"Ihr, Kinder, habt eure Wurzeln in euren Heimatländern — und jetzt seid ihr hier, in Deutschland... Was ihr auch Neues ausprobiert, haltet an euren Erinnerungen fest ... Findet in diesen kulturellen Unterschieden eure eigene Stärke."

Der Duft von Mais auf den Feldern an sonnigen Tagen im Spätsommer; das laute Gelächter der Nachbarskinder, die - genauso wie ich und 2 meiner 4 Schwestern (ich bin die Zweitjüngste) - mit alten, verschmutzten Klamotten und staubigen Rotznasen durch die Gegend liefen…
Oder diese warmen, verregneten Tage, an denen wir draußen Ball spielten und danach ganz erschöpft und kichernd zu fünft zusammen in einem Bett lagen und die frisch gebackenen Brötchen unserer lieben Nachbarin verschlangen, während sie den Rest der Brötchen verkaufen ging…
Das sind Erinnerungen, die ich sehr tief in meinem Herzen trage. Und immer wenn ich Heimweh habe und die Sonne, die Wärme, meine Familie, meine Freunde vermisse, tragen mich diese Gedanken an diese wunderschöne, für uns Kinder unbeschwerte Zeit zurück.
Gemeinsam ist allen die Sehnsucht
Ich musste nicht meine Heimat verlassen, so wie es heute mit den Kindern ist, deren Bilder hier ausgestellt werden. Manche von ihnen sind jetzt vielleicht in Deutschland, weil die Eltern hier arbeiten oder studieren. Andere mussten vor Unfrieden und Krieg fliehen. Gemeinsam ist allen die Sehnsucht: Nach ihren Freunden, nach ihrem Lieblingsgericht, nach der vertrauten Landschaft, nach ihrem Heimatort, nach ihrer Schule und vieles mehr.
Ihr, Kinder, habt eure Wurzeln in euren Heimatländern — und jetzt seid ihr hier, in Deutschland; wo man eine völlig andere Sprache spricht als zu Hause; wo der kalte Winter so lang und dunkel ist; wo das Essen so anders schmeckt und wo ihr neue Freunde finden müsst.
Aber - ihr werdet das mit der deutschen Sprache schaffen und ihr werdet auch viel Spaß im Winter haben: Schlitten fahren im Schnee - und echt - Knödel mit Kartoffeln oder Kartoffelpuffer schmecken doch richtig gut! Und wer weiß - mit euren neuen Freunden könnt ihr sicherlich das eine oder andere Rezept aus eurem Heimatland gemeinsam ausprobieren.
Was ihr auch immer Neues tut und ausprobiert, haltet an euren Erinnerungen fest und lasst euch davon immer mal wieder zurück an Orte tragen, die euch viel bedeuten. Findet in diesen kulturellen Unterschieden eure eigene Stärke.
Es ist mir eine große Ehre, diese Ausstellung von Frau Thoma eröffnen zu dürfen. Als Migrantin und als Mutter zweier Kinder, die in Deutschland aufwachsen, aber auch Mexikaner sind, beschäftigt mich sehr die Frage der Identität. Es ist wichtig für Kinder mit Migrations- und Fluchtgeschichte die Gewissheit zu haben, dass es gut und positiv ist, zu wissen, woher sie kommen. Was ihre Wurzeln sind. Und dass es gut ist, sich nun auch hier in Deutschland zu Hause zu fühlen und es vielleicht sogar als ihre neue Heimat empfinden zu können. Sie müssen sich nicht für das eine oder das andere entscheiden.
Appell an die Erwachsenen
Diese Ausstellung ist für mich ein Appell an die Erwachsenen, Kindern freie Gestaltungsräume zu geben, die sie in ihrem einzigartigen Dasein nicht einschränken. Es berührt mich sehr, dass Kinder so viel Kraft in diesen schöpferischen Prozess stecken und ich stelle mir vor, wie sie mit ihren Bildern in ihrer Fantasie weite Reisen machen, die Ihnen helfen die Sehnsucht in ein positives Gefühl zu verwandeln. Wie sie durch diese Bilder sich in ihrer eigenen Identität bestätigt sehen und Brücken zu ihrem neuen Zuhause schlagen.
Und so wie Frau Thoma in der heutigen Ausstellung dieses „Kommen und Bleiben“ mit den quadratischen Wandbildern in Patchwork-Technik wiedergegeben hat, wünsche ich Ihnen allen, dass Sie sich auf diese Bilder einlassen und sich gemeinsam mit ihren Kindern daran erinnern, wie es in der Heimat war. So wie Frau Thoma und Herr Gloede wünsche ich mir auch, dass wir Erwachsene uns von den Kindern durch diese Bilder an die Hand nehmen lassen, damit wir besser verstehen, warum es so wichtig ist, dass wir die Welt und ihre Diversität schützen und erhalten.
Diana Gonzalez Olivo
Migrantenbeirat der Landeshauptstadt Posdam
18. Oktober 2017
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