Fotos: Stefan Gloede und Landeszentrale
Grußwort zur Eröffnung am 19. Mai 2015
Vor einem Jahr waren wir um diese Zeit dabei, den WAHL-O-MAT für Brandenburg mit einer Truppe junger Menschen, zu erarbeiten. Das kleine Onlinespiel soll die Ziele und Schwerpunkte der Parteien, die zur Wahl antreten, auf den Punkt bringen. Hier stießen wir immer wieder auf das Wort: „Willkommenskultur“. Es zog sich magisch durch die Programme der Parteien und ließ uns fortan nicht mehr los.
Man kann nur denjenigen Menschen willkommen heißen, der als Gast vor der Tür steht. Der sich aus welchen Gründen auch immer entschieden hat, sein Heimatland zu verlassen, der in so großer Angst um sein Leben, seine Würde und seine Existenz lebt, dass er bereit ist, alles Vertraute hinter sich zu lassen, um sich in ein Land aufzumachen das ihm Schutz bietet.
Daher kommt man nicht umhin, über Fluchtursachen, Flucht, europäisches staatliches Handeln und auch über unsere persönliche Verantwortung nachzudenken.
Wir haben nicht vorhersehen können, dass sich das Thema in den folgenden Monaten in so brisanter Art und Weise zuspitzen und alle Bürger dieses Landes umtreiben würde. Das Ertrinken mehrerer 1.000 Flüchtlinge vor den Küsten Europas, der dringende Verdacht der Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Hannover und auch der Brandanschlag in Zossen rauben uns den Schlaf und die Debatten, welcher juristischen Regelungen es bedarf und wie adäquat gehandelt werden muss, reißen nicht ab.
Wie können hier politische Bildung und gesellschaftliches Handeln miteinander verzahnt werden? Darüber haben wir lange nachgedacht und mit unseren Partnern, freien Trägern und Verbündeten im Netzwerk „Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg“ debattiert. Wir erklärten das Thema „Willkommenskultur“ zu einem Schwerpunktthema unserer Förderungspraxis. Das Resultat sind zahlreiche Aktionen, Seminare und Projekte vor Ort.
Die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung hat die Karikatur als kürzeste und vielleicht prägnanteste Form politischer Bildung zu Beginn ihrer Arbeit in den 1990er Jahren entdeckt und seither regelmäßig ausgestellt. Karikaturisten beschreiben und beurteilen in der ihnen eigenen, oft sehr durchdachten und komprimierten Weise die Welt und halten uns den Spiegel vor. Vieles möchten wir so nicht zur Kenntnis nehmen, weil es uns ein schlechtes Gewissen macht, weil es uns erschreckt, bedrückt und auffordert, Partei zu ergreifen und zu handeln. Aber bei diesem Thema wollten wir nicht nur diese eine Seite zeigen.
Denn unabhängig davon, wie sich die Weltlage entwickelt, egal wie die Debatten im Parlament um Veränderungen im Asylrecht enden, ungeachtet der letzten PEGIDA, LEGIDA, BREGIDA oder anderer mehr oder weniger fremdenfeindlicher Demonstrationen, irgendwann stehen die Flüchtlinge vor uns und dann sind wir als Menschen ganz persönlich gefragt.
Gemeinsam mit zahlreichen Akteuren vor Ort suchten wir sie, die Menschen, die dann die Ärmel hochkrempeln und sich den Grund- und Menschenrechten verpflichtet sehen. Die sich fragen: Was kann ich tun? Ohne zu jammern und sich wegzuducken. Sie geben ehrenamtlich Deutschunterricht, spenden Möbel, Kleidung und Fahrräder, organisieren Feste und helfen den Fremden, Vorschriften zu verstehen, die auch uns manchmal Mühe machen.
Einige von ihnen wollen wir vorstellen und damit stellvertretend alle Aktiven in Brandenburg würdigen. Diese Ausstellung ist, wie fast alle Ausstellungen in diesem Hause, ein Produkt der Landeszentrale. Stefan Gloede hat die Porträts gefertigt und Martina Schellhorn hat die ehrenamtlich Engagierten befragt und die Gesamtausstellung kuratiert. Wir bedanken uns für das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, sowohl von den Karikaturisten als auch von den Interviewten, die uns Einblick in ihr Leben boten. Uns ist es wichtig zu zeigen, wie vielfältig das Engagement für eine gelingende Willkommenskultur im Lande ist, und dass nicht selten die Zivilgesellschaft das auffängt, was die Politik versäumt.
In diesem Jahr gedenken wir in besonderer Weise des Endes des Zweiten Weltkrieges, der millionenfach Leid, Flucht und Tod verursachte. Die Konsequenz daraus war auch das Grundrecht auf Asyl. Die demokratischen politischen Parteien in Brandenburg sind sich dessen sehr bewusst. Daher suchen sie aktuell nach den richtigen Rahmenbedingungen, ringen um sinnvolle Lösungen, um diesem Asylrecht Geltung zu verschaffen. Es ist nicht einfach und nicht selten sieht es so aus, als ob sie den gesellschaftlichen Nöten hinterher laufen. „Willkommenskultur“ in die politischen Programme zu schreiben, ist also nicht wohlfeil und bequem. Dieser Programmpunkt verlangt internationale und europäische Kooperation, Weitsicht, praktisches Verständnis und menschliche Wärme.
Ungeachtet aller Unvollkommenheit und aller Probleme – eine wichtige Erfahrung haben alle gemacht, die Flüchtlingen begegnen, sie kennenlernen und in ihre Gemeinschaften aufnehmen: Sie spüren ein selten gewordenes Glücksgefühl. Vielleicht ist dieses Gefühl auch das, was gemeint ist, wenn von Menschenwürde gesprochen wird. Denn die Würde des Anderen hat auch mit der eigenen Würde zu tun.
Martina Weyrauch, Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung
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