Patrick Weiss

Patrick Weiss: Jet, Mischtechnik, 2004
Patrick Weiss: Jet, Mischtechnik, 2004

Heimat kann man immer dort finden, wo man sich wohl fühlt

Meine Heimat war eine Insel, die Inselstadt Westberlin. Vor der Wende waren wir unter uns und wir waren stolz, Berliner zu sein. Wenn wir nach „Wessiland“ fuhren, waren wir Fremde. Mit unserem B-Kennzeichen fielen wir in ganz Europa auf. Traf man einen Berliner, wurde gehupt, angehalten und wildfremde Leute begrüßten sich. Wir waren eine Gemeinschaft. Wenn sich auf der Rückfahrt auf den letzten Kilometern vor der Grenze die Autonummern mit dem B bündelten, fühlten wir uns immer besser und wohler. Wir kamen wieder nach Hause – das war Heimat.

Das hat sich mit dem Mauerfall geändert. Jetzt ist Berlin voll mit Menschen, die besonders cool und besonders szenig sind, aber oft keine Berliner. Sicher sind sie ein Motor und bringen neue Trends und Ideen in die Stadt. Aber mit dem Berlin meiner Kindheit habend die meisten nichts zu tun.

1990 bin ich nach Potsdam gegangen und habe meinen Laden eröffnet. Zuerst war für mich alles fremd und grau. Ich bin nur zum Arbeiten nach Potsdam gekommen und dann wieder nach Hause in meinen Kietz nach Steglitz gefahren. Nach einiger Zeit jedoch fand ich immer mehr Gefallen an der Stadt der Schlösser und Gärten. Ich hab nie gedacht, dass ich einmal hier wohnen würde. Doch als sich Berlin so schnell verändert hatte, so wahnsinnig laut und trendy wurde, wusste ich plötzlich, dass es an der Zeit war, eine neue Heimat zu finden.

Die Leute hier, die zuerst so fremd waren, habe ich langsam kennen gelernt und verstanden, mich nach und nach in sie hineindenken können und Freundschaften gefunden. Auch die Gegend habe ich entdeckt, sogar das Grau des Stadtbildes lieben gelernt. Aber jetzt, zehn Jahre später, ist hier meine Heimat. Mein Heimatgefühl habe ich mitgenommen und manchmal vermisse ich das Grau der ersten Tage in Potsdam.

Heimat-Bilder
Mit Heimat verbinde ich auch die Sehnsucht nach Weite und Ruhe und viel Luft, um frei zu atmen. Ich denke an die See oder die Uckermark und stelle mir vor, wie ich stundenlang über die Äcker schauen kann und in die Landschaft blicke. Das Alleinsein dort wäre ein anderes Alleinsein als in Berlin. Da kann es einem passieren, dass man mit 500 Leuten zusammen und dennoch einsam ist.

Hier in Potsdam ist das anders, hier ist eine angenehme Mischung. Wo man auch hingeht, man trifft jemanden, auch wenn man allein loszieht. Auch die Stille mag ich und das gelbe Straßenlicht am Abend – hier finde ich Ruhe.

Ich glaube, jeder muss Heimat für sich persönlich finden. Ich bin keiner dieser modernen Stadtbeduinen und könnte nicht nur aus dem Rucksack leben. Ich brauche meine Basis, wo ich Kraft schöpfe und von der ich Kraft weiter schöpfen kann. Ich bin mir sicher: Heimat kann man immer dort finden, wo man sich wohl fühlt.

Meine Bilder entwerfe ich am PC, mein PC ist auch mein Skizzenbuch. Die Fotos mache ich meist selbst, bearbeite sie dann und kombiniere sie mit verschiedenen Fragmenten. Dann übertrage ich alles auf eine große Leinwand, lege die Farben fest und alles wird nochmals flächiger und plakativer. Als Maler würde ich mich nicht bezeichnen, eher als Pop-Art-Künstler, der einen abstrahierten Realismus abbildet.

Meine Heimat-Bilder sind wie Momentaufnahmen der neuen Heimat, zum Beispiel das Gemälde „Nur 6 Minuten“ fängt einen Fast-Food-Augenblick ein. Vielleicht ist es ein Familienausflug. Die Sonne scheint, es ist ein superfreundlicher Tag, die Gören spielen, Muttern holt noch einen Milchshake, Vater sitzt schon wieder mit dem Handy da und telefoniert. Welch wunderbarer Widerspruch zwischen dem schnellen Essen und dem langen Verweilen.

Meine Bilder sind auch meine Art von Vergangenheitsbewältigung, wenn ich die neue Esskultur, die neue Wohnkultur und den neuen Stolz zeige. Natürlich hat auch alles mit dem Hier und Heute zu tun – statt Landschaft gibt es Reihenhaussiedlungen mit Antennenschüsseln, alles ist super sauber, sicher, ordentlich und aufgeräumt. Und am Sonnabend fahren wir zur Shopping-Tour ins Einkaufszentrum, danach sehen wir fern und wir sind sehr, sehr glücklich in unseren ordentlichen, hart zusammengesparten vier Wänden. (Billig willig!)



Gesprächsprotokoll: Martina Schellhorn

Patrick Weiss


Patrick Weiss

Patrick Weiss

1968 geboren in Berlin-Steglitz

1984 Ausbildung als Werbegestalter

1987 Ausbildung als Grafiker

1991 Gründung der Firma H&W Künstlerbedarf, Potsdam



Ausstellungen


1999 Galerie Johannsenstraße „Potsdamer Herbst“

2001 Kunstwerk Potsdam „Potsdam Fresh Art“

2003 Galerie im Waschhaus Potsdam „Verführerischer Realismus“

2004 Galerie Dortustraße Potsdam „Combine Painting“

2005 Kreiswehrersatzamt Berlin

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