Was tun?

Reaktionsmöglichkeiten der Demokraten

Screenshot Landeszentrale/Quelle Youtube

Die Aufklärung über die Hintergründe der Kesselschlacht von Halbe muss von weiteren Reaktionen der Demokraten auf die Demonstrationen der Rechtsextremisten in Halbe begleitet werden, wobei dem Bekenntnis zum „demokratischen Grundkonsens“ wesentliche Bedeutung zukommt.

Dazu zählt der am 20. September 2006 erfolgte gemeinsame Aufruf des Vorsitzenden des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“, des Landtagspräsidenten, des Ministerpräsidenten und des Stellvertretenden Ministerpräsidenten zu einem „Tag der Demokraten“ am 18. November 2006 in Halbe.

Einen entsprechenden gemeinsamen Entschließungsantrag sollten auch SPD, CDU und Linkspartei.PDS in den Landtag Brandenburg einbringen, wie dies von den Abgeordneten Dr. Scharfenberg (Linkspartei.PDS) und Schippel (SPD) in der Sitzung des Landtags am 13. September 2006 gefordert worden ist. Gemeinsame Anträge mit der Linkspartei.PDS lehnt die Führung der brandenburgischen CDU aber bisher grundsätzlich ab, weil sie jener Partei, das heißt der Mehrheit ihrer Mitglieder, die Zugehörigkeit zum demokratischen Spektrum abspricht.

In der CDU mehren sich allerdings die Stimmen, die diese Position 16 Jahre nach dem Ende der SED aufgrund der mit der Linkspartei.PDS in Brandenburg gemachten Erfahrungen nicht mehr mittragen und es als unglaubwürdig empfinden, wenn ehemaligen Mitgliedern der SED und der ebenfalls staatstreuen DDR-„Blockparteien“ zwar ein Wandel zu Demokraten in der CDU, nicht aber in der PDS abgenommen wird. Daher sollte die CDU-Parteiführung angesichts der Bedrohung durch den Rechtsextremismus nicht länger zur Schwächung des demokratischen Lagers beitragen und einer gemeinsamen Entschließung zustimmen.

Andererseits sind aber gerade die „linken Demokraten“ aufgerufen, sich bei Gegendemonstrationen in Halbe von linksextremistischen Trittbrettfahrern abzugrenzen, die unseren Rechtsstaat ebenfalls ablehnen und sich insoweit faschistoid gerieren, als sie die Rechtsextremisten als „Schweine“ bezeichnen, denen sie keine Grundrechte zubilligen.

Auch die Reaktionen der Demokraten dürfen jedoch den Rahmen des rechtlich Zulässigen nicht überschreiten, worauf Landtagspräsident Gunter Fritsch mehrfach hingewiesen hat.

Daher sollte künftig auf eine - am 18. November 2005 aber erfolgte - Blockade einer gerichtlich genehmigten Demonstration der Rechtsextremen verzichtet werden, auch wenn dies im letzten Jahr in den Medien als „Damm der Demokraten“ oder erforderlicher „ziviler Ungehorsam“ gefeiert worden ist. Tatsächlich wird aber durch eine solche Missachtung einer gerichtlichen Entscheidung unserem demokratischen Rechtsstaat Schaden zugefügt und so letztlich den Extremisten in die Hände gespielt. Die Polizei ist verpflichtet, derartige Blockaden nach Möglichkeit zu verhindern, die sogar eine Straftat darstellen können. Nach § 21 Versammlungsgesetz macht sich nämlich strafbar, wer in der Absicht, eine nicht verbotene Versammlung zu verhindern, „Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht“.

Eine entsprechende und nicht von vornherein abwegige Strafanzeige des Hamburger Rechtsextremisten Christian Worch gegen die friedlichen Gegendemonstranten am 18. November 2005 in Halbe ist allerdings erfolglos geblieben. Die Entscheidung der Polizei, nicht die Auflösung der Gegendemonstration anzuordnen, wodurch den Rechtsextremisten ihre gerichtlich genehmigte Wegstrecke versperrt wurde, erfolgte zur Vermeidung von Konfrontationen aus präventiven Gründen angesichts einer besonderen Konstellation, auf die die Polizei nicht vorbereitet war.

Wider Erwarten war es 2005 nämlich erstmals gelungen, bedeutend mehr Demokraten zu mobilisieren als sich rechtsextreme Demonstranten in Halbe versammelten. Dies sollte entsprechend einer Forderung von Landtagspräsident Fritsch auch dieses Jahr wieder angestrebt werden. Die demokratischen Gegenmaßnahmen in Halbe dürfen sich jedoch nicht in jährlichen Großveranstaltungen erschöpfen, die im Übrigen von den Bewohnern auch als Belastung empfunden werden. Daher hat der Landtagspräsident im Juni 2006 eine aus Angehörigen verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bestehende Arbeitsgruppe unter Federführung von Superintendent Heinz-Joachim Lohmann, dem Vorsitzenden des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“, ins Leben gerufen, die ein alle demokratischen Aktivitäten vor Ort einbeziehendes Gesamtkonzept für eine „Gedenkstätte Halbe“ erarbeiten wird.

Für den Fall, dass trotz eines novellierten brandenburgischen Versammlungsrechtes weiterhin Demonstrationen der Rechtsextremisten in der Nähe des Waldfriedhofes genehmigt werden müssen, sollten auf jeden Fall Maßnahmen getroffen werden, die die Attraktivität des Ortes für rechtsextremistische Aufmärsche vermindern.

Zuvörderst bietet sich an, rechtsextremistischen Demonstranten den Blick auf den Waldfriedhof als Kulisse für ihre Veranstaltungen zu nehmen. Denn dieses Szenario ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer bisherigen Aufmärsche und erklärt ihr großes Interesse, auf der Teichmannstraße in Halbe zum Haupteingang des Friedhofs zu marschieren. Daher sollte der Blick von dem Platz vor dem Haupteingang auf den Friedhof durch einen neu zu errichtenden massiven Eingangsbereich versperrt werden, durch den der Zugang künftig erfolgen müsste und in dem Besucher über den Waldfriedhof und seine Vorgeschichte informiert werden könnten.

Zudem könnte der noch unbenannte Platz dem Reichstagsabgeordneten und früheren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1875-1921) gewidmet werden*, der den Nazis besonders verhasst war, weil er sich während des 1. Weltkrieges für einen Verständigungsfrieden eingesetzt hatte und mit seiner Unterschrift unter den Waffenstillstandsvertrag im November 1918 der 1. Weltkrieg beendet wurde. Deshalb wurde er als erste Symbolfigur der demokratischen Weimarer Republik noch vor dem liberalen jüdischen Reichsaußenminister Walther Rathenau (1867-1922) von Rechtsextremisten ermordet.

An der Verwirklichung einer derartigen baulichen Maßnahme sollte das Land Brandenburg mitwirken, weil das Vorliegen eines „wichtigen Landesinteresses“ im Sinne der Landeshaushaltsordnung gegeben sein dürfte.

In seiner Rede im Landtag zur ersten Lesung des „Gesetzes zur Ersetzung von § 16 des Versammlungsgesetzes“ am 14. September 2006 hat Innenminister Schönbohm die Gründe für ein wichtiges Landesinteresse hinreichend dargetan, indem er ausführte, dass die rechtsextremistischen Aufmärsche in Halbe „das Ansehen unseres Landes innerhalb der Bundesrepublik Deutschland“ beschädigen und „das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates“ zerstören: „Die Würde der in Halbe ruhenden Opfer von Krieg- und Gewaltherrschaft zu bewahren, ist darum unsere Pflicht und unsere Verantwortung“. Es dürfe als „legitime Aufgabe des Staates verstanden werden“, Gräberstätten vor der Beeinträchtigung ihrer „gesetzlich verankerten Bildungs- und Erziehungsfunktion“ zu schützen.

Auch nach den „Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ der Landeshaushaltsordung ist eine derartig dauerhafte Lösung der kostenaufwändigen Organisation jährlicher Großveranstaltungen vorzuziehen. Für die Neugestaltung des Eingangsbereichs des Waldfriedhofs müssten einmalig Mittel in den Haushalt eingestellt werden. Dabei würden keine aufwändigen Erschließungsarbeiten und nur geringe Folgekosten anfallen. Der für diese Baumaßnahme zu nutzende Teil des sich im Eigentum des Kreises befindlichen Grundstückes könnte dem Land per Besitzüberlassung übertragen werden. Der Denkmalschutz dürfte angesichts des vorliegenden Landesinteresses keine unüberwindbare Hürde darstellen.

Des Weiteren sollte die Erinnerungskultur in Halbe dadurch fortentwickelt werden, dass die von der Gemeinde Halbe, dem Amt Schenkenländchen und dem Landesverband Brandenburg des „Volksbundes“ getragene, in der sanierungsbedürftigen Alten Schule in der Kirchstraße notdürftig untergebrachte „Denkwerkstatt Halbe“ zu einer Jugendbegegnungsstätte für Schüler und junge Soldaten erweitert wird, in der dem rechtsextremistischen „Heldengedenken“ durch friedenspädagogische Projektarbeit entgegengewirkt werden könnte.

Eine Jugendbegegnungsstätte an dem Ort des größten deutschen Soldatenfriedhofs im Inland dürfte angesichts der dort stattfindenden rechtsextremistischen Aufmärsche überfällig sein, zumal die Kultusministerkonferenz am 27. April 2006 in den Jahren 1968 und 1988 gefasste Beschlüsse über die „Berücksichtigung der Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in den Schulen“ bekräftigt und gewürdigt hat, dass die vom „Volksbund“ unterhaltenen Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten „pädagogische Module zur fächerverbindenden und fachübergreifenden historisch-politischen Bildung, zur Gewalt- und Konfliktbewältigung“ anbieten: „Die Kultusminister treten dafür ein, dass die Schulen auch weiterhin an den Aufgaben des Volksbundes mitwirken und damit eine nachhaltige Erziehung zum Frieden fördern“.

Mit Schreiben vom 30. März 2006 hat der Präsident des Landtags Brandenburg dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg ein „Pädagogisches Konzept der Jugendbegegnungsstätte Halbe“ übersandt und um Bereitstellung von Mitteln zur Realisierung des Vorhabens gebeten. Dabei hat der Landtagspräsident darauf hingewiesen, dass damit auch dem dringenden Bedürfnis der Bürger von Halbe entsprochen werden würde, in der Öffentlichkeit mit dem Ort nicht nur Aufmärsche von Rechtsextremisten zu verbinden.

Das Land Brandenburg würde mit einer Unterstützung der Errichtung auch baulicher Bollwerke der Demokraten gegen die Aufmärsche der Rechtsextremisten in Halbe einmal mehr beweisen, dass es den Kampf gegen den Rechtsextremismus mit beispielhafter Entschlossenheit führt.

Erardo und Katrin Rautenberg

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