Europäische Vernetzung

Eigentlich, so der Politikwissenschaftler Richard Stöss, gebe es ja „gute Gründe“ für eine internationale Kooperation der extremen Rechten:

„Im Kontext der wachsenden ökonomischen und politischen Globalisierung werden für Nationalstaaten folgenreichende Entscheidungen zunehmend in internationalen Gremien gefällt. Will der Rechtsextremismus mehr sein als die Summe nationaler Sammelbecken für Protest gegen sozialen Wandel, technologische Modernisierung und Multikulturalität, will er seine fundamentalen Ziele auch wirklich politisch realisieren, dann muss er auch global denken und handeln, dann muss er auch in der internationalen Politik als Akteur auftreten.“

Die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament bietet zudem bedeutende materielle Vorteile (Abgeordnetendiäten, Mitarbeiterstellen, finanzielle Mittel). Nun gibt es tatsächlich eine Reihe von Versuchen, die extreme Rechte in Europa stärker zu vernetzen. In exemplarischer Weise sollen im Folgenden einige dieser Projekte vorgestellt werden:

Merchandising – Rechtsrock – internationale Events

Am weitesten entwickelt ist die länderübergreifende Zusammenarbeit beim Handel mit Szene-Kleidung, Nazi-Devotionalien und Rechtsrock. Hier werden gezielt die Vorteile einzelner Länder ausgenutzt. So wird z. B. Dänemark aufgrund seiner liberalen Gesetzgebung gern als Vertriebsstandort gewählt. Ideologische Differenzen werden bei derartigen Kooperationen zurückgestellt, um nationale Strafverfolgungsbehörden auszukontern und Gewinne zu erzielen.

Erfolgreich sind die europäischen Rechtsextremisten auch bei der Organisation von internationalen Großveranstaltungen. Zu den in Deutschland etablierten regelmäßigen Veranstaltungen gehören unter anderem das Pressefest der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“, das von der NPD veranstaltete „Fest der Völker“ sowie der jährliche Nazi-Aufmarsch zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens.

Zu erwähnen sind in diesem Kontext auch die zahlreichen Nazi-Rock-Konzerte mit internationaler Beteiligung, die von länderübergreifenden Netzwerken (z. B. „Blood & Honour“) organisiert werden.

Ein wichtiges Kommunikationsmedium der extremen Rechten ist das Internet. Auch hier wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Server in Ländern zu nutzen, in denen die Meinungsfreiheit sehr weit ausgelegt wird. Und doch ist die Nutzung des Internets nicht gleichbedeutend mit länderübergreifender Kommunikation.

Ein Beispiel: „Altermedia“, eines der wichtigsten rechtsextremen Internetportale gibt es in mehreren europäischen Ländern und in den USA. Es handelt sich hier allerdings nicht um einen gemeinsamen Internetauftritt, sondern um länderspezifische Websites. Die verschiedenen „Altermedia Sites“ anderer Länder werden zwar in einer Linkleiste zum Anklicken bereitgestellt. Die Zahl der Nutzer, die sich die „Altermedia“-Site eines anderen Landes anschauen, dürfte allerdings eher gering sein.

Das Ausmaß der internationalen Kooperation hat inzwischen ein beachtliches Niveau erreicht. Dabei ist allerdings eines zu beachten: Es handelt sich hier nicht um internationale Organisationen, sondern um Netzwerke mit eher lockeren und flexiblen Strukturen.

Sobald es darum geht, verbindliche und längerfristige Formen der Zusammenarbeit zu etablieren, gibt es Schwierigkeiten. Besonders deutlich wird dies bei Kooperationsversuchen auf Parteien- bzw. Fraktionsebene.

European National Front

Ein Beispiel ist das 2004 gegründete Parteienbündnis „European National Front“ (ENF). Der offen neofaschistischen bzw. -nazistischen ENF gehören neben der NPD die folgenden Parteien an: „Forza Nuova“ (Italien), „La Falange“ (Spanien), „Noua Dreapta“ (Rumänien), „Renouveau Francais“ (Frankreich), „Chrysi Avgi“ (Griechenland).

Beitrittskandidat ist der „Bulgarische Nationalbund“. Auf ihrer Homepage bekennt sich die ENF zu einem „Europa der Vaterländer“. Die „massive illegale Einwanderung“ wird ebenso abgelehnt wie „die Mitgliedschaft Israels und der Türkei in der Europäischen Union“.

Die ENF propagiert „den Aufbau einer neuen Weltordnung gegen den US-amerikanischen Imperialismus“. Sie sei „für den Schutz des Lebens und die traditionelle Familie“ und „gegen die verbrecherische Abtreibungspraxis, gegen die Homosexuellen-Ehe und gegen Adoptionen von Kindern durch homosexuelle Paare“.

Schon der Zustand der ENF-Homepage (die letzte Eintragung im deutschsprachigen Teil stammt vom Juli 2007) zeigt, dass das Engagement der beteiligten Parteien für dieses Projekt eher gering ist.

Gebhard Schultz, April 2009

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