Wahlen im Zeichen der Krise

Der Histo-Blog von Henrik Eberle

In wenigen Wochen ist Bundestagswahl - mitten in einer europaweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Auch die NPD tritt an und wirbt für Auswege. Einiges erinnert an den Wahlkampf der NSDAP 1932. Der Historiker Henrik Eberle hat näher hingeschaut.

Reichstagswahl, 31. Juli 1932: Die Arbeitslosigkeit lag bei 37 Prozent und die Regierung verordnete dem Volk einen rigiden Sparkurs. Zugleich rettete die Regierung die Großbanken mit staatlicher Hilfe, was den vollständigen Zusammenbruch der Volkswirtschaft verhinderte. Der Mittelstand verarmte und bei den Armen wurde das Elend unbeschreiblich. Als Reichskanzler Heinrich Brüning die hoch verschuldeten Großgrundbesitzer in Ostpreußen, Pommern und Brandenburg enteignen wollte, um dort Arbeitslose anzusiedeln, warf ihn Reichspräsident Paul von Hindenburg raus. In den folgenden Wahlen wurde die NSDAP zur stärksten Partei.

37,4 Prozent wählten die Nazis, auch deshalb, weil sie den anderen Parteien eine Lösung der Krise nicht mehr zutrauten. Außerdem machte Hitler radikale Wahlversprechen. Er werde die Macht des internationalen Finanzkapitals brechen, kriminelle Juden und Ausländer abschieben und die Nation zu neuer Größe führen.

In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Zwar herrscht ebenfalls Krise, aber der Sparkurs der Regierung ist nur dem Namen nach ein solcher, die Arbeitslosigkeit niedriger als 1932. Es ist nicht zu erwarten, dass es einer Splitterpartei gelingt, in den Bundestag zu kommen. 2013 ist nicht 1932.

Es lohnt trotzdem, einen Blick in das Wahlprogramm der Partei zu werfen, die der NSDAP thematisch an nächsten steht. Die Mittel, die NPD-Chef Holger Apfel zur Lösung der Krise vorschlägt, sind ähnlich radikal wie die Hitlers 1932. Die Banken sollen verstaatlicht und aus dem internationalen Geschäft herausgelöst werden. Deutschland müsse raus aus dem Euro und die D-Mark wieder eingeführt werden. Kriminelle Ausländer seien abzuschieben, meint die NPD, und selbstverständlich sollen Sozialleistungen nur Deutschen zu Gute kommen. Es überrascht auch nicht, dass die NPD Deutsche und Ausländer und Kinder mit „Behinderungsgrad“ nicht gemeinsam in eine Schule schicken will; schließlich waren die NAPOLAS auch nicht auf Inklusion ausgerichtet.

Das NPD-Wahlprogramm ähnelt also dem der NSDAP, die genauen Übereinstimmungen werden Politologen und Historiker in einem neuen Verbotsverfahren festzustellen haben. Interessant ist auch, wie die NPD ihr Verhältnis zur Vorgängerpartei NSDAP definiert -  nämlich gar nicht. Im Wahlprogramm gibt es zur Geschichte nur einen einzigen Satz auf Seite 61:

Der Geschichtsunterricht darf nicht länger einem wissenschaftlich überholten Geschichtsbild und der Verstetigung historischer Schuldkomplexe dienen, sondern muss der Vermittlung eines objektiven und umfassenden Bildes der gesamten Geschichte unseres Volkes verpflichtet sein.“

Dieser Satz ist reichlich nebulös. Selbstverständlich soll jeder Geschichtsunterricht ein objektives und umfassendes Bild vermitteln. Ein Bild von der gesamten Geschichte wird es angesichts des geringen Stundenumfangs nicht sein können. Manche Geschichtslehrer werden den Aufstand der Herero 1904 und die Massenmorde der deutschen Kolonialtruppen in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) unter den Tischen fallen lassen, obwohl ich das bedauere. Andere werden sich, gerade in Brandenburg, überproportional mit Friedrich II., dem Großen, befassen. Aber immerhin lassen sich anhand preußischer Geschichte Themen wie Großmachtstreben, gutes Regieren oder Fluch und Segen der Aufklärung erläutern.

Gemeint ist das alles aber nicht, wie aus dem noch immer gültigen und im Netz abrufbaren Parteiprogramm der NPD abzulesen ist. Punkt 13 behandelt das Thema „Schuldkult beenden“ und hier wird klarer, wie die NPD das NS-Regime betrachtet wissen will. Die Partei hält die Vermittlung von Informationen über die Verbrechen der Deutschen für einen „Kult“, der „im Dienst fremder Finanzinteressen“ zelebriert würde und „deutschen Selbsthass, vor allem bei der Jugend“ fördere. Solcher Geschichtsunterricht hätte „die moralische Selbstvernichtung“ der Nation zur Folge. Zum „Schutz der Ehre des deutschen Volkes“ sei das Ende der „einseitigen Vergangenheitsbewältigung“ notwendig.

Ach so, auch das noch: „Der 8. Mai war kein Tag der Befreiung, sondern der Niederlage und Besetzung unseres Landes, und er ist daher kein Anlass für Feiern.“ Wer überlegt, sein Kreuz bei der NPD zu machen, sollte also Wahlprogramm und Parteiprogramm lesen.

Der Spitzenkandidat der NPD, Holger Apfel, betont in seinem Vorwort zum Wahlprogramm, dass er kein „Nazi“ sei. Das ist unehrlich. Der Spitzenkandidat der NSDAP bei den Reichstagswahlen im Krisenjahr 1932 bekannte sich zu seinen Überzeugungen.

Henrik Eberle
(Jg. 1970) schreibt in loser Folge über historische Ereignisse. Der Autor ist Historiker und arbeitet als Journalist. Seine Schwerpunkte sind die beiden deutschen Diktaturen und die extremistischen Parteien der Gegenwart. 

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Kommentare

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"Es überrascht auch nicht, dass die NPD Deutsche und Ausländer und Kinder mit „Behinderungsgrad“ nicht gemeinsam in eine Schule schicken will; schließlich waren die NAPOLAS auch nicht auf Inklusion ausgerichtet."

Es gibt auch andere Parteien und Personen(-gruppen), die sich gegen die Inklusion von Kindern mit speziellen Behinderungen aussprechen, OHNE sich dabei in rechtsextremer Tradition zu bewegen.
Zudem wird hier der Begriff der Inklusion unsachgemäß gebraucht: Keine Schule in Europa, auch nicht in demokratischen / parlamentarischen Staaten, war während der 1930er/40er Jahre auf Inklusion ausgerichtet: Dieser Begriff wurde nämlich erst lange Zeit danach geprägt.
Mehr Präzision bitte, vor allem in einem Bildungsportal!

Wer überlegt sein Kreuz bei der NPD zu machen, der liest bestimmt nicht vorher Programme. Ansonsten interessanter Blickwinkel.

"Die Mittel, die NPD-Chef Holger Apfel zur Lösung der Krise vorschlägt, sind ähnlich radikal wie die Hitlers 1932. Die Banken sollen verstaatlicht und aus dem internationalen Geschäft herausgelöst werden. Deutschland müsse raus aus dem Euro".

Diese Forderungen finden sich auch bei den Linken (Banken verstaatlichen) oder bei Parteien wie der AfD (Raus aus dem Euro). Daraus eine Radikalität abzuleiten, die an einen nationalsozialistischen Wahlkampf erinnert, finde ich nicht nur aus historischer Sicht fragwürdig. Es sei denn, das Wahlprogramm von Die Linke erinnert an kommunistische Praktiken der Weimarer Republik. Dann könnte man sicher Einiges ableiten über die politische Kultur in Deutschland. Und die Linken haben einige Chancen mehr auf Wahlerfolge als die vor sich hindümpelnde NPD. Doch was soll's: Geschichte wiederholt sich eh nicht. Aber das wird der Historiker ja wissen.

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