Wir halten es angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage für unbedingt notwendig, dass ein breiter Diskussions- und Verständigungsprozess darüber in Gang kommt, welches Land wir eigentlich sein wollen. Wollen wir eine offene Gesellschaft sein, geleitet von Freiheits- und Menschenrechtsidealen, oder eine exklusive Gesellschaft, die ihre Identität vor gefühlten äußeren Bedrohungen sichert? Und wenn wir eine offene Gesellschaft sein wollen: Was sind wir bereit, dafür zu tun?
Im Blick auf die Szenarien von »Entwurzelung« und »Überfremdung«, die aktuell in der öffentlichen Diskussion kursieren, fragen wir nach dem schillernden Begriff »Heimat«. Ist die Vorstellung von Heimat in der globalisierten Welt überholt? Wie verträgt sie sich mit der Idee einer offenen Gesellschaft? Welche Bedeutung haben Vertrautes und Fremdes für uns? Inwiefern verändert der Zuzug der Flüchtlinge unser Heimatgefühl? Können die Flüchtlinge bei uns eine neue Heimat finden? Um diese Fragen soll es gehen.
Marina Naprushkina stammt aus Minsk, ist Künstlerin und Aktivistin und lebt seit 12 Jahren in Deutschland. Sie studierte Bildende Kunst in Minsk, Karlsruhe und Frankfurt. Zuletzt sorgte sie mit ihrem Buch »Neue Heimat?« für Aufsehen.
Julius H. Schoeps, zu dessen Vorfahren der Philosoph Moses Mendelssohn gehört, wurde im Exil in Schweden geboren, war u. a. Professor für Neuere Geschichte und von 1991-2014 Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam. Er ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums, Vorsitzender der Gesellschaft für Geistesgeschichte und freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen (u. a. ZEIT, FAZ, SPIEGEL, WELT, TAGESSPIEGEL) sowie verschiedener Rundfunk- und Fernsehanstalten.
Harald Welzer ist Sozialpsychologe, Buchautor und Gründer von FUTURZWEI; Stiftung Zukunftsfähigkeit.
Nach einem kurzen Podiumsgespräch sind alle Besucher eingeladen und aufgerufen, sich an der Diskussion zu beteiligen.
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Kommentare
Kommentieren„Die deutsche Gesellschaft ist heute gefährdet“
Am Donnerstag debattiert er bei „Welches Land wollen wir sein“ am Hans Otto Theater: Ein Gespräch mit Historiker Julius H. Schoeps über den Begriff Heimat.
[...]Ja, diese Angst, jemand könnte uns etwas wegnehmen. Aber was ist Heimat? Sie ist eine Sozialisationserfahrung: Der Ort, wo man geboren ist, die Sprache, die Mentalität, die Religion, die Überzeugungen. Auch die Landschaft prägt. Den Brandenburgern sagt man nach, sie seien bodenständig, vielleicht auch etwas schwerfällig. Da ist etwas dran.
Die Geografie prägt den Menschen?
Ja. Grundsätzlich ist es aber so: Der Flüchtling, der kommt, will auch an seiner Herkunft, an seinem Heimatbegriff festhalten, klar. Unsere Gesellschaft fordert, dass man sich anpasst, dass man die Wertevorstellungen dieser Gesellschaft akzeptiert. Man muss allerdings sehr genau hinsehen, finde ich. Diese Forderung darf nicht dazu führen, dass jemand gezwungen wird, seine Herkunft zu verleugnen und seine Identität aufzugeben. Denn wie weit und wohin soll das führen? Ich appelliere an alle, in dieser Frage lockerer zu sein. Ich möchte alle auffordern, daran zu denken, was einem selbst geschehen würde, wenn der Fall eintritt, dass man sein Heimatland verlassen muss. [...]
(zum Interview von Ariane Lemme in den PNN vom 22.02.16)
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