Die Schuld der Mitläufer

Der Autor und Journalist Roman Grafe, der in der DDR aufwuchs, liest aus seinem Buch "Die Schuld der Mitläufer". Sein Credo: Man musste kein Held sein, um in der DDR zumindest passiven Widerstand zu leisten. Ohne die Mitläufer hätte die Diktatur nicht vierzig Jahre lang so funktioniert. Das Regime konnte sich auf das Schweigen der Mehrheit verlassen. Die Mehrheit der DDR-Bürger passte sich stärker an, als sie tatsächlich musste. Sie wollten „einfach ganz normal leben“ in der SED-Diktatur. Sie ließen alltägliche Möglichkeiten des gefahrlosen Widersprechens und Widerstehens ungenutzt. So hat man es sich und den Herrschenden bequem gemacht. Der Satz „Es war nicht alles schlecht in der DDR“ bedeutet auch: Wir haben es uns gut gehen lassen, als es anderen schlecht ging – den Unangepassten, den politischen Häftlingen, den gescheiterten Flüchtlingen und ihren Angehörigen.

Nach der Lesung ist eine Diskussion mit den Besuchern vorgesehen. Dabei geht es zunächst um das Leben in der SED-Diktatur und den schmalen Grad zwischen Anpassung oder Widerstand. Letzten Endes steht im Mittelpunkt die Kernfrage, wie Diktaturen sich über Jahrzehnte halten können. In jeder Gesellschaft, ganz besonders in Diktaturen,  besteht bei einem großen Teil der Bevölkerung kein Interesse für das politische Geschehen. Ist der berechtigte Rückzug des Einzelnen auf sein Privatleben die Basis für das Funktionieren von Diktaturen? Wird  dies vielleicht von den jeweiligen Machthabern gepaart mit Angst vor Konsequenzen und Repressalien  ausgenutzt, um sich lange halten zu können? Dies sind einige der Fragen, auf die im Rahmen der Veranstaltung näher eingegangen werden kann.

Interessierte Besucher sind zu dieser Kooperationsveranstaltung der Konrad Adenauer Stiftung und des Menschenrechtszentrums Cottbus in die Räumlichkeiten der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus (Bautzener Straße 140) herzlich eingeladen.