Amazon und die NPD

In der vergangenen Woche berichtete der Verfassungsschutz Brandenburg auf seiner Homepage über eine merkwürdige Geschäftsbeziehung des Internetversandhauses Amazon zur NPD.

Auf der Website „Nationales Netztagebuch“, die vom NPD-Kreisverband Barnim-Uckermark betrieben wird, findet man eine Spalte mit „Kaufempfehlungen“. „Bekannte Soldatenlieder“, „Bekannte Soldatenlieder 2“, „Rudolf Heß: Ich bereue nichts“, „Bekannte Soldatenlieder 3“ und dergleichen mehr. Wer diese Empfehlungen anklickt oder das auf der Website eingebundene Amazon-Suchfeld benutzt, wird auf die Amazon-Homepage weitergeleitet und kann hier seine Bestellungen tätigen. Die NPD agiert dabei als „Amazon.de Partner“. Für jeden Kauf bekommt sie eine Provision. „Amazon nennt das `Werbekostenerstattung`. Andere könnten das eine wirtschaftliche Partnerschaft mit verfassungsfeindlichen Extremisten nennen“, schreibt der Verfassungsschutz.

Politiker, Blogger und engagierte Bürger (hier die Fans des FC St. Pauli) protestierten. Lediglich Prof. Jesse aus Chemnitz war anderer Meinung. Nach einer bemerkenswert langen Bedenkzeit lenkte Amazon am Sonnabend ein. Man habe die „angekündigte Überprüfung der Netztagebuch-Website abgeschlossen und entschieden … dass die Website nicht den Teilnahmebedingungen unseres Partnerprogramms entspricht“, schreibt mir der Amazon-Kundenservice in einer Mail. Allerdings: Die Amazon-Leiste beim "Nationalen Netztagebuch" ist bislang (Stand: 07.06. um 21.30 Uhr) immer noch nicht verschwunden.

Eine Anmeldung beim „Amazon.de Partnerprogramm“ erfordert keinen großen Aufwand: „Es dauert nur wenige Augenblicke, einen Account einzurichten!“ Aus den Teilnahmebedingungen geht hervor, dass Amazon Partner-Websites ausschließen kann, auf denen „diskriminierende Inhalte“ (u. a. Rassismus, Nationalismus, Sexismus) verbreitet werden. Da es sich um ein Massengeschäft handelt, ist aber im Grunde klar, dass eine eingehende Vorab-Prüfung der Geschäftspartner nicht stattfindet, sondern allenfalls nachträglich (etwa bei Beschwerden) vorgenommen wird.

Man kann dieses Geschäftsmodell und das zögerliche Verhalten Amazons gegenüber dem „Nationalen Netztagebuch“ kritisieren. Der Fall eignet sich jedoch kaum für eine grundsätzliche Internetkritik. Letztlich hat sich Amazon ja dann doch von seinem rechtsextremen „Partner“ getrennt. Das Einlenken von Amazon ist sicherlich sehr wesentlich darauf zurückzuführen, dass im Internet ein Boykott des Onlinehändlers diskutiert wurde. Insofern zeigt der Fall auch, dass man die (Markt-) Macht der kritischen Internetöffentlichkeit nicht unterschätzen sollte.

Ein andere, aber durchaus ähnliche Geschichte:

Anfang Mai erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel, in dem sich ein bekannter Autor des Blattes darüber aufregte, dass man im Internet-Shop des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL Nazi-Literatur kaufen könne. SPIEGEL ONLINE reagierte prompt und gab alles zu:

„Wie andere Verlage auch, kooperiert der SPIEGEL mit dem führenden Großbuchhändler Libri, das heißt, über den SPIEGEL-Shop hat jeder Nutzer Zugang zu dessen umfangreichem Angebot. Dass sich in dem Sortiment auch Werke von Autoren finden, deren Gesellschaft man meiden möchte, ist leider nicht zu umgehen.“

Peinlich für die Süddeutsche: Auch der Süddeutsche Verlag kooperiert mit Libri. Folgerichtig wird im Online-Shop der Süddeutschen Zeitung dasselbe Sortiment angeboten wie im SPIEGEL-Shop, d. h. es gibt hier auch dieselben Nazi-Bücher.

Geht es den Zeitungsverlagen tatsächlich schon so schlecht, dass auf derartige Geschäftsmodelle zurückgegriffen werden muss? Die Medienjournalist Stefan Niggemeier greift in seinem Blog das SPIEGEL-Argument auf, die „Gesellschaft“ von Nazi-Autoren sei „leider nicht zu umgehen“:

„Nicht? Es wäre ganz leicht zu umgehen. Man müsste bloß aufhören, auf irgendwelche Inhalte, die nicht die eigenen sind und über die man keine Kontrolle hat, das eigene Logo zu kleben, um kurzfristig noch den letzten Cent abzugreifen — egal, was das langfristig für den Wert eben dieses Logos bedeutet.“

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