... haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen.“
(Günter Schabowski, 9.11.1989)
Wie der Regierungssprecher dem ADN mitteilte, hat der Ministerrat der DDR beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Volkskammer folgende Bestimmungen für Privatreisen und ständige Ausreisen aus der DDR ins Ausland mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt werden.
- Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt.
- Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der Volkspolizei-Kreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Die Antragstellung auf ständige Ausreise ist wie bisher auch bei den Abteilungen innere Angelegenheiten möglich.
- Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.
- Damit entfällt die vorübergehende Erteilung von Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR bzw. die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten.
(ADN, Berlin, vom 9.11.1989)
Ich bin der Meinung, wenn die Pressekonferenz nicht gewesen wäre, wäre am nächsten Tag dasselbe passiert. Die politische Situation in der DDR war so, dass eigentlich kaum jemand noch eine gewisse ‚Ordnung‘ für Reisen haben wollte. Das Volk wollte totale Reisefreiheit. Es ist losgelaufen, hat niemanden gefragt. Durch die Leute auf der Straße ist alle Welt überrumpelt worden: die damalige Führung der DDR, die anderen Teile des Volkes der DDR, auch die Grenzorgane und die Alliierten. ...“
(Aus den Erinnerungen von Wolfgang Herger, langjähriger Leiter der Abt. Sicherheit des ZK der SED am 9.11.1998)
... Ich habe gerade mit dem Bundeskanzler telefoniert. Lassen Sie mich folgendes sagen: Die vorläufige Freigabe von Besuchsreisen und Ausreisen aus der DDR ist ein Schritt von überragender Bedeutung. Damit wird praktisch erstmals Freizügigkeit für die Deutschen in der DDR hergestellt. Mauer und Grenze in Deutschland werden damit durchlässiger. Die Bundesregierung hofft, dass diese Entscheidung der DDR-Führung einen Schritt in Richtung auf eine echte Liberalisierung in der DDR darstellt. Das Ziel muss bleiben ..., die Verhältnisse im anderen Teil Deutschlands so zu entwickeln, dass die Menschen, die dort ihre Heimat haben, für sich die Perspektive auf eine lebenswerte Zukunft sehen. ...“
Chef des Bundeskanzleramtes Rudolf Seiters, aus einer Erklärung der Bundesregierung zur Öffnung der Grenzen durch die DDR)
... Wir begrüßen die Entscheidung, die von der DDR-Führung heute getroffen worden ist. Die Einzelheiten bedürfen noch der Prüfung, aber schon jetzt steht fest: Diese Entscheidung bedeutet, dass die Mauer nach 28 Jahren ihre Funktion verloren hat. ...“
(Hans-Jochen Vogel, SPD)
... Unsere Bewährungsprobe steht uns noch bevor. Erweisen wir uns alle dieser Bewährungsprobe würdig! Kleinkariertes Aufrechnen von Lasten oder Belastungen sind dieser historischen Stunde nicht gerecht. Werden wir uns bei unseren Arbeiten in den Gemeinden, in den Landtagen und bei uns hier bewusst, dass das, was jetzt geschehen ist, für uns auch eine große Verpflichtung darstellt!“
(Wolfgang Mischnik, FDP)
... Ich denke, ..., dass die Bundesregierung aufgefordert ist, in einem großzügigen Akt von Unterstützung derer, die die Bundesrepublik, jetzt kennenlernen wollen, dieses Kennenlernen zu ermöglichen und damit aus dem, was aus Angst, dass sich die Verhältnisse noch einmal ändern könnten, Aussiedlung geworden ist, jetzt Besuch machen. Denn es kann ja nicht so sein, dass weiterhin Bürger der DDR vor freien Wahlen davonlaufen...“
(Helmut Lippelt, Grüne)
... Wir alle können stolz darauf sein, einem Volk anzugehören, das seinen Willen zur Freiheit und zum Frieden so zum Ausdruck gebracht hat wie die Deutschen in Ost-Berlin, in Leipzig und anderswo ... Auch technisch und ökonomisch stehen Sie uns in nichts nach. Wenn Sie nur frei sind und ihre Fähigkeiten entfalten können, dann werden Sie auch auf diesem Gebiet sehr bald zu uns aufgeschlossen haben. ...
Freizügigkeit bedeutet ja nicht nur, das jetzt Menschen aus der DDR zu uns kommen, sondern dass auch wir in die DDR gehen können und dass jeder seinen Wohnsitz und seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Die Schwierigkeiten sind solche des Übergangs. ...“
(Alfred Dregger, CDU/CSU)
...heute ist ein großartiger Tag. Die Mauer trennt uns nicht mehr. Ich begrüße all jene, die zu uns gekommen sind; sie sind uns willkommen in unserer Mitte. Wer gestern an den Grenzübergängen gewesen ist, der wird den Tag und die Nacht nie mehr vergessen. In Berlin war Volksfeststimmung; auf dem Kurfürstendamm genauso wie auf dem Alexanderplatz.
Unsere ganze Stadt und alle ihre Bürgerinnen und Bürger werden diesen 9. November 1989 nie mehr vergessen. Das war der Moment, auf den wir so lange gewartet haben. 28 Jahre lang, seit dem Bau der Mauer am 13. August 1961, haben wir diesen Tag herbeigesehnt und herbeigehofft. Wir Deutschen sind jetzt das glücklichste Volk der Welt. ...“
(Walter Momper, Reg. Bürgermeister, Kundgebung Rathaus Schöneberg am 10.11.1989)
Liebe Berlinerinnen und Berliner, liebe Landsleute von drüben und hüben, dies ist ein schöner Tag, nach einem langen Weg. Doch wir befinden uns erst an einer Zwischenstation. Wir sind noch nicht am Ende des Weges angelangt. Es liegt noch eine Menge vor uns. ...
Es wird jetzt viel davon abhängen, ob wir uns – wir Deutschen, hüben und drüben – der geschichtlichen Situation gewachsen erweisen. Das Zusammenrücken der Deutschen verwirklicht sich anders, als es die meisten erwartet haben.
Und keiner sollte jetzt so tun, als wüsste er ganz genau, in welcher konkreten Form die Menschen in beiden Staaten in ein neues Verhältnis zueinander geraten werden. Dass sie in ein anderes Verhältnis zueinander geraten, dass sie in Freiheit zusammenfinden und sich entfalten können, darauf kommt es an ...“
(Willy Brandt, Ehrenbürger Berlins, Kundgebung Rathaus Schöneberg am 10.11.1989)
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