Gedenkstättenschutz

Nicht zu den strafrechtlichen Regelungen gehören die sog. „Gedenkstättenschutzgesetze“. Mit dem „Versammlungsgesetz“, das regelt wie Versammlungen angemeldet und genehmigt werden, sind sie vielmehr Teil des Ordnungsrechts. Nach Paragraf 15, Absatz 2, können Versammlungen und Aufzüge verboten werden, wenn sie an Orten statt finden, die „als Gedenkstätte[n] von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinner[n]“.

Die Bundesländer haben die Möglichkeit, in sog. „Gedenkstättenschutzgesetzen“ solche Orte in ihrem Hoheitsgebiet zu bestimmen. Etwa das am 03.05.2005 in Brandenburg erlassene „Gesetz zum Schutz von Gräber- und anderen Gedenkstätten, die der Erinnerung an Opfer von Krieg oder Gewaltherrschaft gewidmet sind (Gedenkstättenschutzgesetz)“. Es erklärt in zwei Teilen zunächst die ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen (Oranienburg) und Ravensbrück (Fürstenberg / Havel) zu Orten gemäß § 15 (2) des Versammlungsgesetzes. In einem zweiten, „gräberrechtlichen“ Teil werden die Schutzbestimmungen auf „alle Orte, an denen sich Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ befinden, ausgeweitet. Im Gesetzesentwurf heißt es u. a. zur Begründung:

dass die Überlebenden des Holocausts und die Staaten, deren Staatsangehörige Opfer von Krieg oder Gewaltherrschaft waren, darauf vertrauen können, dass das Land Brandenburg die ihm möglichen Anstrengungen unternimmt, die Würde der Opfer zu schützen und ihre Gräberstätten als Orte zu erhalten, an denen ihrer ungestört gedacht werden kann.
Drucksache 14/1117 des brandenburgischen Landtages“

Paragraf 4 des „Gedenkstättenschutzgesetzes“ ermöglicht insbesondere Veranstaltungsverbote auf Soldatenfriedhöfen.

Denkort Halbe

DenkOrt Halbe
Bürger aus der Region kämpfen seit Jahren dafür, dass der Waldfriedhof Halbe nicht zum Wallfahrtsort von Neonazis wird. Diese hatten bis 2007 "Heldengedenken" veranstaltet.

Der Gesetzentwurf nennt ausdrücklich die Erfahrungen mit dem Waldfriedhof in Halbe (Landkreis Dahme-Spreewald) als Motivation, wo ca. 17.000 deutsche Soldaten begraben liegen, die während des sog. „Kessels von Halbe“ (25. bis 28. April 1945) fielen, nachdem der kommandierende General der 9. Armee, Theodor Busse, ein Kapitulationsangebot der Roten Armee abgelehnt hatte. Über die Jahre mauserte sich der „Heldengedenktag“ (der „Volkstrauertag“, zwei Sonntage vor dem 1. Advent – die Nationalsozialisten hatten ihn 1933 umbenannt), in Halbe zu einem der beliebtesten Termine im rechtsextremen Veranstaltungskalender.

Erstmals marschierten 1990 Neonazis in Halbe auf. Zwischen 1992 und 2002 wurden mit Hinweis auf den gesetzlichen Schutz von Feiertagen Veranstaltungsverbote durchgesetzt, die seit 2003 dadurch umgangen werden konnten, dass die Veranstaltung am Abend vor dem „Volkstrauertag“ angemeldet wurde.

In 2003 demonstrierten 650 Neonazis in Halbe, in 2004 waren es 1.600. Mit Beschluss vom 17. Juni 2005 urteilte das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, dass das Gedenkstättenschutzgesetz für eine räumliche Beschränkung neonazistischer Aufmärsche auf den Bahnhofsvorplatz von Halbe nicht in Betracht komme. Es gelte, wie es hieß, die „gebotene Rücksichtnahme auf die Würde des Ortes“ gegen die „Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“ abzuwägen (Pressemitteilung vom 17.6.05). Und da der Waldfriedhof Halbe vom Landesgesetzgeber nicht zum besonders geschützten Ort nach § 15 (2) des Versammlungsgesetz erklärt worden sei, komme das Gedenktsättenschutzgesetz nicht zur Anwendung.

So marschierten am 11. November 2005 erneut rund 1.600 Neonazis auf, die jedoch von zahlreichen Gegendemonstranten auf dem Weg zum Friedhof aufgehalten wurden. Als die Rechtsextremisten gewaltsam versuchten durchzubrechen, löste die Polizei die Veranstaltung auf. Um solche Blockaden durch Gegendemonstranten wirkungslos zu machen, hat der Hamburger Neonazi Christian Worch für den nächsten Aufmarschtermin in Halbe am 11. März 2006 zwei verschiedene Veranstaltungen angemeldet, mit jeweils unterschiedlichen Routen.

Das brandenburgische Beispiel zeigt, dass auch dort, wo Gesetze nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers auf ein rechtsextremes Klientel zielen, diese sich vor der Spruchpraxis der beteiligten Gerichte bewähren müssen: Im konkreten Fall stellte das Oberverwaltungsgericht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit besonders heraus.

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Liebe Mitarbeiter der Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung,
ich schreibe derzeit eine Hausarbeit zu dem brandenburgischen Versammlungsgesetz und ihr Artikel ,,Gedenkstättenschutz" stellt sich für mich als äußerst hilfreich dar.
Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn sie den Verfasser bekanntgeben könnten, damit ich die Informationen für meine Arbeit nutzen kann.
Vielen Dank!

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