
Mit dem politischen Umbruch vor gut 30 Jahren vollzog sich für die Bevölkerung in Ostdeutschland ein radikaler Neubeginn in allen Bereichen. Zeitgleich erstarkten Nationalismus und Rassismus und führten zu alltäglichen Bedrohungen auf den Straßen, besonders unter Jugendlichen. Der ZEIT online-Redakteur und Autor Christian Bangel erlebte diese Jahre in seiner Heimatstadt Frankfurt/Oder. Seinen Aufruf, mit Hilfe der sozialen Medien (#baseballschlägerjahre) Erinnerungen an diese Zeit zu teilen, stieß auf hohe Resonanz und hat das Schweigen darüber gebrochen.
Die rechtsextreme Szene sorgt auch heute in vielen Orten Brandenburgs für Hass und Gewalt und richtet sich häufig insbesondere gegen Mitbürger_innen mit ausländischen Wurzeln und Geflüchtete . Damit sind Heranwachsende nach wie vor mit dem Problem erheblicher Bedrohungen und Gefahren in ihrem Alltag konfrontiert.
Vor welchen Herausforderungen stehen Heranwachsende in Brandenburg? Was muss getan werden, um sie nicht nur vor rechtsextremistischen Angriffen zu schützen, sondern auch um sie dazu zu befähigen, sich für eine gewalt- und hassfreie Gesellschaft einzusetzen?
Wir laden Sie herzlich zu einer digitalen Veranstaltung ein, die mit einer Lesung beginnt und anschließend Handlungsoptionen aus Sicht der Politik und einer Beratungsorganisation vorstellt und debattiert. Sie sind herzlich eingeladen zuzuhören und mit zu debattieren!
18.00 Uhr Begrüßung
- Anne Seyfferth, Leiterin FES-Landesbüro Brandenburg
Einführung und Lesung aus dem Debütroman „Oder Florida“
- Christian Bangel, Politischer Autor bei ZEIT-online
18.20 Uhr Bedrohung Heranwachsender durch Rechtsextremisten heute
Impulse
- Inka Gossmann-Reetz, MdL, Sprecherin für die Bekämpfung von Rechtsextremismus & Innenpolitik der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg
- Hannes Püschel, Berater, Opferperspektive-Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt e.V.
18.50 Uhr Diskussion mit allen Beteiligten
- Moderation: Frauke Büttner, Leiterin Geschäftsstelle Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg
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KommentierenHeranwachsen mit rechtsextremer Gewalt in Brandenburg - Bericht
Mit der Lesung von Christian Bangel aus seinem Roman „Oder Florida“ hatte die Veranstaltung einen sehr persönlichen Einstieg. Er las eine Szene, die er selbst so ähnlich erlebt hat, von einem jungen Mann, der 1998 im Zug von Berlin nach Frankfurt (Oder) schutzlos einer Gruppe Neonazis ausgeliefert ist und um sein Leben fürchtet. Der Schaffner schaut weg, niemand hilft. Auch ich fühlte mich an meine Brandenburger Jugend erinnert.
Erst jetzt beginne die Aufarbeitung der 1990er und 2000er Jahre, in denen rechte und rassistische Gewalttäter in Brandenburg Alternative, Menschen mit Migrationshintergrund und andere Gruppen gejagt, verprügelt und getötet haben, sagt Hannes Püschel. Seit 2014 gibt es eine neue Welle rechter Gewalt, diesmal vor allem gegen Geflüchtete. Wie er betont, sind es teils die gleichen Täter wie damals oder deren Kinder. In Frankfurt (Oder), so Christian Bangel, bestehe die Stadtverordnetenversammlung in allen bürgerlichen Parteien mittlerweile aus Menschen, die diese Gewalt in den 1990ern selbst erlebt haben und sie nun bekämpfen.
Was zu tun ist, dabei sind sich alle Panel-Gäste einig: Rassistische Gewalt erkennen und ernst nehmen, ist, so Püschel, der erste Schritt. Hier sei auch bei der Polizei noch Sensibilisierung nötig. Die Regierungskoalition verhandele derzeit über die Einsetzung einer Polizeibeauftragten, die eine unabhängige Anlaufstelle für Bürger und Polizeibeamte sein soll, berichtet Inka Gossmann-Reetz. Sie fordert Kommunalpolitiker und die Mitglieder des Landtages auf, sich mit den Betroffenen solidarisch zu zeigen und Orte zu fördern, die Schutz vor Rassismus bieten. Opfer von Gewalt dürfen nicht zur Problemgruppe gemacht werden, fordert Püschel. Straftäter müssen konsequenter verfolgt und auch Verstöße im Ehrenamt geahndet werden, sagt Gossmann-Reetz. Sie fordert, Jugendliche selbst, aber vor allem Menschen in Bildungsberufen und der Jugendarbeit zu befähigen, eine beginnende Radikalisierung zu erkennen, aber auch ein Gespräch über Politik und Demokratie sicher und kompetent führen zu können. Die Gewalt der letzten Jahre zeigt, dass das Gewaltpotential der 1990er Jahre nicht verschwunden war, es war nur nicht mehr sichtbar.
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