Das Grundgesetz schließt grundsätzlich das Wahlrecht für Ausländer aus. Dies gilt sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene, also für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Volksabstimmungen auf Bundes- oder Landesebene.
Mit dem Vertrag von Maastricht, der alle EU-Bürger mit der Unionsbürgerschaft ausstattete, musste das Grundgesetz zumindest mit Blick auf die Kommunalwahlen geändert werden. Seit 1992 dürfen demnach zumindest EU-Bürger, das heißt jeder, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedslandes der Europäischen Union besitzt, an Kommunalwahlen teilnehmen.
Die Debatte um ein allgemeines Wahlrecht für Ausländer wird von Befürwortern unter anderem als eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integrationspolitik gewertet. Kritiker betonen hingegen, dass jeder, der sich an politischen Entscheidungen für und in Deutschland beteiligen möchte, die Möglichkeit habe, die deutsche Staatsbürgerschaft und damit auch das grundsätzliche Wahlrecht zu erwerben.
Schon jetzt können sich aber auch Ausländer, die keine EU-Staatsbürgerschaft haben, kommunalpolitisch beteiligen. Als so genannte sachkundige Einwohner einer Gemeinde können sie in kommunale Vertretungen berufen werden und dort Gruppeninteressen vertreten. Insbesondere bestehen Mitwirkungsmöglichkeiten auf der Ebene von Vereinen, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Schulen.
In Brandenburg ist das Ausländerwahlrecht grundsätzlich in der Verfassung verankert, allerdings unter der Maßgabe, dass es durch das Grundgesetz oder andere rechtliche Regelungen erlaubt ist. Das bedeutet, dass Ausländer momentan auch in Brandenburg kein Wahlrecht haben. Eine Ausnahme bilden Wahlen auf kommunaler Ebene. Hier können EU-Bürger ab 16 Jahre wählen und ab 18 gewählt werden. In Brandenburg leben rund 24.000 wahlberechtigte EU-Bürger.
BLPB, November 2013
Teilen auf
Kommentare
KommentierenAusländerwahlrecht
Hallo lieber Leser*innen,
ich halte den ersten Satz in seiner Klarheit für falsch. Ob ein allgemeines Ausländerwahlrecht auf Landesebene mit dem Grundgesetz vereinbar ist, oder nicht, ist umstritten. Es existiert keine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in dieser Frage nach den Maastrichtverträgen und der damit verbundenen Grundgesetzänderung des Artikel 28. Lediglich der Staatsgerichtshof Bremen hat in einer Entscheidung St 1/13 aus 2014 mehrheitlich (sic!) entschieden, dass er die Pläne der Bremer Bürgerschaft zur Ausweitung des Wahlrechts für EU-Bürger auf Landesebene, bzw. für alle Einwohner auf Bezirksebene für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz hält.
Aktuell ist in Nordrhein-Westfalen eine Verfassungsinitiative des Landesparlamentes und der Landesregierung an der erforderlichen 2/3 Mehrheit gescheitert, welche ebenfalls ein allgemeines kommunales Ausländerwahlrecht angestrebt hat. Es ist anzunehmen, dass sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft - im Laufe der mehrjährigen Arbeit einer Verfassungskommission - über die Einhaltung des grundgesetzlichen Rahmens informiert hat.
Das Grundgesetz weist den Bundesländern in Artikel 28 einen Rahmen für eigenständigen Verfassungsraum zu. Es verpflichtet sie auf die Einhaltung der demokratischen Wahlgrundsätze und auf eine kommunale Selbstverwaltung. Und es zwingt die Bundesländer ein kommunales Wahlrecht für EU-Ausländer einzuführen, welche fortan zu EU-Bürgern, also Bürgern 2. Klasse werden, während die anderen nicht-deutschen Einwohner Brandenburgs, Bürger 3. Klasse ohne jegliches Wahlrecht bleiben, selbst wenn sie schon 5 Jahre hier leben und ihre Steuern zahlen.
Explizit ausgeschlossen wird ein Ausländerwahlrecht auf Landes- und kommunaler Ebene nicht. Nun mag man einwenden, dass diese „echten“ Ausländer ja schließlich keine Bürger im Sinne des Gesetzes sind. Kann man so sehen. So hat es der Staatsgerichtshof in Bremen gesehen, so sah es das Bundesverfassungsgericht bis Maastricht. Juden galten im Sinne des Gesetzes ja eine zeitlang auch nicht als Menschen.
Allerdings widerlegt die Tatsache, dass es ein allgemein akzeptiertes Wahlrecht für Menschen mit EU-Staatsangehörigkeit gibt, die Behauptung, jedes Recht zu wählen sei zwingend an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpft. Es sind also Ausnahmen möglich. Wer bestimmt über die Ausnahmen?
Wenn man dem föderalen Grundgedanken folgt, sollte der Bund über das Grundgesetz in seinem Verfassungsraum und die Bundesländer im Rahmen des Art. 28 GG und ihrer Landesverfassungen in ihren Verfassungsräumen über die Ausgestaltung des Wahlrechts bestimmen können. Und da ist die Landesverfassung Brandenburg in Artikel 22 [1] überraschend eindeutig, wenn es heißt anderen nichtdeutschen Einwohnern sind die vollen Wahlrechte zu gewähren, „sobald und insoweit das Grundgesetz dies zulässt.“
Die Auffassung, das Grundgesetz müsste den Bundesländern die Einführung ein Ausländerwahlrecht erst grundsätzlich erlauben ist auch heute noch gängig, während die Auffassung, das Wahlrecht stehe nur Deutschen Bürgern zu, heute eine radikale Mindermeinung nationaler Ideologen darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung 2 BvR 1953/95 [2] RN 59 aus 1998 klargestellt: “Die Länder genießen im Rahmen ihrer Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie. In diesem Rahmen regeln sie Wahlsystem und Wahlrecht zu ihren Parlamenten und den kommunalen Vertretungen des Volkes; sie gestalten und organisieren das Wahlprüfungsverfahren.“
Das Kommunalwahlrecht fällt in den Bereich der inneren Staatsorganisation und hat im Gegensatz zum Landeswahlrecht, welches sich indirekt auch auf den Bundesrat und die Bundesversammlung auswirkt, keine Implikationen der Bundesebene. Auch lässt sich bezweifeln, ob wir im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt über eine „Staatsgewalt“ im verfassungsrechtlichen Sinne sprechen, schließlich haben die kommunalen Vertretungen nur ein Satzungsrecht.
Rechtsprechung zum Ausländerwahlrecht
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes lässt das Grundgesetz die Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf den Personenkreis der Drittstaatsangehörigen (Einführung eines allgemeinen Ausländerwahlrechts) nicht zu (siehe BVerfGE 83, 37).
Zuletzt hat der Bremische Staatsgerichtshof diese Rechtslage nochmals bestätigt (BremStGH, Urteil vom 31.01.2014 - St 1/13 -). Die Beteiligung an Wahlen, durch die die Ausübung der Staatsgewalt legitimiert wird, ist nach Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in Bund und in Ländern allein den Deutschen und in den Landkreisen und Gemeinden allein den (deutschen und nichtdeutschen) Unionsbürgern vorbehalten.
Den Ländern ist es aufgrund des bundesverfassungsrechtlichen Homogenitätsgebots verwehrt, hiervon abweichende Regelungen zu treffen. Deshalb ist auch Brandenburg gehindert, den Drittstaatsangehörigen das Wahlrecht zu den kommunalen Vertretungskörperschaften (oder sogar zum Landtag) zu gewähren.
Bis zu den
Bis zu den Maastricht-Verträgen 1992 herrschte in Deutschland allgemein die Auffassung, dass es ein Wahlrecht nur für deutsche Staatsangehörige geben kann. So urteilte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung (2 BvF 2, 6/89 RN 53ff) noch 1990 über Pläne der Landesregierung Schleswig-Holstein zur Öffnung des Wahlrechtes auf kommunaler Ebene, dass:
1. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, dass das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland Träger und Subjekt der Staatsgewalt ist.
2. Das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 gleichgestellten Personen, gebildet.
3. Damit wird für das Wahlrecht, durch dessen Ausübung das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt wahrnimmt, nach der Konzeption des Grundgesetzes die Eigenschaft als Deutscher vorausgesetzt.
Nach Art.79 Abs. 3 GG dürfen die Grundsätze des Art. 20 GG auch mit 2/3-Mehrheit des Bundestages und Bundesrates nicht geändert werden. Mit Maastricht wurde aber Artikel 28 GG geändert und ein kommunales Wahlrecht für EU-Bürger geschaffen. Offensichtlich setzt das Grundgesetz für ein kommunales Wahlrecht nunmehr nicht mehr zwingend die deutsche Staatsangehörigkeit voraus. Damit wird implizit anerkannt, dass auch nichtdeutsche Einwohner Träger und Subjekt der Staatsgewalt im Sinne des Volksbegriffs des Art. 20 GG sein können. Der Volksbegriff wurde zumindest kommunal faktisch geöffnet, was in der Gesellschaft auch insgesamt mit breiter Mehrheit akzeptiert wird. Artikel 20 GG kann somit nicht mehr in den engen Grenzen von 1990 ausgelegt werden.
Das Grundgesetz Art. 28 überlässt es sogar der EU darüber zu entscheiden, ob und wie weit Wahlrechte von EU-Bürgern auf kommunaler Ebene in Brandenburg ausgeweitet werden. Dies kann sogar grundgesetzkonform vom Ausland gegen den ausdrücklichen Willen der Bundesregierung und der Landesregierung durchgesetzt werden, z.B. durch EU-Richtlinie mit qualifizierter Mehrheit. Es ist nicht ersichtlich warum unter solchen Rahmenbedingungen das Land Brandenburg im Rahmen seiner Verfassungsautonomie nicht befugt sein soll, weitere Einwohner mit einem kommunalen Wahlrecht auszustatten, wie es von der Landesverfassung gefordert wird.
Auch die Frage, ob es sich bei der kommunalen Selbstverwaltung um Staatsgewalt im verfassungsrechtlichen Sinne handelt, war bereits 1990 umstritten. Vergl. (2 BvF 2, 6/89 RN 46) Die strenge Forderung aus dem Urteil (2 BvF 2, 6/89 RN 60) nach der Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland, welches das Bundesverfassungsgericht in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 gesehen hat, ist heute faktisch aufgeweicht, siehe Wahlalter 16, welches in den Ländern unterschiedlich gehandhabt wird.
Offensichtlich fordert das GG heute nur noch ein relatives und kein absolutes Maß an Einheitlichkeit mehr. Seit der letzten Entscheidung aus Karlsruhe zum Thema „Kommunales Ausländerwahlrecht“ sind 27 Jahre vergangen. Im Sinne der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit scheint es geboten, zu überprüfen, ob und in wie weit sich die geänderte Sach- und Rechtslage auf die Forderung der Landesverfassung Brandenburg Art. 22 Abs. 1 S.2 nach gleichen Wahlrechten für alle Einwohner auswirkt.
Neuen Kommentar hinzufügen