Voll der Osten

Leben in der DDR

Ausstellungseröffnung

Foto: Harald Hauswald

Der Fotograf Harald Hauswald hat in den 1980er-Jahren in der DDR in Bildern festgehalten, was andere Fotografen für uninteressant hielten: kleine Szenen des Alltags, einsame alte Menschen, verliebte junge Pärchen, Rocker, Hooligans und junge Leute, die sich in der Kirche für Frieden und Umweltschutz einsetzten.

Der Historiker und Publizist Stefan Wolle hat über einhundert Fotografien ausgewählt und mit seinen Begleittexten Schlaglichter auf den Alltag in der SED-Diktatur geworfen. Entstanden ist eine Ausstellung, die ein ungeschminktes Bild von der DDR-Realität vermittelt, an die sich heute selbst Zeitzeugen kaum mehr erinnern. Die Ausstellungstafeln verlinken mit QR-Codes zu kurzen Videointerviews im Internet, in denen der Fotograf darüber berichtet, wie und in welchem Kontext das jeweils zentrale Foto der Tafel entstanden ist.

"Wir sind umgezogen" auf einem Fenster

Foto: Harald Hauswald

Die Landeszentrale ergänzt diese Ausstellung mit weiteren Fotografien von Hauswald, die zwischen November 1989 und Oktober 1990 entstanden sind. Sie zeigen eine skurrile Welt zwischen nicht mehr und noch nicht in unvergleichbarer, teil tragikomischer Art und Weise. Der rasante Verfall der Mauer ist so ein Beispiel. Ein Bauwerk, das fast 30 Jahre lang Berlin und Deutschland entscheidend prägte, zieren auf einmal anarchische Graffitis mit teils humorvollen, persönlichen Botschaften von Großvätern an die Enkel. Der Jubel über die Wiedervereinigung und die Währungsunion mischt sich mit Bildern von leeren Regalen und letzten Plakaten, die noch den Sozialismus anpreisen, bevor die „schöne neue“ Warenwelt Einzug hält.

Eine Ausstellung der Bundesstiftung Aufarbeitung

Fotografien von Harald Hauswald | Texte von Stefan Wolle 

Es spricht: Dr. Martina Weyrauch, Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung

Es musiziert: Sebastian Hillmann, Saxophon

Wir machen darauf aufmerksam, dass während unserer Veranstaltungen gelegentlich Film-, Bild- und Tonaufnahmen angefertigt und gegebenenfalls veröffentlicht werden. Wenn Sie Einwände haben, kommen Sie bitte vor der Veranstaltung auf uns zu.

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Das schreibt Lars Grote in der MAZ über die Ausstellung in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung:

Harald Hauswald: So war die DDR wirklich

Harald Hauswald hat in der DDR oft gegen das Ideal der Partei gearbeitet und sich seinen eigenen Blick bewahrt. So ungeschönt und zärtlich, dass es mitunter schmerzt, zeigt die Landeszentrale für politische Bildung seine Fotos.

"[...]In der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam, wo man eigentlich immer einen Hauch von Pädagogik und einen klugen Hinweis auf weiterführende Literatur erwartet, zeigt Hauswald seine Bilder von der späten DDR angenehm nüchtern. Er will nicht belehren, nicht entlarven. Alles, was er zeigt, tut er beiläufig. Fast wie ein Cellist, der Brahms-Sonaten so leichthändig greift, als spiele er mit einem Jojo. Natürlich ist das hohe Kunst, eine der höchsten. Und selbstverständlich gilt das auch für Hauswalds Fotos, die in ihrer Erzählkraft etwas Genialisches haben.[...]"

Vielleicht haben Sie ja Lust, sich bei uns einen Eindruck zu verschaffen. Wir haben alle Fotos und Texte auf große Wände ziehen lassen und die Ausstellung durch bislang unveröffentlichte Farbfotos von Harald Hauswald ergänzt. Ein Besuch lohnt sich. Sie sind herzlich eingeladen. Die Begleitpublikation zur Ausstellung können Sie dabei mitnehmen oder bestellen.

Viele Grüße aus Potsdam

Die Redaktion der BLPB

Ich habe die Ausstellung in Torgau gesehen und möchte gern meine Meinung dazu äußern. Um nicht zu ausschweifend zu werden, versuche ich mich relativ kurz zu halten.
Mit viel Vorfreude fuhr ich nach Torgau in das Schloß Hartenfels. Ich, geboren 1977 in der DDR, kannte schon viele Fotos von Harald Hauswald und wollte einer Freundin aus den alten Bundesländern mit diesen beeindruckenden fotografischen Einblicken den Alltag in der DDR näher bringen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich immer Stellung beziehe und an die diktatorischen Umstände erinnere, wenn ein Gespräch oder eine Diskussion "ostalgisch" zu werden droht.
Aber nun betraten wir die Ausstellung und waren auf den ersten Blick enttäuscht über die Hängung, die Art der Präsentation und insbesondere, wenn ich eine Fotoausstellung erwarte, dass uns nur Infotafeln präsentiert wurden. Dies wird in keinerlei Weise der künstlerisch-dokumentarischen Klasse der Fotografien gerecht und dürfte nicht als Fotoausstellung angekündigt bzw. vermarktet werden.
Und zweitens, um es salopp zu sagen, nervten die Bild-Kommentare und Erläuterungen bis hin zur Verärgerung. Ich ließ mich unvoreingenommen, freudig und mit kritischem Abstand zum DDR-Alltag auf die Ausstellung ein und verteidigte sie sogar reflexartig zu Beginn, als ein anderes Besucherpärchen in den Tonfall des gedemütigten und trotzigen ehemaligen DDR-Bürgers verfiel. Aber mit Info-Tafel zu Info-Tafel entwickelte sich Unverständnis und Enttäuschung über die Texte von Stefan Wolle.
Vor dem Hintergrund des politischen Auftrags des Veranstalters habe ich eine recht kritische Aufarbeitung erwartet. Aber, abgesehen davon, warum es überhaupt notwendig ist, gute Fotografien, die für sich sprechen und alle Nuancen von Nostalgie bis kritischster Auseinandersetzung beinhalten, zu kommentieren, fand ich es nahezu als eine unsachliche und dogmatische/ideologische Art, die Bilder interpretierend zu kommentieren. Es häuften sich sehr subjektive und eindimensionale Interpretationen, die eine Sichtweise auf die DDR entwickelten ohne dem Besucher die Freiheit zu lassen, "atmen, sich erinnern und nachdenken" zu können. Sicherlich haben viele, inklusive der Fotograf, mag ich hier spekulieren, die Fotos anders interpretiert. Dass nun bei jedem müden Gesicht und gebrechlichen Rentner, bei jedem klapprigen Auto oder leeren Schaufenster an die Trostlosigkeit und harten Lebensbedingungen, die Versorgungsknappheit usw. mahnend erinnert werden muss, ist plakativ, langweilig und wenig unterhaltsam und erinnert an die verordneten Sichtweisen im Stabi-Unterricht, wie schrecklich, hart und ausbeuterisch der Kapitalismus ist.
Eine kritische, aber nicht die Gesellschaft spaltende eindimensionale Aufarbeitung sollte Ihr Ziel sein! Sie erzeugen eine historische Polarität, die für viele Menschen nicht nachvollziehbar ist, wenn sie nicht differenzieren und diese auf alle Lebensbereiche und auf jede Zeit übertragen. Ich weise hier nur auf wenige heutige Probleme wie Abbau von Arbeitnehmerrechte, teure oder keine vorhandene Kita-Plätze, Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt usw. hin, wo sie ganz schnell ein Problem bekommen, wenn sie das in einen Vergleich setzen (übrigens auch im Vergleich von heute zu früheren Zeiten in der alten BRD).

In erster Linie bin ich aber sehr über den Umgang mit den erstklassigen Fotografien und Zeitdokumenten von Harald Hauswald enttäuscht. Ich werde wohl in Zukunft wieder mehr Bücher von Herrn Hauswald kaufen und Ausstellungen in "richtigen" Museen und Galerien besuchen.

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