Islamismus

Gefahr für unsere Demokratie?

Islamistinnen und Islamisten erheben den Anspruch, das einzig richtige Verständnis des Islam zu haben. Das persönliche Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden, gibt es nicht. Ihre Ziele versuchen die Anhänger des Islamismus auf verschiedene Weise zu erreichen.

Islamismus - Gefahr für Demokratie? Polizei auf einer Demo
© Gregory Gilbert-Lodge

Islamismus ist eine Form des Extremismus. Sie wird auch „religiös begründeter Extremismus“ oder „Islamischer Fundamentalismus“ genannt. Die Begriffe beschreiben eine in muslimisch geprägten Ländern entstandene historisch gewachsene Bewegung. Ihr Hauptmerkmal ist die Vermischung von politischer Ideologie und religiösen Inhalten.

Kernidee der Bewegung ist die Überzeugung, dass ein islamischer Staat mit einem Kalifen an der Spitze die einzig gerechte und berechtigte Staatsform sei. Islamisten behaupten, Gott selbst habe diese Staatsordnung als allein rechtmäßig anerkannt. Wahlen werden dabei nicht grundsätzlich abgelehnt. Die Kandidierenden müssen sich aber im Rahmen des islamistischen Denkens mit seiner typischen Verabsolutierung des Glaubens bewegen. Wichtige Elemente demokratischer Systeme wie eine politische Opposition, unabhängige soziale Bewegungen, Religions- und Meinungsfreiheit sind unter diesen Bedingungen nicht möglich.

Die Ideologie des Islamismus widerspricht inhaltlich in vielen Punkten den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, einschließlich der individuellen Grundrechte, ist menschenverachtend und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch gezieltes und hasserfülltes Aufhetzen und vereinfachende Unterteilung in Gut und Böse. Islamisten haben damit auch Überschneidungspunkte mit anderen Extremisten, wie zum Beispiel der Neuen Rechten, mit denen sie eine Vielzahl an Verschwörungstheorien, unter anderen auch antisemitische, teilen. Was aber den Islamismus im Kern seines Wesens antidemokratisch macht, ist das Bestreben, den demokratischen Rechtsstaat abzuschaffen.

Islamistische Organisationen
© Gregory Gilbert-Lodge
Organisation und Struktur

Islamistische Gruppierungen haben in Brandenburg bislang noch keine feste Struktur aufbauen können, versuchen aber, ihren Einfluss auszuweiten.
 

Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat

Islamistinnen und Islamisten versuchen, ihre Ziele durch unterschiedliche Mittel zu erreichen. Je nach Wahl der Mittel kann zwischen gewaltbereiten (Jihadisten/Dschihadisten) und gewaltfreien islamistischen Bewegungen und Akteuren beziehungsweise solchen, die Gewalt nicht offen befürworten, unterschieden werden (Puristen, Legalisten). Oftmals bekämpfen Puristen und Legalisten den demokratischen Rechtsstaat aus taktischen Gründen zwar nicht aktiv, sie streben jedoch eine Umwandlung von innen heraus an.

Sowohl die Jihadisten als auch die Puristen und Legalisten sind mittlerweile in viele Untergruppen zersplittert, die teilweise miteinander konkurrieren und sich sogar bekämpfen.

Manche Gruppen rekrutierten in Deutschland, wie zum Beispiel die JAMWA, (Abkürzung für: Dschaisch al-Muhadschirin wal-Ansar = Armee der Auswanderer und Helfer) oder später die Terroroganisation Islamischer Staat („IS“) Menschen für den bewaffneten Kampf im Ausland. Andere – wie Millatu Ibrahim, dessen bekannteste Mitglieder Denis Cuspert alias Deso Dogg und Mohamed Mahmoud waren – formten sich bereits in Deutschland und ihre Mitglieder verübten hierzulande Straftaten, bevor sie sich ins Ausland absetzten und dort anderen Gruppierungen anschlossen. 

Der Anspruch von Islamisten ist es, das einzig richtige Verständnis der Quellen und somit der Religion des Islam innezuhaben. Damit wird jegliche Kritik und individuelles Nachdenken über Inhalte unerwünscht und andere Auslegungen der Religion verboten. Das persönliche Recht, sich eine eigene Meinung zu bilden, wird untersagt und lediglich Gehorsam ohne Widerspruch eingefordert. Dies ist der erste Schritt zum Extremismus beziehungsweise Totalitarismus und eines der herausragenden Merkmale des Islamismus.

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Gewaltfreie islamistische Bewegungen und Akteure

Die gewaltfreien islamistischen Aktivisten und Anhänger sind sehr vielfältig. Auch wenn sie sich nicht offen zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele bekennen, so können ihre Proteste durchaus von gewalttätigen Aktionen gekennzeichnet sein. Sie stellen nicht immer eine direkte, aber oftmals eine indirekte Belastungsprobe für die Demokratie dar, da sie – ebenso wie die gewaltbereiten Gruppen - den Islam als nicht vereinbar mit der Demokratie sehen.

Die grundlegende Unterscheidung verläuft zwischen Puristen und Legalisten.

  • Als Puristen werden Menschen bezeichnet, die ihr striktes Religionsverständnis auch durch die eigene soziale Isolation in ihrem Alltag ausleben. Sie grenzen sich stark von der sie umgebenden Gesellschaft ab und lehnen sie als „unislamisch“ ab.
  • Legalisten sind Islamisten, die den Staat in einen Gottesstaat umwandeln wollen. Legalisten verfolgen also politische Ziele als ihr zentrales Anliegen.

Soweit die gewaltfreien, religiösen Puristen für sich und ihre Familien entschieden haben, von der übrigen Gesellschaft relativ isoliert zu leben, versuchen sie lediglich, ihr nahes Umfeld mit antidemokratischen Gedanken zu beeinflussen. Sobald sie missionarische und politische Aktivitäten anstreben, erstreckt sich ihr Einflussstreben sowohl auf private Bereiche als auch auf das öffentliche Leben. Die Übergänge zwischen den Gruppierungen verlaufen häufig fließend. Oftmals durchgehen Salafisten verschiedene Stufen angefangen vom Puristen über Missionarische Aktivitäten hin zum bewaffneten Kampf.

Zu den gewaltfreien islamistischen Bewegungen, die es auch in Deutschland gibt, zählen zum Beispiel:

  • Puristische Salafisten (Individuen), Wahhabiten (Puristen als Religiöse Bewegung)
  • Die Wahre Religion, Tablighi Jamaat, Hizb ut Tahrir (missionarische/politische Salafisten)
  • Muslimbruderschaft (Legalisten) (dazu zählen Deutsche Muslimische Gemeinde (DMG), Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), Furkan Gemeinschaft

Zu den Gruppierungen der Muslimbruderschaft in Brandenburg zählt die SBS (Sächsische Begegnungsstätte).

Die islamistische Szene
© Gregory Gilbert-Lodge
Die Islamistische Szene in Brandenburg

In Brandenburg leben rund 30.000 bis 35.000 Musliminnen und Muslime. Die islamistische Szene ist mit rund 200 Personen ein winziger Bruchteil davon. Im Fokus islamistischer Anwerbeversuche stehen besonders hilfsbedürftige Geflüchtete.

Gewaltbereite islamistische Bewegungen und Akteure

Zu den gewaltbereiten Islamisten zählen Terroristen, die sich entweder als Teil einer terroristischen Organisation wie dem Islamischen Staat (IS) und Al-Qaeda/Al-Quaida) verstehen oder unabhängig als Einzeltäterinnen und Einzeltäter handeln. Es ist Aufgabe des Staates und seiner Sicherheitsorgane, die Gesellschaft vor den gewaltbereiten Personen und Strukturen zu schützen.

In Deutschland gibt oder gab es unter anderem folgende gewaltbereite Gruppen:

  • Millatu Ibrahim Anhänger
  • Unterstützer von anderen terroristischen Vereinigungen wie etwa dem sogenannten Islamischen Staat oder Al-Qaida und Hisbollah.

In Brandenburg gibt es außerdem auch Anhänger der sogenannten Islamistischen Nordkaukasischen Szene sowie islamistische Einzelpersonen. Vom Verfassungsschutz des Bundes und der Länder werden sowohl die gewaltbereiten wie auch die gewaltfreien islamistischen Bestrebungen beobachtet. 

Pilger in Mekka, im Hintergrund die heilige Kaaba
Islamische Kultur und Geschichte

Der Islam ist die jüngste und nach wie vor vitalste der drei monotheistischen Weltreligionen. Aber im Gegensatz zum modernen Christentum und der jüdischen Religion fordert der Islam bis heute nicht nur die geistige, sondern auch die weltliche Unterordnung.

Gefahr für ein friedliches Miteinander

Islamismus ist, wie jede Form des Extremismus, eine Gefahr für das friedliche Miteinander innerhalb des demokratischen Rechtsstaats, denn er lehnt dessen grundlegende Institutionen wie unabhängige Gerichte und Richter sowie wesentliche Werte wie Toleranz und Vielfalt ab.

Salafistische, wahhabitische und legalistische (Milli Görüş, Muslimbruderschaft) Islamisten haben bereits vor vielen Jahren begonnen, ihre antidemokratische Propaganda zunächst in ihren Ursprungsländern und später auch in anderen Ländern zu verbreiten. Sie üben ihren Einfluss online und offline aus und können große Wirkung auf das alltägliche Leben vieler gewöhnlicher Gläubiger auch in Deutschland entfalten.

Dabei zielen die Islamisten ebenso darauf ab, lokalen Formen und Traditionen der Religionsausübung die Existenzberechtigung abzusprechen und durch ein anderes, antidemokratisches und anti-pluralistisches Islambild zu ersetzen.

Offline beeinflussten sie ganze muslimische Gesellschaften, in dem sie entsprechend ausgerichtete Moscheen, inklusive Prediger, oder Koranschulen errichteten oder übernehmen. Wenn diese auch nicht gewaltbereit extremistisch waren, so wurden die jeweiligen Gesellschaften dazu angehalten, dass es nur eine zulässige Lesart des Islam gäbe und nur eine jeweilige Interpretation, die des Wahhabismus oder Salafismus.

Wenn man sich anschaut, wie viele Abermillionen Dollar seit den 1970er und 1980er Jahren aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten in andere muslimische und nichtmuslimische Länder zum Zwecke des Aufbaus einer „islamischen Infrastruktur“ geflossen sind, beginnt man das Ausmaß und den Einfluss dieser enormen Propagandamaschine zu erfassen. Saudi-Arabien allein gab von 1982 bis 2005 75 Milliarden US-Dollar zu diesem Zweck aus.

In der Auseinandersetzung mit dem Islamismus ist es entscheidend, gewöhnliche Gläubige nicht mit Extremisten gleichzusetzen oder sie in ihre Nähe zu rücken. Die überwältigende Mehrheit der Muslime weltweit und auch in Deutschland lebt friedlich und im Einklang mit den Gesetzen des Rechtsstaats als gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wie auch bei anderen Religionen und ideologischen Strömungen gibt es friedliche und extremistische Anhänger.

Ein gewöhnlicher Muslim, Buddhist, Christ, Hindu oder Jude hat, außer dem Namen seiner Religion, nichts mit einem gewaltbereiten Extremisten, der sich auf diese Religion beruft, gemein. Jedoch gibt es Islamistinnen und Islamisten, die ihre extremistischen Vorstellungen hierzulande verbreiten wollen und eine Gefahr für uns alle darstellen.

Faktenbox

  • Islamismus ist eine Form des Extremismus, der religiöse und politische Grundsätze miteinander vermischt.
     
  • Islamisten erheben mit Blick auf religiöse Quellen den absoluten Anspruch auf Deutungshoheit und erklären sie gleichzeitig zur einzig rechtmäßigen Quelle der Rechtssprechung.
     
  • Der Islamismus ist mit seinem totalitären Anspruch anti-demokratisch. Er richtet sich gegen den demokratischen Rechtsstaat.
     
  • Die Anhängerinnen und Anhänger des Islamismus versuchen mit und ohne Gewalt, einen islamistischen Staat zu errichten.
     
  • Islamisten haben Überschneidungspunkte mit anderen Extremistinnen und Extremisten, zum Beispiel mit der extremen Rechten.

Caspar Schliephack, Dr. Yunus Yaldiz, Fachstelle Islam im Land Brandenburg, Juli 2022

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