Vorsorge und Nachsehen

Der Staat als große und verlässliche Sozialversicherung gegen die Risiken des Lebens und der Globalisierung: diesen Staat gibt es nicht mehr.

Eine Schlussfolgerung verbirgt sich hinter der Formel der „vorsorgenden Sozialpolitik“. Der Gedanke ist ebenso einfach wie zwingend: Wer jungen Menschen eine gute Schul- und Berufsbildung bietet, macht sie selbständig, eröffnet ihnen Chancen und erspart ihnen die Hartz-IV-Karriere. Wer Arbeitnehmer qualifiziert, verringert ihr Risiko arbeitslos zu werden. Wer für sich selbst sorgen kann, ist auf die Hilfe der Gesellschaft nicht angewiesen.

Das Problem ist nur, dass der Sozialstaat deutscher Prägung seit Jahrzehnten (...) anders programmiert wurde. Dieser Sozialstaat ist mit der Nachsorge beschäftigt und überfordert. Er steckt Jahr für Jahr 80 Milliarden Euro, fast ein Drittel des Bundeshaushalts, allen in die Rentenversicherung, neben den Beiträgen der Versicherten. Er finanziert mit vielen Milliarden die Arbeitslosigkeit, weil er keinen Plan hat, wie man Arbeit schaffe könnte. Er leistet sich endlose Debatten über die Reform des Gesundheitswesens, ohne je eine Reform zu Stande zu bringen, die diesen Namen verdient. Und dieser Staat wundert sich dann, dass er für Investitionen, sei es in die Infrastruktur oder in die Bildung, kein Geld mehr hat.

(Uwe Vorkötter, Alter Sozialstaat, neuer Sozialstaat, Berliner Zeitung, 25.4.2006)

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