Islamophobie oder berechtigte Islamkritik? (2. Teil)

Am 4. Januar wurde in der Süddeutschen Zeitung noch ein weiterer Beitrag veröffentlicht, der in den nachfolgenden Tagen ebenfalls auf entschiedenen Widerspruch stieß. Der Historiker Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, versucht in einem recht kurz gehaltenen Artikel „historische Parallelen“ zwischen dem Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und der heutigen „Islamfeindschaft“ aufzuzeigen.

„Wer sich, zu Recht, über die Borniertheit der Judenfeinde entrüstet, muss … auch das Feindbild Islam kritisch betrachten (das sich zuweilen eines aggressiven, aufgesetzten Philosemitismus bedient). Es ist ein Gebot der Wissenschaft, die Erkenntnisse, die aus der Analyse des antisemitischen Ressentiments gewonnen wurden, paradigmatisch zu nutzen.“

Der gesamte Text ist hier nachzulesen – bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil!

Henryk M. Broder, der mir eigentlich schon seit geraumer Zeit ziemlich auf den Wecker geht, konterte mit einem Essay in der Welt. Der Tonfall ist unerträglich, doch Broders Argumente gegen einen Vergleich von Antisemitismus und Islamophobie sind nicht von der Hand zu weisen. Während der Antisemitismus „auf hysterischen Ängsten, Erfindungen, Projektionen und Neidgefühlen“ beruhe, habe "die 'Islamophobie' eine reale Basis“:

„Es sind die Terroranschläge islamischer Terroristen, die sich auf ihren Glauben berufen, es sind die in der Tradition verwurzelten Ehrenmorde, die mit den üblichen ‚Familiendramen‘ nicht zu vergleichen sind, es ist das Wüten der Taliban in Afghanistan, es sind die von Muslimen begangenen Anschläge in Pakistan und im Irak, denen vor allem Muslime zum Opfer fallen, es sind die Kinderehen, die in Saudi-Arabien geschlossen werden, und die ‚Ehen auf Zeit‘, die im Iran die Prostitution ersetzen; es sind die Steinigungen von Ehebrecherinnen, und es ist das Aufhängen von Homosexuellen; es ist das Beharren darauf, dass Islam ‚Frieden‘ bedeutet, entgegen allem Augenschein; es ist die Mischung aus Barbarei und Hightech, der sich Geiselnehmer bedienen, wenn sie die Hinrichtungen ihrer Geiseln als Video ins Netz stellen. (…)“

Für all das dürfen allerdings nicht pauschal „die Muslime“ verantwortlich gemacht werden. Derartigen Versuchen müsse „entschieden entgegengetreten“ werden, meint Richard Herzinger in einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung, der auch auf der Internetseite „Achse des Guten“ veröffentlicht wurde. „Das gelingt aber nicht, wenn man jeglichen Zusammenhang zwischen dem politischen Islam und seinem islamischen Glaubenshintergrund schlichtweg ignoriert.“

Auch Julius H. Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, rätselt in einem Beitrag für „Die Jüdische“ worauf Wolfgang Benz mit seinem Vergleich eigentlich hinaus will:

„Wo, frage ich mich, sind in diesem Vergleichskonzept die ‚parallelen Wahnvorstellungen, gemäß denen Muslime ‚aus rituellen Gründen‘ Kinder töten, Brunnen vergiften, Kulturen und Völker zerstören, den Ärmsten der Welt das letzte Hemd nehmen oder wahlweise blutige Revolutionen anzetteln? Wo ist der muslimische Alfred Dreyfus, dem in Europa öffentlich die Epauletten abgerissen werden? Wer unterstellt (gemäßigten) Muslimen hierzulande den Plan von der großen Weltverschwörung? Nur zu gern ließe ich mich korrigieren, doch bis zur Stunde waren derartige Negativ-Zuschreibungen noch immer für Juden ‚reserviert‘, und neuerdings vor allem für Israel.“

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