Unter Willkommenskultur wird in der politischen Debatte im Allgemeinen das positive Verhalten der Gesellschaft gegenüber Menschen, die in unser Land einwandern, verstanden. Mit einer entwickelten Willkommenskultur signalisiert eine Gesellschaft den Migranten, dass sie erwünscht und willkommen sind und dass es für sie Perspektiven in Deutschland gibt.
Im Einzelnen ist jedoch umstritten, was unter der Bezeichnung genau zu verstehen und wer willkommen ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterscheidet zwischen Willkommenskultur und Anerkennungskultur. Willkommen sollten nicht nur hochqualifizierte Zuwanderer sein, sondern auch bereits hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund. Der Begriff der Willkommenskultur eigne sich besonders für die Phasen der „Vorintegration“ und „Erstorientierung“, die potenzielle Zuwanderer durchliefen; für die Phase der „Etablierung in Deutschland“ treffe hingegen der Begriff Anerkennungskultur besser zu.
Willkommenskultur ist ein relativ junges Wort im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik. Es lässt sich erst seit wenigen Jahren in offiziellen Dokumenten nachweisen. In den Migrationsberichten der Bundesregierung tauchte der Begriff zum ersten Mal im Bericht für 2011 auf. Dort bezog er sich aber ausdrücklich auf IT-Fachkräfte und akademische Berufe.
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Seit 2009 die ersten Flüchtlinge aus dem Irak in Deutschland aufgenommen wurden, breitete sich das Wort jedoch rasch aus und wurde auch für diese Zuwanderergruppe angewendet. Einem politisch erklärten Willkommen steht aber oft gegenüber, dass sich viele Kommunen mit der Unterbringung der Neuankömmlinge überfordert sehen. Bürgerproteste an Standorten für Flüchtlings- und Asylheime sind eine Reaktion darauf.
Willkommenskultur ist ein zusammengesetztes Wort. Drückt der Bestandteil „Willkommen“ die positive Grundhaltung gegenüber Zuwandernden aus, so verlangt der Bestandteil „Kultur“ nach bestimmten sozialen Techniken, nach einer Verankerung der positiven Grundhaltung in den gesellschaftlichen und administrativen Alltag, damit Willkommenskultur nicht nur verkündet wird, sondern gelebt werden kann.
Dafür braucht es aber ein anderes "Wir-Gefühl", eine neue deutsche Identität, die auch alle Migranten miteinschließt. Mit dieser Forderung versuchte Werner Schiffauer, Vorsitzender des Rats für Migration, im Januar 2015 eine öffentliche Debatte über das Thema anzustoßen, die aber nicht gesamtgesellschaftlich aufgenommen wurde.
Der Bamberger Soziologe Friedrich Heckmann spricht dem Begriff der Willkommenskultur eine gewisse „sinnvolle Unschärfe“ zu. Erst dadurch könnte die Bezeichnung in unterschiedlichen Kontexten und Milieus angewandt werden: beim Bundesverband der deutschen Industrie ebenso wie im Fußballverein oder in einer Stadtverwaltung.
Er unterscheidet vier verschiedene Ebenen, um den Stand der Willkommenskultur in einer Gesellschaft zu bestimmen:
- die Ebene des Individuums
- die Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen
- die Ebene der Organisationen und Institutionen
- die Ebene der gesamten Gesellschaft
Jeder kann sich damit auch selbst hinterfragen, wie er persönlich und in seinem Umfeld zum Thema Willkommenskultur steht.
TW, Januar 2015 (aktualisiert November 2017 von: BLPB)
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