Konsumbürger

Mit der Ausweitung der Konsumgesellschaft enstand ein neuer Typus des Konsumenten - der Konsumbürger. Dieser Begriff beschreibt die Möglichkeit von Konsumenten, durch private ökonomische Entscheidungen politische Meinungen zum Ausdruck zu bringen und damit politische Entscheidungsprozesse zu steuern. Die Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, reichen von individuellen Entscheidungen, bestimmte Produkte nicht zu kaufen bis zu organisierten Konsumboykotten gegen einzelne Länder, politische Regime oder Unternehmen.

Ein herausragendes Beispiel für Deutschland war die Ablehnung großer Teile der Bevölkerung gegen den sogenannten Biosprit E10. Dieses Benzin für Kraftfahrzeuge sollte durch einen hohen Bioethanolgehalt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Einführung erfolgte seit Januar 2011 im Zusammenhang mit der EU-Biokraftstoffrichtlinie, um den fossilen Rohstoffverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren.

Die deutsche Politik hatte es jedoch versäumt, die Bevölkerung umfassend aufzuklären. In der Folge entstand bei vielen Menschen das Gefühl, ihnen sei ein Produkt von staatlicher Seite aufgezwungen worden. An den Tankstellen boykottierten sie über mehrere Monate den Kraftstoff. Dabei spielten einerseits ganz praktische Dinge eine Rolle wie zum Beispiel die Erfahrung, dass ältere Fahrzeugtypen Probleme mit dem neuen Benzin bekamen. Auch Kunden mit neueren Modellen betankten daraufhin ihre Autos damit nicht. Andererseits engagierten sich viele Bürger unter umweltpolitischen Aspekten gegen den Biosprit, denn Monokultur und die Abholzung von Wäldern unter anderem in Südamerika zur Spritgewinnung widersprach ihren eigenen Auffassungen. Die Bürgerinnen und Bürger ärgerte zudem die staatliche Subventionierung von E10, die das bisherige Superbenzin verteuerte. Bis heute ist die Akzeptanz des Biosprits in Deutschland umstritten und verschiedene Gruppen (Umweltaktivisten, Automobilbranche, Politiker) kämpfen um den Konsumbürger in unterschiedlicher Richtung.


Weitere aktuelle Beispiele für Bereiche, in denen Bürger durch ihr Konsumverhalten auch politische Meinungen äußern und damit politische Entscheidungsprozesse beeinflussen können, sind etwa die Auseinandersetzungen um Atomstrom und in der Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie die Forderung von immer mehr Konsumbürgern nach Bioprodukten und die Ablehnung von Fleisch, Fisch und Eiern aus Massentierhaltung. Verbraucher schauen auch auf faire Handels- und Produktionsbedingungen.

Sich als Konsumbürger zu engagieren, hat verschiedene Aspekte:

Vorteile
+ Einfluss erfolgt sofort
+ große Medienaufmerksamkeit garantiert weite Verbreitung des Themas
+ Politik und Konzerne werden zu raschem Handeln gezwungen
+ geringe Aufwandskosten

Nachteile
- Medien können Themen aufbauschen und manipulieren
- bestimmte Produkte werden zu Unrecht verurteilt
- Einkommensabhängig, nicht alle können sich an Boykott beteiligen, wenn sie auf günstiges Produkt angewiesen sind

BLPB, Juni 2017

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