Die rechtsextremistische NPD hat ihre Parteiinfrastruktur vollständig von West- nach Ostdeutschland verlagert. Dort strebt sie über kommunale Aktivitäten den Einzug in Landesparlamente an.
Von 1966 bis 1968 zog die 1964 gegründete „Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) in sieben Landesparlamente ein. 1969 zählte sie fast 28.000 Mitglieder. Im selben Jahr scheiterten die Rechtsextremisten bei der Bundestagswahl mit 4,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Parallel nahmen Zivilgesellschaft und der freiheitliche-demokratische Rechtsstaat die Auseinandersetzung mit der NPD auf.
NPD-Verbot
2003 war ein Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert. Im Dezember 2012 stimmte der Bundesrat einem neuen Verbotsantrag zu. Doch Kritiker warnen vor einem Misserfolg. Die Folge könnte eine Stärkung rechtsextremistischer Kräfte sein.
Erfolgreiche Mittel waren hierbei die strikte Anwendung des Radikalenerlasses und ihre Verdrängung aus dem öffentlichen Raum. Hinzu kamen parteiinterne Konflikte. So stürzte die Partei in die Bedeutungslosigkeit und kam zeitweise auf nur noch 3.500 Mitglieder. Durch den Zusammenschluss mit der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) im Dezember 2010 wuchs die Zahl der NPD-Mitglieder wieder. Im Februar 2012 zählte die Partei bundesweit 5.900 Mitglieder*.
In Westdeutschland konnte sie bis heute nie wieder an die Ergebnisse der 1960er-Jahre anknüpfen. Anders liegen die Dinge in Ostdeutschland, wo die NPD im Jahr 2009 rund 2.500 ihrer Mitglieder zählte. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist sie im Landtag vertreten.
In Brandenburg ist seit 2009 keine rechtsextreme Partei mehr im Landtag vertreten. Daher versucht die NPD, ihre Strukturen auf kommunaler Ebene auszubauen. In der Kommunalwahl vom September 2008 errang sie zusammen mit der DVU insgesamt 51 kommunale Mandate (NPD: 27; DVU: 24).
NPD-Schwerpunkt in Ostdeutschland
Mittlerweile hat die NPD zentrale Teile ihrer Infrastruktur verlagert: von Stuttgart nach Berlin die Bundesgeschäftsstelle; von Bochum nach Bernburg in Sachsen-Anhalt den Sitz ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten" (JN) und von Sinningen in Bayern nach Riesa in Sachsen ihre Monatszeitung „Deutsche Stimme". So versucht die finanziell erheblich angeschlagene Partei, ihr Überleben in Ostdeutschland zu sichern. Dort will sie ihre kommunalen Parteistrukturen ausbauen, um diese als Grundlage für Landtagswahlen zu nutzen. Das gilt ebenso für Brandenburg, wo die Partei zurzeit etwa 370 Mitglieder zählt.
2010 hielt die NPD bundesweit rund 340 kommunale Mandate. Mehr als Dreiviertel davon - nämlich 265 - in den neuen Bundesländern, davon 114 in Sachsen, 61 in Mecklenburg-Vorpommern und 30 in Brandenburg (April 2011).*
NPD-Mitgliederzahlen im Sinkflug
Einst feierte die NPD-Führung die Verschmelzung mit der DVU als historisches Ereignis. Doch die Realität ist eine andere: Nun sind die Mitgliederzahlen der rechtsextremistischen Partei unter die 6.000er-Marke gefallen.
Seit einiger Zeit nimmt der Einfluss neonationalsozialistischer so genannter „Freier Kräfte" zu, welche die Partei nach ihren Ansprüchen umformen wollen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes stieg 2010 deren Personenpotenzial in Deutschland auf 5600 angewachsen. In Brandenburg sind es 380. „Freie Kräfte" betrachten selbst die NPD als „Systempartei" und arbeiten nur teilweise mit ihr zusammen. Ihr Ziel ist ein System wie das Dritte Reich.
In sechs Regionen Brandenburgs sind Zusammenschlüsse aktiv und bemüht, ohne herkömmliche Vereinsstrukturen zu agieren. Erst im April 2011 wurden die „Freien Kräfte Teltow-Fläming" vom Landesinnenminister verboten. Im Zentrum neonationalsozialistischer Aktivitäten stehen die „Nationalen Sozialisten in Südbrandenburg" mit ihrer auch außerhalb Brandenburgs aufgegriffenen „Volkstod"-Kampagne, diversen Darstellungsformen im Internet („Spreelichter") und ideologisch ausgerichteten Freizeitaktivitäten. Neben Liederabenden zählen hierzu neuerdings auch Kampfsportveranstaltungen.
Im Bereich zwischen NPD und Neo-Nationalsozialisten bewegt sich die Hass-Musikszene. Brandenburg verfügt über mehr als 20 Bands. Nur Sachsen hat mehr. Doch konnte das Konzertgeschehen in den letzten Jahren weitestgehend aus Brandenburg verdrängt werden. Jugendlichen dient diese Musik oftmals als Einstiegstor in den Rechtsextremismus. Auch deshalb sucht die NPD Kontakt zu solchen Bands und bietet ihnen eine Bühne - zuletzt bei ihrem ,,Preußentag der nationalen Opposition" am 2. Oktober 2010 im brandenburgischen Finowfurt im Landkreis Barnim.
Eine besondere Scharnierfunktion in der Organisationsstruktur fällt der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten" (JN) zu. Für viele NPD-kritische „Freie Kräfte" sind sie das kleinere Übel. So gelingt es der NPD über die JN, „Freie Kräfte" an die Partei heranzuführen und teilweise einzubinden. Darauf ist sie angewiesen, denn mit ihren geringen Mitgliederzahlen ist sie aus eigener Kraft niemals in der Lage, Wahlkämpfe in den ostdeutschen Flächenländern zu führen.
Organisation in Parallelgesellschaften
Es gibt kleinere und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem raten würde, der eine andere Hautfarbe hat, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht wieder verlassen.“
Uwe-Karsten Heye*
Zunehmend organisiert sich die rechtsextreme Szene in kleinen Parallelgesellschaften und nutzt dabei Strukturen, die vordergründig nicht politisch erscheinen. Solche „unpolitischen Standbeine“ sind zum Beispiel rechtsextreme Wirtschaftsunternehmen, die die Szene finanziell stabilisieren und soziale Rahmenbedingungen für ihre Anhänger (Arbeitsplätze, Einkünfte, Entwicklungsmöglichkeiten) schaffen sollen.
Zu den bevorzugten Tätigkeitsfeldern gehören dabei der Internethandel bei ebay, das Baugewerbe, der Getränkehandel, Tattoo-Studios, der Textilhandel, die Musikbranche sowie Sonnenstudios.
Die Aktivitäten sind Teil eines strategischen Strukturkonzepts, mit dem Rechtsextremisten in Deutschland seit Juni 1991 den Aufbau sogenannter national befreiter Zonen verfolgen, in der die demokratische Ordnung durch Gewalt außer Kraft gesetzt werden soll.
Bürgernahe Inszenierung
Gerade im ländlichen Raum habe sich die NPD durch ihre Inszenierung als Kümmerer und mittels eines massiven Materialeinsatzes fester verankern können, so der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank.
Mit Hilfe von Umsonstzeitungen, bürgernahen Festen und dem Aufgreifen von populären Themen sei es der Partei weiter gelungen, ihr Wählerklientel an sich zu binden. Reinfrank forderte, sich endlich mit den Themen der NPD auseinanderzusetzen.*
Landeszentrale, November 2012
Quelle: Heiko Homburg und Dr. Silke Wolf: Kommunale Phalanx der wehrhaften Demokratie. Kampf gegen den Rechtsextremismus in Brandenburg.
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