Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist nach wie vor mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. So wurden in Brandenburg bisher hauptsächlich die Täter/innen der Führungsebene oder die Organisationsstruktur thematisiert. Lokale NS-Täterinnen und -Täter, Ausgrenzung und Verfol-gung vor Ort wurden bisher kaum aufgearbeitet. Das Projekt „ORTSBEGEHUNG – Stadtrecherchen zu Shoah und Täterschaft“ der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg setzt an dieser Stelle an, untersucht die lokale NS-Täter/innenschaft in Brandenburg und Sachsen und macht diese für Jugendliche und Multiplikator/innen zugänglich.
Das Fachgespräch „Auseinandersetzung mit NS-Täter/innen“ soll die verschiedenen Ebenen der Auseinan-dersetzung mit NS-Täter/innenschaft näher beleuchten. Es wird aufgezeigt, in welchem Kontext die aktuelle historisch-politische Bildungsarbeit zu Shoah und Täter/innenschaft zu verorten ist. Woher stammt das (Vor)Wissen von Ju-gendlichen der 3. und 4. Generation in Bezug auf NS-Täter/innen? Welche Bilder von NS-Täter/innenschaft prä-gen heute ihre Vorstellungen? Inwiefern findet eine offene Auseinandersetzung mit NS-Täter/innenschaft auf lokaler Ebene statt und welche Reaktionen der Öffentlichkeit sind zu erwarten?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden beginnt das Fachgespräch mit einer Einführung in die aktuellen Kontro-versen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen mit NS-Täter/innenschaft. Vertiefend werden anschließend verschiedene Bereiche in den Blick genommen, in denen Bilder von Täter/innen produziert und vermittelt werden. Der Fokus liegt dabei auf der Vermittlung dieser Bilder durch Filme, Familienerinnerungen und auf der bildungspolitischen Ebene. Eine Führung durch die Gedenkstätte Sachsenhausen ergänzt diese Betrachtungen um einen praktischen Einblick in die Gedenkstättenarbeit. In der ab-schließenden Podiumsdiskussion diskutieren Vertreter/innen aus Wissenschaft, politischer Bildungsarbeit und Zivilgesell-schaft über Erfahrungen aus der lokalen Auseinandersetzung mit NS-Täter/innenschaft.
Programm
09.30 Uhr Anmeldung
10.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Monika Knop, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, und
Inka Thunecke, Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg
10.15 Uhr
Führung durch die Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen Auseinandersetzung mit Täter/innenschaft in der Gedenkstättenarbeit
Dr. Astrid Ley, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
11.30 Uhr Vortrag
Aktuelle Kontroversen und gesellschafts- politische Auseinandersetzungen mit NS-Täter/innenschaft
Prof. Dr. Rolf Pohl, Universität Hannover
12.15 Uhr Mittagspause
13.15 Uhr Vortrag
NS-Täter/innen im (Spiel-)Film
Dr. Sonja M. Schultz, Filmjournalistin
14.00 Uhr Vortrag
Der Dialog über die Shoah in Täter/innen-Familien
Dr. Iris Wachsmuth, Freie Universität Berlin
14.45 Uhr Kaffeepause
15.15 Uhr Podiumsdiskussion
Lokale Auseinandersetzung mit NS-Täter/innenschaft – Perspektiven und Erfahrungen aus Wissenschaft, politischer Bildungsarbeit und Zivilgesellschaft
Hermann G. Abmayer, Herausgeber des Buches „Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder“
Dr. Annette Leo, Autorin „Das ist so’n zweischneidiges Schwert hier unser KZ… - Der Fürstenberger Alltag und das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“
Dr. Andrés Nader, Projekt „Antisemitismus in Ost und West – Lokale Geschichte sichtbar machen“
Dr. Christine Pieper, Mitherausgeberin des Buches „Braune Karrieren. Dresdner Täter und Akteure im Nationalsozialismus“
Dr. Andrea Riedle, Konzept und Realisation der Ausstellung „Die Stadt und das Lager. Oranienburg und das KZ“
Moderation: Dr. Astrid Ley, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Getränke und Verpflegung werden am Tagungsort gegen einen Unkostenbeitrag angeboten.Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes "Ortsbegehung - Stadtrecherchen zu Shoah und Täterschaft" und in Kooperation mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und „Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen“ statt und wird im Rahmen des Bundesprogramms "TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
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Kommentare
KommentierenWer sind denn "Täter"?
Interessant waren vor allem die inhaltlichen Inputvorträge, die den Forschungsstand der Täterforschung in der Sozialpsychologie, den Filmwissenschaften und der Biographieforschung dargestellt haben, wenn auch manchmal etwas wenig zuhörerfreundlich präsentiert. Auch die Führung durch die Gedenkstätte hat einen guten Einstieg in das Thema ermöglicht.
Wünschenswert wäre eine verbindende Moderation gewesen, die Aussagen der Referenten aufgreift, zuspitzt und so eine Diskussion ermöglicht - nicht nur ein Nachfragen. Das Publikum schien motiviert und die Besucher professionell mit dem Thema zu tun zu haben.
Für die Organisatoren mag erschwerend hinzugekommen sein, dass Dr. Astrid Ley, die die Führung machen und das letzte Panel moderieren sollte, ausgefallen ist. Schade, wenn erst am Ende einer ganztägigen Veranstaltung die Frage aufgeworfen wird, was eigentlich unter "Tätern" verstanden werden kann.
Interessant war die große Bandbeite der angeschnittenen Themen und Disziplinen. Das Panel mit fünf Diskutanten sprengte leider den Zeitrahmen. Als Vorschlag für eine zukünftige Veranstaltung könnte man das Publikum in kleine Gruppen mit je einem Panelteilnehmer teilen und so in einen Austausch über die Arbeit vor Ort zu treten.
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