Soldatische Traditionen? Rechtsextremisten inszenieren sich gerne als "Kämpfer" oder "Soldaten" in einer Traditionslinie, die von "nordischen Kriegern", mittelalterlichern Rittern über die Wehrmacht zu den Skinheads führt.
Noie Werte: Sohn aus Heldenland. G.B.F. Records 1996.
Das Cover zeigt eine "Wikingerhorde" beim Angriff.
Nordwind: Walhalla ruft! Funny Sounds 1995
Insbesondere sind es Gewaltdarstellungen, die jugendliche Rechtsextremisten an vorgeblich mythologischen oder "germanischen" Stoffen interessieren.
Abgebildet auf dem Cover ist eine "germanisch" anmutende Kriegergruppe, die offenbar gerade von einer erfolgreichen Plünderung kommt. Im Vordergrund ein Reiter, der einer Frau Gewalt antut.
Avalon: A Journey to Avalon. Rampage Productions 2001
Neben Gewaltdarstellungen finden Vorsetllungen vom "Heldentod" und Opfermythen bei Rechtsextremisten besonderen Anklang. Im Bild die britischen Rechtsrock-Veteranen "Avalon" mit einer mittelalterlich anmutenden Darstellung.
Der Name der Band geht auf die Artussage zurück: Hier ist "Avalon" jenes hinter Nebeln verborgene Land, in dem sich König Artus nach seiner Verwundung aufhält. Andere Bearbeitungen des Stoffes schildern es als Land, in dem sich im Kampf verstorbene Krieger versammeln.
Elbsturm: Kampfhandlung. Eigenproduktion 1994. Indiziert am 28.02.1995
Deutsch. Stolz. Treu (DST): Deutsches Volk erwache! LAH Records 2001. Indiziert am 31.07.01
Das Cover zeigt einen SA-Mann, offenbar vor einem jüdischen Geschäft. Auf dem Plakat ist zu lesen: "Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!" Bereits am 1. April 1933 begann unter diesem Motto ein reichsweiter Boykott gegen "jüdische" Geschäfte.
Wenn ich gute Musik hören will, bin ich schon immer im 'unpolitischen' Bereich besser gefahren. Aber wenn mich ein Text ansprechen soll, höre ich ... Rechtsrock.[1]
Dieser Satz eines Rechtsrockfans bringt es auf den Punkt: Die Musik ist zweitrangig, sie tritt hinter den Text zurück. Was aber macht die Faszination aus?
Die Welt des Rechtsrock ist voll Kampf und Gewalt. Wie bei den unpolitischen Skinheads herrscht die Lust an Randale und Alkohol, doch wo diese ihren Spaß an Gewalt nicht rechtfertigen müssen (weil ihnen Spaß an der Sache Begründung genug ist), dort tritt bei den musizierenden Neonazis über das Motiv des "Kampfes" der Zwang zur Begründung. Als Fußball-Hooligan beispielsweise reicht es zu wissen, dass man einen Gegner haben wird, der genauso wenig Grund, sich zu prügeln, aber ebenso viel Lust daran hat. Als Kämpfer sollte man hingegen wissen, wofür oder wogegen man kämpft – es bedarf eines Grundes.
Und in der Tat, hört man Rechtsrock, dann lauscht man einer Welt, die umstellt ist von Feinden: "Linke" jeder Couleur, "Ausländer", die "Büttel" der Staatsmacht, die den "aufrechten Patrioten" verfolgt, "Kapitalisten" und immer wieder die "Juden". Letztere stellen sozusagen das "Über"-Feindbild, denn jede einzelne der genannten Gruppen kann mit den Juden assoziiert werden: der jüdische Marxist, der ausländische Jude, die von Juden ferngesteuerte Regierung und der jüdische Kapitalist:
Juden, Richter und Bullen machen uns das Leben zur Qual
White Aryan Rebels, Noten des Hasses, 2000
Ihnen allen droht das gleiche Schicksal:
Mit der Lizenz zum Töten ziehen wir durch das Land, / dann wird alle Kranke erschlagen und niedergebrannt. / Hier kommen Noten des Hasses für unsere Generation.
Ebd.
Der Grad an Gewaltbereitschaft, die aus den Texten spricht, ist abhängig von den gewählten Vertriebswegen. Musik, die über reguläre Wege in Deutschland verkauft wird, muss juristischer Überprüfung standhalten, hier wird das Anliegen, den Feinden alles erdenklich Böse zu wünschen, meist verklausuliert dargebracht. Bands aber, die von vorneherein für den illegalen Markt produzieren, brauchen solche Rücksicht nicht zu nehmen. So sang die Skinhead-Band Macht und Ehre 1997 offensichtlich volksverhetzend (§ 130 StGB):
Er ist kein Mensch, er ist ein Jud'/ Drum denk nicht nach und schlag ihn tot
Macht und Ehre, Kein Mensch, 1997
So groß die Zahl der Feinde zu sein scheint, so unscharf ist im Rechtsrock meist der Gegenentwurf, das, worauf positiv Bezug genommen wird. Häufig genug bleiben Rechtsrocker in einfachen Appellen an die "Ehre" stecken, an das "Heilige", an den gemeinsamen "Kampf" und schließlich an den "Sieg". In dieser fast zur Unkenntlichkeit verkürzten Gegenüberstellung von "Gut" und "Böse" liegt die mythische Grundkonstruktion des Genres. Beide, "Gut" und "Böse", müssen nicht erklärt werden, sie sind letztlich Glaubenssache:
Unser Glaube ist ungebrochen / Wir weichen auch keinem dummen Geschwätz / Unsere Väter waren keine Verbrecher
André Lüders & Nordmacht, Deutschland, 2000
So wenig wie die Gründe, in den Kampf zu ziehen, erklärt werden können, da sie irrationaler Natur sind, so wenig interessieren die Argumente, warum jemand auf die Idee kommen könnte, dass "unsere Väter" Verbrecher waren. Pro und Contra sind schlicht Glaubensfragen, deren Erörterung keinen Sinn macht – "dummes Geschwätz" eben.
Nach Auswertung der Sammlung des Berliner Archivs der Jugendkulturen e. V. kamen die Rechtsextremismusforscher Henning Flad und Klaus Farin zu dem Ergebnis, dass nur rund ein Viertel der Rechtsrock-Texte im Zusammenhang mit Ausländerhass "sachliche" Begründungen geben. Und wo diese geliefert werden, speisen sie sich "zumeist aus einer Mischung aus Überfremdungsphantasien, Ängsten und Neidgefühlen". Im Einzelnen werden folgende Argumente genannt:
- "Ausländer sind kriminell"
- "Ausländer bedrohen unsere Frauen"
- "Ausländer leben auf unsere Kosten"
- "Ausländer nehmen uns Arbeitsplätze weg"[2]
Dieses Bild vom "Ausländer" ist voller innerer Widersprüche, wie der englische Sozialwissenschaftler Geoff Pearson zusammenfasst:
Kurz, er ist ein knauseriger Verschwender, (...), ein völlig ungezügelter heterosexueller Homosexueller, (...), ein arbeitsscheuer Drückeberger, (...), der mit Vergnügen die letzten Dreckarbeiten verrichtet, über die ein weißer Mann nur noch lachen würde.
Zitiert nach: Joachim Kersten: Die Gewalt der Falschen. Opfermentalität und Aggressionsbereitschaft (in: K. Farin (Hrsg.): Die Skins. Mythos und Realität. Bad Tölz 2001), S. 106
So offensichtlich der argumentative Gehalt solcher Aussagen kaum vorhanden ist, so exemplarisch ist dies für das gesamte Genre. Ressentiment statt Argumente, Gewalt statt Lösungen: Kaum eine Rechtsrock-Band kommt differenzierter daher, kaum ein Thema findet auch nur halbwegs angemessene Behandlung.
Das Beispiel "Heidentum", das durchaus als Ersatz für offen nationalsozialistische Themen gedeutet werden kann, nachdem Mitte der 90er Jahre der Blick von Öffentlichkeit und Staatsanwaltschaften verstärkt auf den jugendlichen Rechtsextremismus gerichtet war: Weder werden hier mythologische Stoffe aufbereitet, noch findet eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema statt, selbst wenn man die begrenzten Möglichkeiten der Rockmusik einbezieht. Statt dessen wird das Thema auf den Gewaltaspekt reduziert. Da wird von germanischen oder wahlweise "arischen" Kriegern gemordet, vergewaltigt und gebrandschatzt:
Wenn Odin’s Krieger keine Gnade kennen / Männer aus Angst um ihr Leben rennen / Scharfe Äxte alles zerspalten / Und Mütter aus Angst ihre Kinder festhalten
Schwurbrüder, Odin's Horden, 2001
Gerade weil die Konfrontation zwischen "Gut" und "Böse", zwischen "Schwarz" und "Weiß", keine Schattierungen kennt und keiner Argumentation zugänglich ist, tritt ein weiteres typisches Merkmal hinzu: die apokalyptische Bildsprache, die ebenfalls religiösen, vorwiegend jüdisch-christlichen Traditionen entlehnt ist. Die Vergangenheit wird nach dem klassisch apokalyptischen Muster überhöht, die eigene Gegenwart als ausgesprochen negativ wahrgenommen und nach deren Überwindung dämmert ein neues "Goldenes Zeitalter", für das die Auserwählten kämpfen:
wir nationalisten sind auserwählt, das land zu retten
Sturmwehr, Treue und Ehre, 1995
Wie der SS-Mann der Nazizeit für die Errichtung des "Tausendjährigen Reiches" kämpfte, so wähnt sich auch der rechtsextreme Skinhead an der Schwelle zu einem heiligen Vaterland" (0815, Heilig ist das Vaterland, 1996), das die Rettung aller Probleme verspricht. Und folgerichtig sieht er sich in den Fußstapfen des Wehrmachtssoldaten, des "guten deutschen Kämpfers":
er erzählt alte geschichten mit schwacher stimme schon, / ihm können wir vertrauen, denn er war dabei, war ein feldherr, anführer der letzten division, / einer von ihnen mit schwarzer uniform, (...) alter mann, vertraue der jugend die dich ehrt, / sie wird an deiner stelle marschieren!
Confident of Victory, alte geschichten, 2001
Fazit: "Das Faschistische an Rammstein ist nicht so sehr ihr Spiel mit dem Feuer und das rollende 'R', sondern die Tatsache, daß sämtliche Gesten der Männlichleit und Härte hier für Sieg und Überlegenheit stehen", schreibt Popphilosoph Martin Büsser im Journal der Jugendkulturen #6 / 2002. Und wieviel mehr mag das für Bands gelten, die sich weit jenseits des musikalischen und inhaltlichen Mainstreams bewegen?
Rechtsrock ist die Musik der Sozialängste und des Neids, kompensiert durch die Inszenierung eines Männlichkeitsbildes voll Gewalt und Überlegenheit. Bezeichnenderweise funktioniert das einzig und allein in der Konfrontation mit den zahlreichen Feindbildern des Rechtsrockers, der sich seiner Identität offenbar erst sicher sein kann in Gegenwart herbeihalluzinierter Feinde. Damit und mit dem Ideal eines vorzivilisatorischen Paradieses, dessen Verlust er betrauert und dessen Herannahen er sich erträumt, hat sich der Rechtsrocker von der Realität in die Irrealität verabschiedet.
Jan Buschbom / Violence Prevention Network e.V.
2002
[2] Vgl. Klaus Farin / Henning Flad: Reaktionäre Rebellen. A. a. O., S. 73ff.
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