Es kann so einfach sein. Teil 9

Meckern tut gut, reden bringt mehr.

Bürgerdialoge sollen Nähe schaffen zwischen Politikern und Bürgern. Auch die Landesregierung setzt auf das Format. Ministerpräsident Woidke diskutierte in Brandenburg an der Havel. Theresa ist hingefahren.

Frau Ragow hat in der Zeitung entdeckt, dass der Ministerpräsident jetzt Bürgerdialoge macht. Unter dem Motto „Zur Sache, Brandenburg!“ können die Brandenburger ihren Ministerpräsidenten ausquetschen. Ohne große Vorreden. Alles soll auf den Tisch und beantwortet werden. Frau Ragow hatte mir geraten, dass ich mir das mal anschaue: „Hör mal zu, wenn der Dietmar mit seinen Bürgern spricht!“  Also machte ich mich am Montag auf nach Brandenburg an der Havel, wo der zweite Dialog stattfand. Frau Ragow selbst wollte nicht mitkommen. „Ich fahr doch nicht viermal um die Ecke und steig dreimal um, um dahin zu kommen. Nee, nee Kindchen, mach Du das mal und erzähl dann mal ner alten Frau wie mir, wie so was läuft.“

Ja, wie läuft es denn so?

In Brandenburg an der Havel läuft es ganz gut. Die Stimmung ist entspannt, ich hatte es anders erwartet nach all dem was so zu lesen ist. Es geht um Bildung, Verkehr, Internet und Umwelt. Das sind die Themen, die den Brandenburgern unter den Nägeln brennen. Im Saal fragen sie danach.

Umwelt: Woidke redet von der komischen 10-H-Abstandsregelung für die Windkraft (googelt das mal) und warum man deswegen in Brandenburg in Wäldern Windkraftanlagen bauen will. Das finden einige im Saal nicht gut. Aber der frühere Umweltminister Woidke verteidigt es: „Bitte immer beide Seiten sehen.“

Bei der Bildung gibt es noch mehr Seiten. Die Schulen sind kaputt, die Lehrer sind viel zu wenig und ihre Ausbildung ist nicht gut. Ein junger Mann fragt eher resigniert als hoffend: „Wenn ich demnächst Kinder in die Welt setze, gibt es da überhaupt noch genug Lehrer und Erzieher?“ Das ist unsicher. Denn auf der einen Seite tut Brandenburg mit dem beitragsfreien Kita-Jahr, verstärkter Lehrerausbildung und der Möglichkeit von Quereinsteigern einiges, damit das ganze System nicht zusammenbricht. Aber das braucht Zeit. Ein Schuldirektor verweist auf die unglaubliche Bürokratie, wenn eine Schule sich besser ausstatten will. „Da wartet man zwei Jahre, bis der Antrag überhaupt mal angefasst wird.“ Stimmt, doch den Kommunen für die Schulen einfach das Geld direkt geben, das geht nicht. Steht so im Grundgesetz. Dieses Bund-Länder-Kommunen-Dilemma scheint an diesem Abend oft wie eine Ausrede, warum etwas nicht passiert. Immer sind die anderen schuld. Vielleicht eine Aufgabe für eine bessere Politik: Die Strukturen effizienter machen?

Humor ist, wenn man trotzdem fragt

Beim Thema Verkehr prasseln die Fragen und die Heiterkeit steigt.
Na, wann kommt der Flughafen? Woidke grinst, der Saal grinst: „Sicher 2020. Ich bin überzeugt.“
Und der ist dann also eher fertig als der Bahnübergang Wust? Im Saal wird’s jetzt richtig lebendig. Denn Wust ist das rote Tuch in Brandenburg an der Havel. Wenn ab 2022 die RE1-Taktverdichtung kommt, dann gibt es während der Hauptverkehrszeiten einen dritten Zug was wiederum zusätzliche Standzeiten und damit Stau an den Schranken bedeuten würde. Eine Überführung soll her. Es bleibt nicht lange so heiter. Die Havelländer berichten vom überfüllten RE1, von der fehlenden Ausstattung der Züge für Menschen mit Behinderung und ebenso fehlenden Radwegen.

Wie die Züge überhaupt fahren, kann ich aus dem Internet nicht erfahren. In der einen Ecke des Rolandsaal ist kein Internetempfang, in der zweiten nur E-Standard und draußen gerade mal H-Standard. Das Internet glänzt auch hier mehrheitlich durch Abwesenheit.
Also schnell zum Bahnhof, bis zum Ende kann ich leider nicht bleiben, denn ab neun Uhr abends fährt der RE1 nur noch einmal die Stunde und bis nach Falkensee ist es ein weiter Weg ohne Auto.

Frau Ragow hat auf mich gewartet.
Es läuft ganz gut in Brandenburg, Frau Ragow! Und: Heute Abend ging es nicht einmal um die „Flüchtlingskrise“, um „böse Ausländer“ oder den schlimmen Staat, der alles kaputt macht. Da ist anderes wichtiger, als immer behauptet.
Frau Ragow ist nicht überrascht: Kindchen, übereinander meckern tut gut, miteinander reden bringt aber mehr.
Stimmt!

Die nächsten beiden Bürgerdialoge sind am 27. November in Eberswalde und am 10. Dezember in Eisenhüttenstadt.
 
 

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Theresa

Wegen Kunst am Leben und im Beruf ist Theresa nach Berlin gezogen. Dort arbeitet sie, wohnt aber in Brandenburg. Am Anfang hat sie gedacht, das kann nur eine Notlösung sein, denn alle wollen doch nach Berlin, niemand aber nach Brandenburg. Inzwischen sieht sie das anders. Brandenburg ist ganz anders als Berlin, wo jeder sich jeden Tag bloß neu erfindet. Brandenburg ist einfach und manchmal furchtbar kompliziert. Warum ist das so? Hier schreibt sie es auf.

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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) tourt durchs Land. Heute ist er mit dem Bürgerdialog „Zur Sache, Brandenburg“ in der Barnimer Kreisstadt zu Gast. Sven Klamann hat ihm vorab Fragen zu Themen gestellt, die in Eberswalde gerade besonders heftig diskutiert werden: https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1694232/

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