Ich bin dagegen! Oder: Warum Wähler wählen gehen

Paukenschlag bei der Landtagswahl in Sachsen: Mit knapp 10% aller Wählerstimmen ist die Alternative für Deutschland (AfD) nicht nur in den Landtag eingezogen, sondern hat auch alle Wahlprognosen bei Weitem übertroffen.

HILFE!, schreien Medien und Wahlforscher. Protestmotiviert sei die Wahl gewesen. ProtestWAS? Ganz einfach, so die Erklärung: Viele Wähler hätten die AfD nur aus Protest gegen die anderen Parteien gewählt, ein simpler „Dagegen-Reflex “ sozusagen.

Eine Umfrage der „Forschungsgruppe Wahlen“ nach der sächsischen Landtagswahl scheint diese gängige Meinung zu bestärken. 60 Prozent aller Befragten haben demnach auf die Frage: „Warum wird die AfD gewählt?“ angegeben: „Als Denkzettel.“

Die „Ärzte“ haben mal ein Lied über Dagegen-Menschen gemacht, natürlich nicht über die AfD-Wählerrebellen, aber der Text fällt mir dazu ein:

Ich bin dagegen, denn ihr seid dafür […]; Ich bin dagegen, egal worum es geht; Ich bin dagegen, weil ihr nichts davon versteht […]; Ich bin dagegen, warum ist doch egal"

Ist das so, wählen Wähler einfach so „dagegen“? Ich schau noch mal in die Umfrage dieser Forschungsgruppe. Sie hat sich nämlich die Mühe gemacht, auch diejenigen zu befragen, die in Sachsen die AfD gewählt haben. Und dann wird es interessant. 76 Prozent der AfD-Wähler haben nach eigener Aussage die Partei wegen der Inhalte gewählt. Nur 20 Prozent outeten sich als bloße Protestwähler.

Gibt es ihn also noch, den Wähler, der sich informiert und der Inhalte wegen auf den Weg zur Wahlurne macht?

In einer Studie der Politologen Dieter Roth und Andreas Wüst (in Auszügen hier online zu finden) wurde deutlich, dass es insbesondere bei denjenigen, die nicht auf eine Partei festgelegt sind, sondern häufig ihr Wahlverhalten ändern, eine zunehmende Tendenz zur Protestwahl von vor allem extremeren  Parteien gibt. Wem sie ihre Stimme geben, wird stark vom Tagesgeschehen bestimmt, also davon, welches Thema gerade in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Sie werden insbesondere bei niedrigschwelligen Wahlen wie Landtags- und Europawahlen sichtbar.

Im Fall der AfD in Sachsen heißt das konkret: Das eigentliche Gründungsmotiv der AfD, die Eurokrise, bewegt noch immer die Gemüter der Wähler. Ihre lautstark vorgetragene angebliche Fachkenntnis im Bereich der Wirtschaft gräbt der FDP das Wasser ab und wiederkehrende Äußerungen am rechten Rand mobilisieren den erzkonservativen Flügel der CDU. Mit Recht kann man daher in Bezug auf die sächsische AfD vermuten: Protestwahl, ja! Aber mit Grund, also mit Inhalt. Und genau da liegt der Knackpunkt. Die AfD ist mit ihrer Kritik am Euro als Einthemenpartei groß geworden. Und eben dieses eine Thema scheint den sächsischen Wählern ausreichend gewesen zu sein, um ihr Kreuz zu setzen.

Das ist grundsätzlich kein schlechtes Fazit, weil es für den Wähler spricht, der sich informiert, bevor er wählt.
Und es lässt für die Wahl in Brandenburg hoffen. Jeder Wähler ist in seiner Wahlentscheidung frei und anders darf es auch nicht sein. Bevor jedoch das Kreuz auf dem Wahlzettel „protestmotiviert“ gesetzt wird – ja, gut zu wissen, was das ist - sollte man sich zumindest der Konsequenzen bewusst sein. Die nächste Landtagswahl ist erst in fünf Jahren, Politik ist ein weites Feld und eine Partei wählt man in ihrer Gesamtheit – und nicht für einen Punkt, der gerade Mode ist.

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