Nationale Stereotypen und Film in Deutschland und Polen

Veranstaltung

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Pünktliche Kapitalisten und katholische Autodiebe Die Nachbarschaft von Deutschland und Polen ist geprägt von Vorurteilen. Bilder vom fremden Land in unseren Köpfen sind nationale Stereotypen. Sie ermöglichen uns, das „Andere“ einzuordnen. Sie blockieren jedoch auch den Blick für das Tatsächliche, nehmen die Möglichkeit der Unvoreingenommenheit. Es gibt kaum ein besseres Sinnbild für die schwierige Freundschaft zwischen Polen und Deutschen als die alten Sitzbänke entlang der Oder in Frankfurt und Slubice: Sie stehen mit der Lehne zum Fluss, voneinander abgewandt. In der Woche nach Ostern werden sich junge Leute aus Frankfurt/Oder und Slubice im Rahmen eines Workshops mit polnischen und deutschen Stereotypen auseinander setzen. Sie werden sich damit befassen, welche Bilder vom Anderen in den jeweiligen Köpfen stecken. Sie werden sich selbst fragen, einander fragen und sie werden hinausgehen in ihre Städte und sich auch dort mal erkundigen. Begleitet wird der Workshop durch eine Filmreihe zum Thema, die für die Bevölkerung beider Städte offen ist. Der Urfeind des Polen im Film Was hat Film damit zu tun? Als bilderproduzierendes Medium ist Film gut geeignet, stereotype Bilder und Vorstellungen nicht nur zu zementieren und zu popularisieren, sondern sie überhaupt zu erschaffen. In der Volksrepublik Polen wurde unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg von der politischen Führung gezielt ein umfassendes Stereotyp des Deutschen als Feind konstruiert, das vor allem durch den Film verbreitet wurde. Die hier transportierten Muster haben sich in das kollektive Bewusstsein tief eingeschrieben. Bestimmte Werke werden bis heute im TV wiederholt und erfreuen sich großer Popularität. Sie gehören auch zum Kanon der heute jungen Generation - z.B. die Kriegsheldenserie „4 Panzerfahrer und ein Hund“, oder die Kriegskomödie „Wie ich den 2. Weltkrieg entfesselte“, die im Jahr 2000 nachträglich koloriert wurde. Ist den Menschen, die weder den 2. Weltkrieg noch den Kalten Krieg wirklich miterlebt haben, bewusst, dass sie da - im Hinblick auf die Darstellung des Deutschen - beste Propagandaware sehen, getarnt im Unterhaltungsmäntelchen? Das Bild des Deutschen und Deutschlands aus der Zeit des Kalten Krieges - als ständige Bedrohung Polens, als Urfeind, als Inbegriff des Bösen wirkt bis heute nach. Der unbekannte Pole Und die Deutschen? Was sehen sie im Polen? Im 19. Jahrhundert - zur Zeit des Völkerfrühlings - waren Polen gerade den Deutschen ein Vorbild, wenn es darum ging, für die eigene Freiheit zu kämpfen, neue Ideen zu verfechten - eine Polen-Begeisterung ging um. Der Kalte Krieg rückte das Land im westdeutschen Bewusstsein an den Rand des Ural; es gab einfach keinen Kontakt. Vor der Wende gab es in der Bundesrepublik überhaupt kein Polenbild. Dies drückt sich nicht zuletzt aus darin, dass das Land und seine Vertreter im westedeutschen Film einfach nicht vorkommen. Was die DDR anging, so war die Bruderschaft eine von oben verordnete, die sich in der Realität kaum niederschlagen konnte. Zwei Mangelwirtschaften prallten aufeinander und bereiteten den Boden für Missgunst: Hier gab es Südfrüchte, dort Reisefreiheit. Nach dem Fall der Mauer kamen die Händler, Autodiebe, Saisonarbeiter, Prostituierte und Putzfrauen. Jetzt und hier: Schnappschüsse Das Bild des Anderen entspricht oft nicht der jeweiligen Realität im benachbarten Land. Unsere stereotypen Bilder voneinander sind - psychologisch betrachtet - gebräuchliche Hilfsinstrumente, die komplexe Gegenstände und Zusammenhänge („Die Deutschen“) begreiflich und anschaulich machen. Je besser man dieses Andere kennt, desto komplexer wird das Bild und desto mehr entfernt es sich von stereotypischen Zuschreibungen. Frankfurt/Oder und Slubice sind in dieser Hinsicht Test-Orte: Hier lebt man doch nahe beieinander, hier konnte man sich doch längst „beschnüffeln“ und sich ein eigenes Urteil über das Nachbarvolk fällen. Die Geschichte der gegenseitigen Stereotypen der Deutschen und der Polen ist lang, das Feld ist weit. In diesem Projekt geht es darum, ein Streiflicht zu werfen auf diesen Komplex, die Frage danach zu stellen und zu sensibilisieren dafür, dass es diese Bilder gibt und dass sie ihre Wirkung tun. Die Jugendlichen aus beiden Städten werden mit einer Kamera auf den Straßen unterwegs sein und als Film festhalten, was sie erfahren, sie werden nachspüren und überprüfen, wie es hier steht um die Bilder vom Anderen. Denken Sie mal nach - auch Sie könnten gefragt werden...

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