Die Auseinandersetzung um die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße in Potsdam

Zeitgeschichte kontrovers

Empfangsgebäude in der Großen Weinmeisterstraße
Empfangsgebäude in der Großen Weinmeisterstraße. Foto: Der Nowaweser

Kontroversen über den angemessenen Umgang mit der Geschichte von nationalsozialistischer Diktatur und Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone und DDR gehören seit 1990 zur pluralistischen Erinnerungskultur.

Diese Diskussionen entzünden sich in der Regel an Orten, die mit ihrer Geschichte eine Verbindung zu beiden Regimen haben. Auch die Realisierung der im April 2012 eröffneten Dauerausstellung in der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße, dem ehemaligen Gefängnis der sowjetischen Spionageabwehr, war von heftigen Auseinandersetzungen begleitet. Sowohl Mitglieder des wissenschaftlichen Fachbeirats als auch Verbände der Verfolgten des Stalinismus übten grundsätzliche Kritik an den von der Gedenkstättenleitung gewählten inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und dem Umgang mit sowjetischen Quellen. Ehemalige Häftlinge und Verbandsvertreter nennen das Haus ein „KGB-Museum“, das Täter huldige und Opfer missachte.

Kontroversen um die Darstellung und Deutung von Leid und Verbrechen, um die Gewichtung von Nationalsozialismus und Kommunismus haben den Aufbau aller SBZ/DDR-Gedenkstätten begleitet. Die Hintergründe dieser Konflikte darzustellen und zu bewerten ist das Ziel der Diskussion.

Das Buch zum Thema kann am Abend erworben werden.

Gäste:

  • Prof. Dr. Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, TU Berlin
  • Dr. Ines Reich, Leiterin der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam
  • Horst Schüler, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetunion und Ehrenvorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e.V.
  • Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Mitglied des Fachbeirats der Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße

Moderation: Alfred Eichhorn

In Kooperation mit dem Metropol Verlag

Linktipps

Bewertung
Noch keine Bewertungen vorhanden.

Kommentare

Kommentieren

ich bin auch sehr froh, dass ich diese Diskussion miterlebt habe. Es

ist unendlich wichtig nicht zu vergessen, dass die "Forschungsobjekte"

immer auch Menschen sind, deren Gefühle schnell verletzt sind. Das ist

mir nochmal deutlich geworden.

Ein an sich schon problematisches und emotional aufgeladenes Thema wurde noch zusätzlich dadurch verkompliziert, dass neben wissenschaftlichen und museumspädagogischen Fragen gleichzeitig die Fehde zwischen Gedenkstättenleitung und Beirat/ Zeitzeugenverein (öffentlich) ausgetragen wurde.

Die viel kritisierte Aussage "Manche überlebten nicht" taucht übrigens keineswegs nur in dieser Ausstellung auf. Wissenschaftliche Texte können nicht jedes Mal, wenn sie ein Verbrechen, einen Krieg oder ideologischen Unsinn thematisieren, lang und breit in den schrecklichsten Metaphern das Leid von Individuen beschreiben. Daraus abzuleiten Prof. Benz (oder jeder andere Historiker) hätte kein Mitgefühl mit den Opfern, ist unfair und verletzend. Eine wissenschaftliche Arbeit ist nicht der Ort, um dieses Mitgefühl wortreich darzulegen.

Und wenn ich in einer Gedenkstätte, einem authentischen Ort des Terrors, stehe - brauche ich dann wirklich noch eine Texttafel, die mir in drastischer Sprache mitteilt, wieviel Leid hier zugefügt wurde?

Auf dem Podium saß der Zeithistoriker Prof. Dr. Wolfgang Benz. Wer aber erwartet hat, dass ein renommierter Historiker sozusagen aus der Außensicht ein klärendes Wort beisteuert, sieht sich getäuscht. Er erlebt vielmehr einen peinlichen Auftritt. Schon der erste Satz von Prof. Benz irritiert, denn da spricht er von BRD und DDR. Der Verlag hat ihn gebeten, ein Buch zu machen und dann hat er eben ein Buch gemacht. Als Herausgeber möchte er nicht verantwortlich gemacht werden für die Inhalte seiner Autoren. Den Verfasser des Beitrages, in dem die ideologische Übereinstimmung und personelle Verflechtung von Rechtsextremisten und antistalinistischen Vereinigungen untersucht wird, kennt er gar nicht. Horst Schüler findet den Beitrag empörend. Ein grundlegender Artikel, in dem die Gedenkstättenkonzeption vorgestellt wird, fehlt.

Prof Benz rudert zurück: Das Buch sei ein Diskussionsbeitrag, ein Blitzlicht in einer längeren Debatte, ein Gesprächsangebot. Er wird an diesem Abend keinen sachlichen Beitrag leisten, sondern mit Vorliebe auf polemische Bemerkungen polemisch antworten und noch einmal die Nazikeule schwingen. Ein peinlicher Auftritt, der seinen Höhepunkt in einer höchst überflüssigen philologischen Übung hat.

Der Streit entzündet sich vor allem auch an den Ausstellungstexten. Anna Kaminsky sagt, nach der Kritik des Gedenkstättenbeirates an den Texten seien diese überarbeitet worden. Ines Reich bestreitet, dass inhaltliche Korrekturen vorgenommen wurden. (Vielleicht sollten die "Urtexte" einmal veröffentlicht werden.) Man kann noch beim Lesen der überarbeiteten Texte auf den Gedanken kommen, dass ihnen ein gewisses Understatement eigen ist. So wird hervorgehoben, dass die Gefangenen keinen Rechtsbeistand hatten. Das war sicher nicht das Schlimmste im KGB-Gefängnis. Auch erfährt man, dass die deutsche Armee in Polen eingefallen ist. Dass da noch jemand dasselbe gemacht hat, fehlt! Auch vom GULag, in den ab Potsdam Sonderzüge fuhren, erfährt man wenig. Erstaunlich der Satz: Mancher überlebte ihn nicht. Prof. Benz versucht, mit einer semantischen Analyse die Ausstellungsmacherinnen zu verteidigen. Der Satz wäre empathischer als man meine. Einige Zuhörer können nur noch lachen.

Danke nochmals. Es war mutig von Ihnen Frau Weyrauch und der Landeszentrale, diese Veranstaltung durchzuführen. Die Gespräche hinterher haben manche Verkrampfungen aufgelöst. Auch bei mir.

Sehr geehrter Herr Walter,

wie es bei uns üblich ist, haben wir Experten eingeladen, die sich in der Sache äussern. Wie Sie an den Gesprächsteilnehmern sehen, geht es um verschiedene, teils sehr kontroverse Perspektiven. Nachdem die Positionen auf dem Podium diskutiert werden, wird natürlich auch die Möglichkeit bestehen, dass die Zuhörenden zu Wort kommen. Das war bisher in jeder Veranstaltung so.

Mit besten Grüßen

Martina Weyrauch

Geht es in der Veranstaltung am 22.5. darum, die Hintergründe des Konfliktes vom Podium aus "darzustellen" und  "zu bewerten" oder ist eine Diskussion unter Einbeziehung des Plenums geplant ?

Mit freundl. Grüßen

Kurt Walter

Neuen Kommentar hinzufügen

Eingeschränktes HTML

  • Erlaubte HTML-Tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.