Die Initiative „EXIT“ hilft beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene

Es gibt sehr unterschiedliche Motive für den Rückzug aus der rechtsextremen Szene. Das „Antifaschistische Infoblatt“ nennt in einem Artikel zum Thema die folgenden:

„Privater Ärger mit den »Kameraden«, Resignation, eine drohende Verurteilung vor Gericht, ein neuer Lebensabschnitt, andere Interessen, ein(e) neue(r) Lebensgefährte/ Lebensgefährtin, Existenzangst, Heirat, eigene Kinder und etliches mehr. Viele verlassen still und unauffällig die politische Bühne und verschwinden ins Privatleben. Andere sprechen öffentlich von einem »Ausstieg«, da sie sich davon Vorteile vor Gericht versprechen oder von AntifaschistInnen ungestört ihren Geschäften und Interessen nachgehen wollen. Von einem »Ausstieg« kann hier kaum gesprochen werden, maximal von einem Austritt, von Rückzug oder einem Aufhören.“

Eine gewisse Skepsis gegenüber selbsternannten Aussteigern ist mithin durchaus angebracht.

Andererseits: Ohne Unterstützung von außen ist ein ernstgemeinter Ausstieg kaum zu schaffen. Gerade Neonazis, die längere Zeit in der Szene aktiv waren, sind vermutlich geneigt, erste Zweifel zu verdrängen, weil ein Ausstieg mit dem Verlust von Freundschaften, Respekt und Machtpositionen verbunden wäre. Zudem besteht die Gefahr einer Bedrohung durch frühere „Kameraden“. Auch der Aufbau einer neuen sozialen und beruflichen Perspektive ist schwierig – zumal, wenn das bisherige Leben mit Gewalttätigkeit und Alkoholproblemen verbunden war. Die angemessene Betreuung eines (potentiellen) Aussteigers erfordert in der Regel Fachkenntnisse und persönliche Distanz. Im Zweifel ist es daher sinnvoll, auf professionelle Hilfe zurückzugreifen.

Langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet hat die aus Skandinavien stammende Initiative EXIT. Der deutsche „Ableger“ wurde im Sommer 2000 vom früheren Neonazi-Führer Ingo Hasselbach und vom ehemaligen DDR-Kriminaloberrat Bernd Wagner gegründet. „EXIT-Deutschland versteht sich als bundesweites Netzwerk haupt- und ehrenamtlicher MitarbeiterInnen, AussteigerInnen und Initiativen.“ Die Organisation hat mehrere Regionalbüros in Deutschland und verfügt auch über internationale Kontakte.

EXIT will, dass der erste Schritt zum Ausstieg vom Betroffenen selbst gegangen wird. Daher verzichtet man bewusst auf Werbeaktivitäten in der rechtsextremen Szene. Vom Ausstiegswilligen wird erwartet, dass er sämtliche rechtsextremen Kontakte abbricht und exakte Angaben zu seinen bisherigen Aktivitäten macht. Um die Gefahr von Racheakten zu minimieren, erstellt EXIT ein individuelles Sicherheitskonzept. Unter Umständen kann der sofortige Umzug in eine andere Stadt erforderlich sein. „Grundsätzlich gilt, dass in jeder Phase des Ausstiegsprozesses die Eigeninitiative und aktive Mitarbeit der KlientInnen gefordert ist.“ Ziel ist es, den Ausstiegswilligen dazu befähigen, „rechtsextreme Ideologiefragmente kritisch zu reflektieren und ein eigenes humanistisches Weltbild zu entwickeln.“

Über die Arbeitsweise der Initiative informiert eine ausführliche Broschüre, die auf der EXIT-Homepage zum Download (PDF, 39 Seiten) bereitsteht (und aus der die obigen Zitate stammen). Eine Reportage von Franziska Walt über EXIT wurde am 6. September im „Deutschlandradio Kultur“ gesendet und kann hier (MP3, ca. 6 Min.) noch angehört werden.

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