Die Geburt eines Gesetzes

in Zeiten des Bürokratieabbaus und der Marktfreigabe

Ein Bericht aus dem Leben

18 eng bedruckte Seiten umfasst die Bundesdrucksache 16/29 vom 3.11.2005. Inhalt: das in elf Paragrafen gefasste „Gesetz über die Reform hufbeschlagrechtlicher Regelungen und zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften“. Es soll in diesen Tagen unbeanstandet den Bundestag passieren. Wer sich jenseits der Beteuerungen der Politiker zum Bürokratieabbau einen Einblick in die Realität verschaffen will, dem sei ein Blick auf dieses Vorhaben empfohlen. Worum geht es?

Wie der Titel vermuten lässt, um Regelungen darüber, wie und wer Hufe und Klauen von Tieren beschlagen darf. Brauchen wir ein solches Gesetz und welchen Interessen dient es? Das bisher geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1940, enthält kein nationalsozialistisches Gedankengut, ist aber geprägt vom damaligen Zeitgeist, der Pferde vor allem in militärischen und landwirtschaftlichen Arbeitszusammenhängen betrachtete. Dem entsprach die Auffassung, dass Pferdehufe in aller Regel mit Hufeisen zu beschlagen seien, um sie vor den dauernden Belastungen zu schützen. Heute aber werden die 1,4 Millionen Pferde im Lande überwiegend zu Freizeitzwecken gehalten und sind entsprechend weniger belastet. Das hat dazu geführt, dass mehr und mehr Pferde ohne Hufbeschlag auskommen und sich neue Berufszweige wie Huforthopäden und Hufpfleger mit eigenen privaten Ausbildungsstätten entwickelt haben.

Ein neues Gesetz, könnte man denken, nimmt diese Entwicklung auf und regelt – wenn überhaupt – die Art und Weise, wie die Behandlung von Hufen und Klauen ohne Eisenbeschlag auszusehen hat. Weit gefehlt: Eine aktive kleine Lobby von Tierärzten, Hufschmieden u.a. sah das Monopol ihrer Berufsstände gefährdet und setzte eine Reform durch, die nun mittelfristig zu einem Berufsverbot der rund 800 Abgänger privater Hufschulen führt. Dazu bedient sich der von tierärztlicher Lobby im Bundestag vertretene Gesetzgeber eines verräterischen Tricks: Um das Monopol einiger Berufe zu sichern, wird das, was nie Hufbeschlag war – die einfache Behandlung des Hufes ohne Beschlag – zum Hufbeschlag erklärt und allein den Hufschmieden vorbehalten. Weder der Tierhalter noch andere etablierte Berufsangehörige dürfen Verrichtungen am Huf vornehmen. Man stelle sich das beim nicht weniger schutzwürdigen Menschen vor: Jegliche Fußpflege darf nur noch von Orthopäden ausgeführt werden...

Es bleibt aber nicht allein bei der Monopolisierung der Hufbeschlagsschmiede, es werden auch Festlegungen über die Ausbildung und Zulassung getroffen, die an dem Möglichen und Nötigen vorbeigehen. So werden mindestens zweijährige Beschäftigungszeiten im Hauptberuf bei einem Hufbeschlagsschmied vorgeschrieben, aber es gibt keine freien Stellen. Die Anerkennung von Schulen kann – s.o. – nur erfolgen, wenn dort der Hufbeschlag ausgebildet wird. Damit fallen vor allem Frauen, die sehr häufig nicht an einer Arbeit in der Schmiede interessiert sind, von vornherein aus dem Berufsfeld aus. Nicht dem Tierschutz dient hier der Gesetzgeber, sondern reinem Interessenschutz. Da lacht der – beschlagene – Amtsschimmel; es sei denn, die Parlamentarier werden im letzten Moment noch wach.

(Hartmut Bäumer, Der beschlagene Amtsschimmel, Berliner Zeitung, 4./5.2.2006)

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