Überwachungsstaat

Mit dem Begriff wird ein Staat beschrieben, der umfangreiche Überwachungsmaßnahmen, die tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Bürgern darstellen können, selbst durchführt oder beauftragt.

Diese Maßnahmen beruhen in der Regel auf rechtlichen Grundlagen wie sie zum Beispiel für die Speicherung von Daten oder das Abhören von Telefongesprächen durch Behörden gelten. Häufig bewegen sie sich aber auch in einer gesetzlich nicht exakt definierten Grauzone. Der Begriff Überwachungsstaat wird in einem negativen Sinn gebraucht.

Sicherheitspolitiker und Geheimdienste argumentieren besonders seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA mit der Gefahr, die von solchen Anschlägen ausgeht, wenn sie für eine sehr weit gehende und flächendeckende Überwachung und die teilweise Aufhebung von Grundrechten plädieren.

Wie weit staatliche Überwachung und Verstöße gegen den Schutz persönlicher Daten bereits gehen, haben nicht zuletzt die Darstellungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden gezeigt.  Dennoch sind in Deutschland die öffentlichen Diskussionen über den Überwachungsstaat noch relativ gering. Es scheint, als ob viele Bürger die Verwendung ihrer Daten, das heißt ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, (noch) nicht als Angriff auf ihre Grundrechte bewerten.

Befürworter staatlicher Überwachungsmaßnahmen argumentieren oft: "Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten.“ Kritiker halten dies für unzulässig. Denn umgekehrt bedeutet es, wer etwas verbirgt, hat staatliche Repressionen zu befürchten. Damit werde jedoch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch das Recht beinhaltet, etwas vor anderen zu „verbergen“, ignoriert.

Bild aus der Ausstellung "Ins Netz gegangen"

(Un)heimlich lustige Karikaturen von Til Mette, Nel und Klaus Stuttmann

Auch das Argument, die Bürger gäben im Internet ohnehin schon freiwillig persönliche Daten in großer Menge preis, ist Kritikern zufolge nicht haltbar. Bei Geschäften im Internet kommt ein Vertrag zwischen Dienstanbieter und Nutzer zustande, der auf dem Grundkonsens der Vertraulichkeit von Daten beruht. Dieser Vertrag ist grundsätzlich jederzeit kündbar. Verletzt der Staat diese Vertraulichkeit und beschafft sich Daten des Dienstanbieters über dessen Nutzer, geschieht das in aller Regel heimlich und unkontrolliert und eine Widerspruchsmöglichkeit gegen diesen staatlichen Eingriff seitens des Bürgers besteht nicht oder nicht in ausreichendem Maß.

Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die informationelle Selbstbestimmung als ein Datenschutz-Grundrecht. Online-Durchsuchungen, das heißt, die heimliche Durchforstung des Internets nach persönlichen Daten Dritter, ist demnach unzulässig. 2008 veröffentlichte das Gericht Leitsätze zum Daten-Schutzraum.

Der Vorschlag von Datenschützern, das Grundrecht auf Datenschutz auch im Grundgesetz zu verankern, hat bislang aber noch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ausgerechnet: Wollte man die Datenbestände der amerikanischen Sicherheitsbehörde NSA ausdrucken, abheften und in Aktenschränken deponieren, brauchte man dafür  42.000.000.000.000 (42 Billionen) Aktenschränke, deren Aufstellung eine Fläche von 17 Millionen Quadratkilometern beanspruchte. Zum Vergleich: Die Fläche des Landes Brandenburg beträgt 29.654 Quadratkilometer. Für deutsche Datenbestände liegen keine vergleichbaren Berechnungen vor.


TW, Oktober 2016
 

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