Was versteht man unter politisch motivierter Kriminalität (pmk)? 2001 wurde von der Innenministerkonferenz ein Definitionssystem von der politisch motivierten Kriminalität erarbeitet, nachdem Presseberichte aufgedeckt hatten, dass zahlreiche von Rechtsextremisten verübte Gewaltdelikte nicht von den offiziellen Statistiken erfasst wurden.
Insgesamt blieb die politisch motivierte Kriminalität 2007 in Brandenburg gleichbleibend hoch. 2007 wurden in der offiziellen Statistik insgesamt 1.923 Delikte gegenüber 1.943 in 2006 verzeichnet. Davon hatten 1.362 Delikte rechtsextreme Hintergründe und Motive (2006: 1.399). 171 Delikte wurden linksextremistisch motivierter Kriminalität (2006: 118) zugeordnet. 20 Delikte politisch motivierter Kriminalität wurden von „Ausländern“ (2006: 2) begangen und 371 sonstige Fälle konnten nicht eindeutig zugeordnet werden (2006: 324).
2007 waren 65 % der Fälle politisch motivierten Kriminalität Propagandadelikte, also Vergehen gemäß §§ 86 (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen), 86a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und 130 (Volksverhetzung) StGB, 28 % sonstige Straftaten und 7 % Gewalttaten.
Die Gewaltdelikte sind 2007 auf 130 Straftaten (2006:122) leicht gestiegen. Davon wurden 93 Fälle der rechtsextrem motivierten Kriminalität zugeordnet, 32 Fälle der linksextremistischen. Es wurden keine Fälle, die Ausländer begangen hätten, benannt. Dabei ist auch interessant, dass 48 Taten der rechtsmotivierten Gewaltkriminalität in der Konfrontation mit vermeintlich politisch linken Personen begangen wurden (26 Taten fanden im umgekehrten Zusammenhang statt). 40 Gewaltdelikte mit rechtsextremer Motivation hatten einen fremdenfeindlichen oder antisemitischen Tathintergrund. (1)
Im Ländervergleich liegt Brandenburg in absoluten Zahlen mit diesem Befund an dritter Stelle hinter Nordrhein-Westfalen (122) und Niedersachsen (110) und bezogen auf die Bevölkerungsdichte sogar auf dem traurigen ersten Platz mit 3,65 Fällen je 100.000 Einwohner vor Sachsen-Anhalt (3,56) und Thüringen (2,64).
Am geringsten ist das Risiko, Opfer einer rechtsextrem motivierten Gewalttat zu werden, in absoluten Zahlen im Saarland mit 12 Gewaltdelikten, Bremen (16) und Hamburg (22). Auch in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen ist das Risiko, Opfer einer rechtsextremistischen Straftat zu werden, weitaus geringer. (2)
Dies waren die Zahlen, die man bei Behörden und in Verfassungsschutzberichten findet. Höher fallen die Zahlen nichtstaatlicher Einrichtungen aus, die Opfer von rechtsextremen Gewaltübergriffen betreuen. An diese wenden sich auch Opfer, die sich aus Angst oder Scham nicht trauen, die an ihnen verübte Gewalttat zur Anzeige zu bringen. Auch gibt es Unterschiede in der Bewertung politischer Motive. Laut einer Meldung des brandenburgischen Vereins „Opferperspektive“ vom 25.02.08 wurden 2007 im Land Brandenburg 137 rechtsextrem motivierte Gewaltstraftaten begangen:
„Die 2007 erfassten Straftaten richteten sich gegen 233 Personen, weitere 89 Menschen wurden mittelbar als Begleitpersonen von Angriffen betroffen. Bei 99 der 137 Straftaten handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. Bei 64 Angriffen war Rassismus das Tatmotiv, in 24 Fällen wurden die Opfer als politische Gegner eingestuft, bei 38 Gewalttaten einem alternativen Milieu zugeordnet.“ (3)
Auch ermöglichen die Daten der Opferperspektive einen genaueren Überblick über die regionale Verteilung rechtsextremer Gewalt als die offiziellen Zahlen, die einen solchen Zugang nicht gewähren:
Landkreise | |
Barnim | 4 |
Brandenburg an der Havel | 1 |
Cottbus | 13 |
Dahme-Spreewald | 5 |
Elbe-Elster | 6 |
Frankfurt (Oder) | 7 |
Havelland | 11 |
Märkisch-Oderland | 9 |
Oberhavel | 0 |
Oberspreewald-Lausitz | 2 |
Oder-Spree | 9 |
Ostprignitz-Ruppin | 7 |
Potsdam | 13 |
Potsdam-Mittelmark | 7 |
Prignitz | 2 |
Spree-Neiße | 7 |
Teltow-Fläming | 9 |
Uckermark | 11 |
(Alle Zahlen: www.opferperspektive.de; eingesehen am 10. Mai 2008) |
Die Aussagekraft solcher Zahlen ist gewiss vorsichtig zu bewerten, Brennpunkte in den Regionen Cottbus, Potsdam, im Havelland und in der Uckermark zeichnen sich dennoch ab.
Jan Buschbom / Violence Prevention Network e.V.
Oktober 2008
1. Alle Zahlen zitiert nach: Land Brandenburg. Ministerium des Innern (Hrsg.): Pressekonferenz am 05. März 2008 zum Verfassungsschutzbericht 2007 und zur polizeilichen Statistik Politisch motivierter Kriminalität 2007. Handout. O. A.
2. Zitiert nach: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2007. Vorabfassung. Berlin 2007.
3. www.opferperspektive.de/Home/684.html; eingesehen am 10. Mai 2008.
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