigration oder die Popkultur und Technologiebegeisterung. Dieser Zugang könnte auch dazu beitragen, scheinbar einfachen populistischen Erklärungen sowie politisch motivierten Vereinnahmungen des Themas entgegenzuwirken.
BLPB, September 2014 (zuletzt bearbeitet Oktober 2019) unter Verwendung der Beiträge von Bernd Lindner und Angela Siebold in: APuZ, 24-26/2014 und Angela Siebold, 1989 und die Herausforderungen einer transnationalen, globalen Geschichte, in: Zeitgeschichte-online, März 2019
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