Für viele Menschen in Brandenburg war das Leben in einer demokratischen Ordnung völlig neu, als 1990 die beiden deutschen Staaten wiedervereinigt wurden. In den letzten Jahren ist die Unzufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie bemerkenswert gestiegen. Was macht ein demokratisches System aus?
Wer sich die politische Landkarte heute anschaut, ist vielleicht überrascht. Demokratische Staaten scheinen geradezu flächendeckend auf unserem Planeten vertreten zu sein. Nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisation Freedom House waren 2018 von den 193 Mitgliedsstaaten der UNO 116 Länder parlamentarische Demokratien. Damit gibt es in rund 60 Prozent der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ein Parlament - ein wichtiges Merkmal von Demokratien, aber auch nicht-demokratische Staaten können ein Parlament haben.
Zudem verstärken offizielle Staatsnamen den Eindruck, die Welt bestünde aus Demokratien. Nordkorea heißt zum Beispiel „Demokratische Volksrepublik Korea“. Aus westlicher Sicht handelt es sich hingegen um eine kommunistische Diktatur, in der nicht das Volk herrscht, sondern ein Diktator. Die Türkei ist der eigenen Verfassung zufolge ein demokratischer Rechtsstaat. Aus Sicht der Europäischen Union hat es sich unter Präsident Erdogan jedoch zu einem autoritären Regime entwickelt. Auch die DDR nannte sich selbst demokratisch.
Um so wichtiger ist es, Merkmale zu bestimmen, die das Wesen einer Demokratie verdeutlichen.
Genau hinschauen und unterscheiden
Ganz allgemein gesprochen, ist die Demokratie zunächst eine Regierungsform oder anders ausgedrückt: eine Herrschaftsform. Die wörtliche griechische Übersetzung des Wortes „Demokratie“ bedeutet "Herrschaft des Volkes". Sie hilft aber nach Meinung des Politikwissenschaftlers Eckart Thurich wenig weiter. Woran sind also demokratische Herrschaftsformen zu erkennen?
Zu den Kernelementen demokratisch organisierter Staaten gehören:
- Grundrechte,
- demokratische Wahlen,
- Gewaltenteilung,
- das Rechtsstaatsprinzip,
- eine Öffentlichkeit mit freien Medien.
In repräsentativen Demokratien ist zudem das Parlament ein zentraler Bestandteil. So gilt der Deutsche Bundestag als „Herz der deutschen Demokratie“. Wegen der starken Stellung des Parlaments wird sie auch als parlamentarische Demokratie bezeichnet.
In Deutschland sind die genannten Prinzipien im Grundgesetz rechtsverbindlich festgeschrieben. Das politische System in Deutschland wird nach einer Definition des Bundeverfassungsgerichts freiheitliche demokratische Grundordnung genannt, gelegentlich auch "streitbare" oder "wehrhafte" Demokratie.
Das irritiert zunächst, denn für andere Demokratien gibt es diese Begriffe nicht. Darüber hinaus finden sich Merkmale, die für Demokratien gelten, auch in anderen Staats- und Herrschaftsformen, etwa in Monarchien.
In England gibts ja noch die Königin. Ist die Staatsform jetzt ne Monarchie oder ne Demokratie ??" Schülerfrage in einem Geschichtsforum 2005
Die Frage des Schülers zeigt beispielhaft, wie schwierig es ist, mit den oben genannten Kriterien im Einzelfall demokratische Staatsformen zu bestimmen. Politikwissenschaftler haben daher vielfältige Bezeichnungen gefunden, um die unterschiedlichen Ausprägungen demokratischer Herrschaftsformen weiter zu unterscheiden. So ist von "starken" und "schwachen" Demokratien ebenso die Rede wie von "defekten" und "funktionierenden". Das politische System in Großbritannien wird zum Beispiel als "parlamentarisch-demokratische Erbmonarchie" bezeichnet - um eine Antwort auf die Schülerfrage zu geben.
Repräsentative und direkte Demokratie
An die Stelle der Demokratie in der Antike, die als direkte Demokratie und nur von freien Männern praktiziert wurde, ist heute die repräsentative Demokratie getreten. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger entscheiden nicht direkt über politische Fragen, sondern wählen dafür Vertreterinnen und Vertreter (Repräsentanten).
Diese auf Zeit gewählten Männer und Frauen entscheiden als Treuhänder des Volkes. Daneben gibt es auch in der repräsentativen Demokratie Elemente der direkten Demokratie, zum Beispiel in einem Volksentscheid.
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So weit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Ob direkte oder repräsentative Demokratie, immer soll es um die Beteiligung der Menschen, um den Willen der Bürgerinen und Bürger zur Ausgestaltung des politischen Systems gehen. Das ist zumindest die Idealvorstellung. Die Realität sieht oft anders aus. So glauben in Deutschland immer weniger Menschen, dass ihre Stimme zählt und sie durch den Gang zur Wahlurne etwas bewirken können. Die Wahlbeteiligung sinkt deshalb in der Tendenz seit Jahren.
Das hat mit Vertrauen in den Staat, die Politik im Allgemeinen und deren Vertreterinnen und Vertreter im Besonderen zu tun. Die in verschiedenen Umfragen erhobenen Werte dazu in der Bevölkerung stimmen nachdenklich. So war schon 2019 nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland damit zufrieden, wie die Demokratie in unserem Land funktioniert. Dabei sind die Menschen im Osten im Schnitt deutlich unzufriedener als im Westen Deutschlands. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung gegen die Corona-Pandemie seit 2020 haben die Unzufriedenheit mit der Art des Regierens verstärkt.
Statt um die Mitbestimmung des Volkes geht es in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit um die Interessen von Lobbygruppen sowie Expertinnen und Experten. Diese, so scheint es vielen, bestimmen die Politik. Der britische Politologe Colin Crouch hat dafür den Begriff der "Postdemokratie" geprägt. Demokratische Strukturen werden ausgehöhlt.
Gegen diesen Trend sind seit einigen Jahren Bürgerinitiativen aktiv. Vereine wie "Mehr Demokratie" versuchen, Elemente der direkten und der repräsentativen Demokratie miteinander zu verbinden. Ihnen gehören vornehmlich junge Menschen an, die sich selbst als politikkritisch bezeichnen. Nicht zuletzt an diesem Beispiel wird deutlich, dass Demokratie nicht nur als Herrschaftsform, sondern ebenso als eine Lebensform zu verstehen ist. Damit ist gemeint, dass die Beteiligung der Menschen an politischen und gesellschaftlichen Fragen, ihre Kreativität und Innovation für das Gemeinwohl eine zentrale Rolle in demokratischen Gesellschaften spielen.
Politische Bildung: An der Auffassung, Demokratie als Lebensform zu verstehen, setzt auch die politische Bildung an. Sie unterstützt dabei, sich eine Meinung zu bilden und Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen. Das Schlagwort vom "mündigen Bürger" steht daher auch für eine demokratische Lebensform.
Beide Begriffe sind politisch und wissenschaftlich umstritten. Wo fängt Extremismus an? Je nach Standpunkt wird er links, rechts oder im islamistischen Spektrum verortet. Die Mitte der Gesellschaft gerät dabei oft aus dem Blickfeld.
BLPB, April 2023 (zuerst erschienen im Mai 2013).
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Kommentare
KommentierenDemokratie 2022
Vielen Dank für den klaren Artikel. Ich finde die Demokratie gut erklärt. Jedoch, was wurde seit den Coronamaßnahmen verändert? Warum werden Kritiker, die gegen die Informationszensur, die Diffamierung von Ungeimpften oder die Verfolgung von neutral forschenden Wissenschaftlern friedlich auf die Straße gehen, als Gegner der Demokratie bezeichnet? Und als Rechtsextremisten bezeichnet, obwohl das allerhöchstens auf eine verschwindend kleine Minderheit zutrifft?
nutzlos, im grosssen und…
nutzlos, im grosssen und ganzen sollten sie sich eigentlich selber im klaren sein das diese aussagen hier für unaufgeklärte leser nutzlose informationen sind. die wichtigsten merkmale einer demokratie wurden hier nicht aufgezählt
Re: nutzlos..
Im Text heißt es: "Zu den Kernelementen für demokratisch organisierte Staaten gehören demnach Grundrechte, demokratische Wahlen, die Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip, das Vorhandensein eines Parlaments sowie eine Öffentlichkeit mit freien Medien."
Ergänzen Sie gern weitere Elemente, die Ihnen wichtig sind und die hier nicht aufgeführt wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Landeszentrale
Kernelemente der Demokratie
Zu behaupten der Artikel wäre nutzlos ist nicht richtig, jedoch finde ich die aufgelisteten Kernelemente, gerade im Bezug auf die Platzierung im Text, problematisch.
Ein Parlament als Kernelement für eine Demokratie mit-aufzulisten und dann im Folgenden erst auf die Differenzierung zwischen parlamentarischer (indirekter) und direkter Demokratie einzugehen muss für Laien verwirrend sein.
Eine Demokratie setzt grundsätzlich kein Parlament voraus, jedoch gibt es fest etablierte Demokratieformen (wie in Deutschland), in denen es sich durch ein solches auszeichnet. Die repräsentative Demokratie.
Re: Kernelemente der Demokratie
Vielen Dank für den Hinweis, wir haben an der Stelle die Darstellung geschärft, um Missverständnisse zu beseitigen.
Ihre Landeszentrale
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