Neonazis und Computerspiele

nazi toys
Bild: Peter Merholz | flickr.com

Sie sind im Intenet zu finden, die „German Soldiers - A Question of Honor“ (übersetzt: Deutsche Soldaten - Eine Frage der Ehre). Unter diesem Namen schließen sich Spieler zusammen, um als Kampf- oder Spielergruppe - im Szeneslang: Clan - gemeinsam das Computerspiel Command & Conquer III zu spielen, virtuell verbunden übers Internet oder über lokale Netzwerke (LAN). Sobald man auf ihre Homepage gelangt, erscheint folgende Richtigstellung, die sie auch bitter nötig haben: 

ACHTUNG! Diese Seite soll weder antisemitisch noch in irgendeiner Weise faschistisch sein und sie soll auch nicht zur Glorifizierung Nazi-Deutschlands beitragen. Sie soll vielmehr eine Informationsquelle für CCIII-Spieler u. - Interessierte darstellen. Wenn trotzdem jemand faschistisches oder antisemitisches Gedankengut finden sollte, so möge er uns dieses bitte mitteilen, so dass wir die nötigen Konsequenzen ziehen können. So, nun viel Spaß auf dieser Seite. NIE WIEDER FASCHISMUS!!!

Ihre Gegner heißen „Westwall Soldaten“, „Ostdeutsche Elitetruppe“ oder eindeutiger „SS Wolfsclan“.

So martialisch und deutschtümelnd die Namen dieser Spielergruppen klingen, sind die meisten von ihnen wohl nicht eindeutig rechtsextremistisch. Selbst der „SS Wolfsclan“ - Wolf war Hitlers Spitzname - weist den Vorwurf, neonazistisch zu sein, von sich. Einziger Zweck der Vereinigung sei es, den Ego-Shooter Day of Defeat zu spielen.

Mancher Spieler zeigt ein besonderes Interesse für Militaria, also für möglichst authentische Rekonstruktion militärischer Operationen etwa des Zweiten Weltkriegs, für Waffensysteme oder für Uniformen. Dieses Bedürfnis bedient eine ganze Reihe von modernen Computerspielen. So verbinden etwa Battlefield 1942 (Schlachtfeld 1942), Day of Defeat (Tag der Niederlage), The Third Reich (Das Dritte Reich) oder auch Medal of Honor (Medaille der Ehre - benannt nach einer Tapferkeitsmedaille der US-Army) den Spielspaß aktueller Software-Technologie mit derlei Szenarien.

Auf der Homepage des Spiels The Third Reich wird es von den Entwicklern mit den Worten beworben: "Realistische Waffenmodelle, -handhabung und Munitionsverhalten, einschließlich Ballistik und Wirkung". Und das Handbuch zum Spiel gibt dezidiert Auskunft und Ratschläge zu dem Gebrauch der einzelnen Waffensysteme, erklärt, welche Waffe für welche taktische Operation geeignet ist, und wie diese auszuführen sind.

Glossar:

3D Shooter:
Computerspiel, in dem die Spielfigur (meist) aus der Vogelperspektive geführt wird.

Clan: Spielergruppen, die sich oft auf ein Spiel spezialisieren, um gegen andere Clans anzutreten. Häufig werden solche Kämpfe wie in Mannschaftssportarten in Ligen organisiert.

Ego Shooter: Computerspiel, in dem der Spieler die Spielfigur aus der Ich-Perspektive übernimmt.

Game Engine: Die einem Spiel wesentlich zugrundeliegende Software.

KI: Künstliche Intelligenz, über die in Spielen die Computergegner gesteuert werden.

LAN: Local Area Network. Ein lokales Compternetz, das dazu genutzt werden kann, Computerspiele vernetzt, d. h. gegen menschliche Gegner zu spielen.

LAN-Party: Zwei-, dreitägige Veranstaltungen, zu denen Spieler anreisen, oft auch überregional, um in Netzwerkfähigen Spielen gegeneinander anzutreten.

Mod, Modification: Modifications sind (meist unkommerzielle) Spiele, die auf der Software erfolgreicher Titel beruhen. Die Veröffentlichung und Dokumentation der Programm-Codes erlaubt es, das ursprüngliche Spiel an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Modifications sind ohne das ursprüngliche Spiel nicht lauffähig, so dass sie den kommerziellen Erfolg eines Titels nicht beeinträchtigen.

Eine der bekanntesten Mods ist das Spiel Counterstrike, das umstritten ist, weil es angeblich den Täter des Erfurter Schulmassakers, Robert S., zu seiner Tat inspirierte.

Nick, Nickname: (englisch) Spitzname.

Server: Leistungsstarke Internetcomputer, die u. a. dazu benutzt werden können, um im WWW Spiele gegen menschliche Gegner auszutragen.

Update: Softwarepaket, das es (meist kostenlos) erlaubt, die Originalsoftware zu aktualisieren. Auf diese Weise können z. B. Fehler auf einfache Weise behoben werden, die sich in gekauften Softwarepaketen befinden, oder verschiedene Variationen realisiert werden.

 

Von Militär-Freaks und Neonazis

Das Spiel Medal of Honor ist laut Auskunft der Herstellerfirma Electronic Arts auf die Initiative des Hollywood-Regisseurs Steven Spielberg zurückzuführen. Zuständig für die Gewährleistung größt möglicher Authenzität war Captain Dale Dye, der zuvor schon Spielberg bei der Umsetzung seines Films "Saving Privat Ryan - Der Soldat James Ryan" beraten hatte.

Die Spieler erhalten die Möglichkeit, eine ganze Reihe von historischen Schlachten des Zweiten Weltkriegs detailgetreu nachzuspielen, begonnen bei der Landung der Alliierten in der Normandie 1944, wobei großer Wert auf eine realistische Grafik gelegt wurde.

Solche Bemühungen um Authenzität und Atmosphäre wissen auch Neonazis zu schätzen: Im Forum des Freien Widerstands, wo sonst beispielsweise über Strategien der Anti-Antifa diskutiert wird, stellte der Nutzer mit dem Nickname "Germane" am 18. Juni 2003 die Frage, "Was für Spiele spielt ihr so?" Bis heute ist diese Diskussion eine der beliebtesten und meistgelesenen Beiträge im Forum.

Wie sich nach Lektüre dieser Diskussion herausstellt, sind Spiele bei Neonazis besonders beliebt, die die freie Wahl bieten, für welche der Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg der Spieler kämpfen möchte. Deutsche Neonazis bevorzugen selbstverständlich Spielfiguren der Reichswehr. So monierte der Nutzer "Wehrmachtsoldat" im Freien Forum:

Mir kommts bei diesen Spielen (mo-haa,Rtcw[1]) immer so vor als wären die allierten sowas wie Supersoldaten und alleskönner und die Deutschen sind die deppen die nicht kämpfen können." Beide der genannten Spiele erlauben es nur, als Alliierter in die Kriegsgeschicke einzugreifen, so spielt beispielsweise der Käufer von Return to Castle Wolfenstein einen amerikanischen GI, der aus den Kerkerzellen einer SS-Ordensburg flieht.

Das führte ein rechtsextremer Nutzer eines anderen Forums als Beweis seiner These an: "ja super. die bösen nazis umnageln. wunderbar. die amerikanischen spiele haben alle propagandische hintergedanken."


„...den Juden an den Kragen...“

Ganz ähnlich sahen das Verantwortliche der islamistischen Terrororganisation Hisbollah, die in 2003 das Spiel Specialforce (Spezialeinheit) veröffentlichten. In ihm übernimmt der Spieler die Rolle arabischer Kriegsteilnehmer während zahlreicher militärischer Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee und sieht sich so in die Lage versetzt, die Schmach aus vergangenen Niederlagen wett zu machen.

Das Spiel sei ausdrücklich als Reaktion auf die "Demütigungen" durch ausländische Spieleproduktionen gedacht, meldete das Internet-Magazin telepolis. Auch hier legten die Entwickler besonderen Wert auf historische Detailtreue.

Return to Castle Wolfenstein
Wo es darum geht, Juden zu töten, sind (nicht nur) deutsche Nazis Feuer und Flamme: Als Specialforce veröffentlicht wurde, verbreitete sich die Nachricht auf einschlägigen Homepages im deutschsprachigen Internet wie ein Lauffeuer.

Jetzt geht es den Juden an den Kragen...",

meldete der Nutzer "kettnhnd" triumphierend am 17.7.03 auf Politikforen.de. In der Folge kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und einem Nutzer, der sich als Mitglied einer Familie zu erkennen gab, die in Ausschwitz und Theresienstadt Opfer zu betrauern hatte. Das gipfelte in offenen antisemitischen Anfeindungen:

Du weißt genau das die 6 milionen Zahl unhaltbar geworden ist,also hör jetzt auf und verbreite deinen Dreck woanders,am besten tief in den GOLANHÖHEN!!!"

Vorbehaltlich einer Prüfung durch die Gerichte steht zu vermuten, dass Personen, die Spiele wie Specialforce verbreiten oder öffentlich zugänglich machen (etwa auf einer sog. "Lan-Party") sich nach § 130 StGB (Volksverhetzung) oder nach § 131 StGB (Gewaltdarstellung, -verherrlichung) strafbar machen. Zumindest aber dürfte Specialforce in den Aufgabenbereich der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) fallen.

Andere juristische Fallstricke für Spielhersteller sind § 86 (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Wie schon das Vorgängerspiel in den 90er Jahren indizierte die BPjM am 28.02.02 das Spiel Return to Castle Wolfenstein wegen Gewaltverherrlichung und extensiver Darstellung des Hakenkreuzes sowie anderer Nazi-Embleme.


Schattenboxen

Die Hersteller reagieren auf die Rechtssprechung in der Bundesrepublik indem sie problematische Spiele häufig in zwei Versionen anbieten: eine Vollversion für den internationalen Markt und eine entschärfte für den deutschen. Doch im Falle von Return to Castle Wolfenstein half das der Firma id games nicht, denn auch die deutsche Version des Spiels wurde am 30.4.2002 von der BPjM indiziert.

Das ganze gleicht dem Schattenboxen: Längst ist es üblich geworden, dass die Softwareschmieden zu den entschärften deutschen Versionen Softwarepakete anbieten - sog. Patches oder Updates -, die es dem Spieler erlauben, ein Update auf die internationale und daher schärfere Version zu machen.

Islamistischer Egoshooter: Specialforce (2003), produziert von der Terrororganisation Hisbollah

Da diese Patches auf Servern außerhalb des Geltungsbereiches des deutschen Strafrecht kostenlos zum Download bereitliegen, machen sich weder die anbietenden Firmen nach bundesdeutschem Recht strafbar noch die Spieler, solange sie ihre strafrechtlich relevanten Spielversionen ausschließlich privat nutzen.

Denn strafbar machen sich allein Personen, die die betroffenen Materialien im "Inland verbreite[n] oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstell[en], vorrätig [halten], einführ[en] oder ausführ[en] oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich machen[en]", so der Wortlaut des Gestzestext.
 

Spiele hingegen, die eindeutig rechtsextreme Weltbilder verbreiten, sind ausgesprochen rar. Weil Rechtsextremisten offenbar das Know How oder schlicht das Kapital fehlt, das nötig wäre, ein Spiel nach modernen Ansprüchen zu entwickeln, stammen Titel wie der KZ Manager, die KZ Rattenjagd oder Nazi Doom in aller Regel aus der Steinzeit der Computerspiele. Zu beziehen sind diese kostenlos im Internet auf den Seiten des selbsternannten „Führers“ der NSDAP/AO, Gary Lauck, USA, jedoch dürften sie selbst für den ideologisch gefestigten Neonazi kaum mehr als kuriosen Wert haben.



Jan Buschbom / Violence Prevention Network e.V.
2003



 



[1] Gemeint sind die Spiele Medal of Honor - Allied Assault und Return to Castle Wolfenstein.

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Bewertung
5 Stimmen, Bewertungen im Durchschnitt: 2.2 von 5

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