Solidarität mit flüchtigem Mahler: „Wir sind Horst“

Ex-RAF-Terrorist, Anwalt im NPD-Verbotsverfahren, fanatischer Antisemit: Horst Mahler ist seit vielen Jahren eine der bekanntesten Figuren der rechtsextremen Szene. Seit einigen Tagen ist er auf der Flucht.

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„Wir sind Horst“ - in sozialen Medien demonstrieren Neonazis so ihre Solidarität mit Horst Mahler – in Anlehnung an den Spruch „Je suis Charlie“ nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. In Dessau gingen Rechtsextreme auf die Straße und hielten eine Mahnwache für Mahler ab. In Wien tauchten Graffitis für den fanatischen Judenhasser auf. Der 81-Jährige hatte zuvor verkündet, er sei geflüchtet, um nicht erneut ins Gefängnis zu müssen.

Mahler, der mit seiner Ehefrau in Kleinmachnow in Brandenburg lebt, war bereits mehrfach verurteilt worden – wegen Gefangenenbefreiung, Raub sowie wegen Volksverhetzung. Eine Kostprobe seiner Hasstiraden hatte Mahler zuletzt bei einer Veranstaltung am 9. April an einem unbekannten Ort gegeben. In einem 15-minütigen Video von seiner Rede, das von der Plattform „Nordland TV“ veröffentlicht worden war, verbreitete Mahler erneut krassen Antisemitismus – und erntete dafür großen Beifall der Anwesenden. „Die Juden tanzen uns auf der Nase rum“, erklärte Mahler. Sie seien nicht nur Propagandisten des Völkermords, sondern auch verantwortlich die „Entvölkerung Afrikas“ sowie den Sklavenhandel, der ein jüdisches Geschäft gewesen sei. Die gesamte Verelendung der Welt stehe auf dem jüdischen Schuldkonto.

Über Minuten führte Mahler seine Hirngespinste über Juden aus – um schließlich zu erklären, man müsse kämpfen für den Erhalt der Völker. Es gehe um das Schicksal der Christenheit, der „weißen Rasse“. Die „Umvolkung“ und „Vermischung“ zu einer „Biomasse“ sei eine Waffe, so Mahler weiter, um das deutsche Volk und das Deutsche Reich zu vernichten. Adolf Hitler habe diese Gefahr erkannt und Deutschland davor schützen wollen. Doch wiederum waren es die Juden, die die Welt gegen Deutschland aufgehetzt hätten – so wie es in den „Protokollen der Weisen von Zion“ als Strategie schon zu lesen gewesen sei.

Solche und ähnliche Ausführungen hat Mahler immer wieder verbreitet. In der Szene wird er von vielen Rechtsextremen gerade für seinen grenzenlosen und offen ausgelebten Fanatismus bewundert. Ex-NPD-Chef Udo Voigt, der Mitglied im Europaparlament ist, forderte immer wieder öffentlich „Freiheit für Horst Mahler“ - zuletzt am 6. April 2017.

Doch wo ist Mahler nun? Viele Medien meldeten, er habe Deutschland verlassen. Möglich erscheint das, immerhin verfügt die Szene über beste Kontakte ins Ausland – unter anderem nach Skandinavien, Ungarn, Griechenland, Russland, Kroatien,  Spanien und auch zum Regime in Syrien. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass Mahler überhaupt in der Lage ist, in eines dieser Länder zu reisen und sich dort auch noch ernsthafte Hoffnung machen könnte, Asyl gewährt zu bekommen?

Vor diesem Hintergrund ist Mahlers Wortlaut in seiner Erklärung zur Flucht interessant: So sagte Mahler, er sei spätestens bis zum 19. April zum Strafantritt geladen worden – doch dieser Aufforderung werde er nicht nachkommen. Vielmehr wolle er in einem „aufnahmebereiten souveränen Staat“ um  politisches Asyl bitten. Von Ausland ist hier keine Rede – die Betonung auf „souveräner Staat“ könnte vielmehr ein Indiz dafür sein, dass Mahler möglicherweise in einem Fantasiestaat von „Reichsbürgern“ untergetaucht ist. Zumindest liegen bislang keine Hinweise darauf vor, dass Mahler im Ausland einen Antrag auf Asyl gestellt hätte.

Vordenker der Reichsbürger

Zudem gilt Mahler als ein wichtiger Stichwortgeber der Reichsbürger-Bewegung. So hatte er 1999 eine Verfassung für ein „Viertes Reich“ entworfen. Im Jahr 2000 veröffentlichte Mahler „in Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich“ einen „Appell an die Bürger des Deutschen Reiches“, in dem er ein Szenario zeichnete, das heute in Sozialen Netzwerk immer wieder auftaucht: die Verschwörungstheorie, die Herrschenden führten einen „Umvolkungskrieg“ gegen Deutschland.

Auch wenn Mahler in seinem Leben in sehr unterschiedlichen politischen Milieus unterwegs war – seine Sprache war stets kriegerisch. Er wuchs in einem stramm nationalsozialistischen Elternhaus auf. Sein Vater tötete sich aus Verzweiflung über den Sieg der Alliierten nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft selbst. Der Historiker Martin Jander meint daher, es lasse sich mit einiger Berechtigung sagen, dass der Holocaustleugner Mahler nach seiner Hinwendung zum Rechtsextremismus wieder dort angekommen ist, von wo er einmal aufbrach, dass er lediglich einen Umweg über den linken Radikalismus genommen habe.

So war Mahler in den 1960er- und 1970er-Jahren ein führender Kopf der linksradikalen außerparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik und ein Mitbegründer der RAF. 1970 floh er mit anderen Terroristen nach Jordanien, um sich dort für den bewaffneten Kampf ausbilden zu lassen. Allerdings wurde er nach seiner Rückkehr verhaftet und saß mehrere Jahre im Gefängnis. In den 1990er-Jahren vollzog er dann eine scharfe Wende nach ganz rechts außen – wobei Experten darauf hinweisen, dass die antiimperialistisch/antizionistische Ideologie der damaligen radikalen Linken bereits anschlussfähig für Mahlers Antisemitismus war.

Horst Mahler (links) in Leipzig mit Christian Worch am 1. September 2001

Horst Mahler (links) in Leipzig mit Christian Worch am 1. September 2001. Foto: Herder3 | Wikipedia | CC BY-SA

Mahler hat also einen sehr außergewöhnlichen Lebenslauf – und vertrat fast durchgehend äußerst radikale Positionen. Diese Fundamentalopposition, sein Fanatismus – all das kam in der rechtsextremen Szene großartig an. Wo auch immer Mahler sich derzeit aufhält: Von seinen Anhängern wird der ehemalige Anwalt, Ex-RAF-Terrorist und Holocaust-Leugner nun endgültig zur Ikone.

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Patrick Gensing ist Blogger, Journalist und Nachrichtenredakteur. Für die Netzinitiative publikative.org – eine Seite, die zunächst als NPD-Watchblog bekannt wurde, wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er schreibt zu Fachthemen wie Antisemitismus, Medien, Rechtspopulismus und -extremismus.

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Im April weigerte sich der Rechtsextremist Horst Mahler, seine Resthaft in der JVA Brandenburg/Havel anzutreten. Jetzt soll er beim ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán um politisches Asyl nachgefragt haben. Ungarns Botschaft in Berlin wies das Ansinnen zurück.

rbb, 15.05.2017

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