Frischer Schnee auf Bergkuppen, eine Winterlandschaft, die zum Ski-Langlauf einlädt oder ein einsam-romantischer See – die Fotografien von Thomas Kläber zeigen auf den ersten Blick urlaubs-idyllische Orte. Doch wenn sich ein Großraumbagger wuchtig ins Bild schiebt oder spielzeugklein am Horizont zu erkennen ist, müssen die ersten Eindrücke korrigiert werden. Jeder, der einmal vor den gleichermaßen faszinierend und bedrohlich wirkenden Schaufelradbaggern stand und die Verlassenheit der weiten, grau-hügeligen Landschaft spürte, weiß die Motive auf Kläbers Bildern richtig einzuordnen.
Ich würde mein Geld auf die Sonne und die Solartechnik setzen. Was für eine Energiequelle! Ich hoffe, wir müssen nicht erst die Erschöpfung von Erdöl und Kohle abwarten, bevor wir das angehen." Thomas Alva Edison (1847-1931), amerikan. Erfinder und Unternehmer
Die scheinbare Idylle ist die Hinterlassenschaft der Braunkohleförderung im Lausitzer Revier, dem zweitgrößten der Bundesrepublik Deutschland. Die Bilder dokumentieren eine großflächige Zerstörung. Die vermeintlichen Gebirge sind Abraumhalden, die in bizarren Aufschüttungen zurück bleiben, wenn Braunkohle gefördert wird.
So erklärt, sehen andere Motive nicht mehr nur romantisch aus, sondern auch spröde und unwirtlich. Manche Abbildungen erinnern an ferne Regionen, in denen durch Trockenzeiten jedes Leben unmöglich scheint. Ganz falsch ist diese Annahme nicht. Abraum lässt sich nicht in fruchtbare Erde wandeln.
Die als Renaturierung bezeichnete Beseitigung dieser Hinterlassenschaften und ihre Wandlung in begrünte Natur ist ein mühsamer und vor allem langwieriger Prozess. Es dauert Jahrzehnte, bis aus ehemaligen Braunkohlegebieten künstliche Wasserlandschaften werden und maritime Freizeitfreuden zur gewinnbringenden Realität.
Die Pläne für die Umgestaltung von mehr als 14.000 Hektar sind schön anzusehende Visionen von großen Seen, breiten Badestränden und modernen Hotels, inklusive neuer Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete. Von den Verlusten, die diesen Tourismusregionen vorausgingen, wird dann nichts mehr zu sehen sein. Nicht nur Wälder, Wiesen und landwirtschaftliche Nutzflächen sondern auch Dörfer samt Kirchen und Friedhöfen mussten der Braunkohle weichen. Seit 1924 sind im Lausitzer Revier 136 Orte verschwunden und mehr als 30.000 Menschen umgesiedelt worden. Ihre Häuser gibt es nicht mehr.
Horno, ein Dorf in der Niederlausitz, wurde berühmt als Symbol des Widerstandes. Seit 1977 hatten sich die Bewohner gegen den Abriss gewehrt, immer wieder Hoffnung geschöpft und den Versprechen von Politikern geglaubt. 2004 kamen die Abrissbagger, 2005 wurde das letzte Haus geräumt. Der Energiekonzern zahlte gut und baute fünfzehn Kilometer entfernt Neu-Horno auf.
Doch nicht jeder verkraftet den Verlust der Heimat. Am Beispiel von Horno ist bis heute der Konflikt zu erkennen, dem sich Politiker stellen müssen: Auf der einen Seite den Schutz von Heimat, Besitz und Natur zu garantieren – auf der anderen Seite die Erzeugung von Energie und die Schaffung von Arbeitsplätzen durchzusetzen.
Thomas Kläber kennt den Zwiespalt, den die Braunkohle auslöst. Seit über 30 Jahren fotografiert er seine Lausitzer Heimat. Ihn interessieren die gewaltigen Eingriffe in die Natur und die langsam neu entstehenden Landschaften. In seinen Bildern, in denen oft Faszination und Erschrecken dicht beieinander liegen, dokumentiert er unsentimental die sich wandelnden Realitäten und schafft es, unparteiischer Beobachter zu sein.
Anders als Werner Jaschinsky, dessen phantasievolle und assoziative Materialbilder das Resultat seiner Auseinandersetzung mit zerstörten Landschaften sind. Neben Folie, Papier, Holz und Farbe verarbeitet er auch Erde, Sand und Steine und manchmal Fundstücke, die wie Zeichen einer fernen Zivilisation wirken. Inspirieren lässt sich Jaschinsky auch von den jahreszeitlichen Veränderungen, die die Eintönigkeit verlassener Tagebaue bei Schnee und Frost in Flächen mit geheimnisvollen Linien wandeln. Bei den Titeln seiner Bilder bedient sich Jaschinsky auch des geologischen Vokabulars aus dem Bergbau. Von Exploration spricht der Fachmann, wenn es um die Erkundung der Lagerstätten von Rohstoffvorkommen geht.
Jaschinsky meint mit seinen „Explorationen“ eine sinnbildliche Entdeckungsreise und erfindet in einer Bilder-Serie Muster und Strukturen, die es zu dechiffrieren gilt. Bei den „Sortierungen“ gibt er Steinen und (Holz)-Kohle eine Ordnung, die nicht der Natur entspricht, sondern wie zu einer Demonstration – wofür? wogegen? – versammelt sind. Die Beantwortung der Fragen überlässt der Künstler dem Betrachter.
Als „Renaturierungsversuch“ bezeichnet Werner Jaschinsky seine Sicht der Wiederherstellung von Lebensräumen, die er als Draufsicht deutlich macht. Zunächst bedrängt und eingeklemmt wie im Fadenkreuz des Beobachters, versucht sich ein Moos-Stück in schwarzer Fläche zu behaupten, um auf einem nächsten Bild wie befreit die mühsame und langwierige Wandlung von unfruchtbarem Abraum zu begrünten Landschaften zu verdeutlichen.
Diese Arbeiten sind zugleich ein nachdenklich-optimistischer Appell, behutsam mit der Welt umzugehen, in der wir leben.
Landeszentrale, Oktober 2013
Hintergrund
Seit die Bundesregierung den Atomausstieg bis 2022 beschlossen hat, ist die Suche nach alternativen Energiequellen besonders dringlich. Gutachten und Studien werden sowohl von politischen Entscheidungsträgern als auch von Unternehmen in Auftrag gegeben. Häufig widersprechen sich die Ergebnisse. Meinen die einen Wissenschaftler, dass die Einstellung der Braunkohleförderung möglich sei, weil der Bedarf durch alternative Energiegewinnung gedeckt würde, kommen andere Fachleute zu dem Schluss, dass die Braunkohleförderung weiter ausgebaut werden müsse. Zum Weiterlesen
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