Ein Teil meines Praktikums besteht darin, die Veranstaltungen der Landeszentrale zu besuchen. Ich war vorher noch nie bei einer, weil ich gar nicht gewusst habe, dass es diese Angebote regelmäßig gibt (jetzt bin ich aber quasi aus dienstlichen Gründen Facebook-Freundin der Landeszentrale).
Am Mittwochabend nun meine Premiere: Gezeigt wurde der Film „Nur der Pole bringt die Kohle“, ein Titel, der nicht nur mich am Abend in die Landeszentrale gelockt hat, sondern auch 80 weitere Interessierte, die wissen wollten, was hinter diesem pfiffigen Titel steckt. Der Saal war rappelvoll mit polnischen und deutschen Besuchern. Altermäßig waren nur die Jüngeren (15-30jährige) etwas spärlich vertreten.
Ich fang mit dem Ende an: Der Film ist super, eines dieser „Muss-man-gesehen-haben“-Dinge. Schauplätze des Films sind Orte in Vorpommern, die sich nahe der polnischen Stadt Stettin befinden. Ihnen ist eines gemeinsam: es ist ruhig dort. So ruhig, dass dort kaum einer mehr wohnen möchte, weil es keine Arbeit gibt, keine Kindergärten und Schulen. Polnische Familien haben neues Leben in diese Orte zurück gebracht: Sie leben in Rossow, Löcknitz, Bergholz, Ramin, Schmagerow und Linken – und arbeiten meistens in Polen.
Die Vorurteile auf beiden Seiten sind schon heftig. In Potsdam kriegt man das gar nicht so mit, an der Uni noch viel weniger. Aber was da zur Sprache kam, war nicht nur lustig. Polen sind laut, faul und unordentlich zum Beispiel. Gelacht wird viel im Publikum, aber vor allem dann, wenn die Eigenarten der Deutschen zur Sprache kommen: Deutsche leben zurückgezogen, wirken verkrampft und die Frauen tragen seltsame Haarfarben auf dem Kopf. Vielleicht hat sich der eine oder andere auch darin wieder erkannt und lächelt die Verlegenheit einfach weg, habe ich leise bei mir gedacht. Ich habe mich fast geschämt, als ich hörte, wie wir Deutschen auf die Polen wirken… Die Verschwiegenheit und Abkopplung der deutschen Dorfmitbewohner reicht teilweise soweit, dass ein junges polnisches Paar nach einem halben Jahr schon wieder an einen Wegzug nach Polen denkt. Schade, denke ich so bei mir.
Dass es auch anders geht, zeigt das deutsch-polnische Gymnasium in Löcknitz, dessen Schülerschaft im Film zu Wort kam. Hier werden Sprachbarrieren gesenkt und enge Freundschaften geschlossen, die Ländergrenzen verschmelzen lassen, denn ein Viertel der Schülerinnen und Schüler kommt täglich aus Polen. So ist es, dass drei Mädchen auf die Frage, welcher Nation sie sich zugehörig fühlen, nur schwer antworten können. Sie sind eben beides, meint eine von ihnen und am Ende stimmt das wohl auch.
Die Autorin Lina Dingler
studiert Politikwissenschaften und Wirtschaft an der Universität Potsdam. Im Rahmen ihres Praktikums schreibt sie in loser Folge über ihre Zeit in der Landeszentrale und das aktuelle Zeitgeschehen.
Das Besondere an Filmvorführungen in der Landeszentrale sind die anschließenden Diskussionen. Eingeladen waren der Filmemacher Markus Stein und Marta Szuster, eine junge Polin, die in einem der „wiederbelebten“ Dörfer auf deutscher Seite lebt und erst vor kurzem zur Kommunalvertreterin gewählt wurde. Sie hat auch offen über ein Problem gesprochen, dass hierzulande noch immer das Bild vom polnischen Nachbarn prägt: Grenzkriminalität. Ja, die gibt es, aber was sie so ärgert, ist, dass jeder Diebstahl schon fast automatisch den Polen zugetraut wird, selbst den polnischen Nachbarn, die Tür an Tür mit den Deutschen im Ort lebten. Da gebe es noch viel im Zwischenmenschlichen zu tun. Das kann ich nur unterschreiben! Denn für mich steht nach diesem Film fest, der Pole bringt nicht nur die Kohle, er tut dieser Region mit seiner erfrischenden und energetischen Mentalität auch vor allem wahnsinnig gut.
Hinweis: Der Film „Nur der Pole bringt die Kohle“ läuft am 27.02 um 22:40 Uhr auf arte.
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