Mit Neonazis und Rechtspopulisten diskutieren - geht das und wenn ja, wie? Argumentationstrainer Till Stromeyer gibt Tipps und zeigt, wo Dialogbereitschaft Grenzen hat.

Sie arbeiten als Argumentationstrainer in der politischen Bildung. Warum sollte man sich mit Rechtsextremisten und Rechtspopulisten überhaupt auseinandersetzen?
Neonazis und Populisten sind auf Grund ihres in sich geschlossenen Weltbildes für eine Argumentation nicht zugänglich. Auseinandersetzen im Sinne von beobachten und problematisieren sollten man sich hingegen mit ihnen, weil sie demokratische Regeln des Miteinanders gefährlich oft verletzen oder sehr eng interpretieren.
Sie konstruieren sich ihre Welt mit vielen Ungleichwertigkeitsvorstellungen, die pauschalisieren, verallgemeinern, sich miteinander „begründen“ und aufeinander beziehen. Es ist schwer, an ihrem Weltbild zu rütteln beziehungsweise sie zum Nachdenken anzuregen.
Und dennoch üben Sie in Ihren Trainings genau solche Situationen?
Ja, denn eine Diskussion mit Neonazis oder Rechtspopulisten ist möglich und notwendig, wenn ich sie und ihre menschenverachtende Ideologie entlarven möchte. Hierfür brauche ich aber das Wissen über neonazistische Denk- und Redemuster sowie viel Übung und Courage.
Will ich ein Gespräch führen, so sollte ich mich zu allererst fragen, was ich in einer solchen Situation überhaupt erreichen will? Will ich klar dagegen sprechen, will ich meine humanistische Position zeigen, will ich für Demokratie sprechen, will ich andere ermutigen sich einzubringen, will ich vielleicht Betroffene schützen, möchte ich mich selbst schützen?
Wenn ich das geklärt habe, kann ich mich möglicherweise in die Auseinandersetzung wagen. Oft bedarf es dann aber anderer Methoden als eines Gesprächs. Diese können zum Beispiel eine „Stop-Ansage“ sein, um der diskriminierenden Person das Wort zu entziehen, ein vorbereiteter Satz zum Thema, um seinen eigenen Standpunkt zu vertreten oder eine Frage an das Publikum, um weitere Anwesende zu ermutigen, Gegenposition zu beziehen.
Grundsätzlich ist mein Tipp für das Zusammentreffen mit Rechtspopulisten: Beziehen Sie klare Stellung gegen Menschenverachtung und für ein humanistisches und demokratisches Miteinander und überlassen Sie ihnen nicht den Raum.
Gibt es Grenzen des Dialogs?
Es gibt keine Grenze des Dialogs, wenn wir tatsächlich von einem Dialog auf Augenhöhe reden. Dann geht es darum, sich auszutauschen und Thesen zu diskutieren. Diese Form von Austausch ist wichtig für die Demokratie. Deshalb rate ich auch allen, den Dialog zu suchen und so mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu treten.
Merke ich aber, dass mein Gegenüber den Raum und den Dialog mit mir nur nutzt, um selber zu agitieren, das heißt, seine menschenverachtende Position ausbreitet und nicht darüber diskutieren will, dann muss das gar nicht in konkreten Bedrohungen für mich oder andere Menschen münden – ich denke zuletzt an die Forderungen nach dem Gebrauch von Schusswaffen an den Grenzen – dann ist schon vorher höchste Zeit, meinen Standpunkt klar zu machen Diese Positionierung ist in der Durchführung nicht immer angenehm, im Nachhinein fühlt es sich aber meist gut an.
Welche Argumente empfehlen Sie in Ihren Kursen?
In den Kursen empfehle ich, mit einem grundsätzlichen und humanistischen Ansatz zu argumentieren. Das heißt auch, dass dieser sehr individuell ist und oft erst entdeckt und formuliert werden muss. Die Erfahrung und Literatur zeigt, dass ein fundiertes Faktenwissen wichtig ist, aber ohne eigene Position zum Thema und ohne konkreten Wunsch oder Forderung kaum seine Ganze Wirkung entfalten kann. Viele Menschen fragen nach Empfehlungen und hoffen oder erwarten sogar, dass wir ihnen sagen „machen Sie es so oder so und alles wird gut“. Dies ist aber auf Grund der unterschiedlichen Persönlichkeiten nicht möglich. Demokratie, Willkommenskultur und Humanismus leben von den menschlichen Unterschieden. Jeder hat auch unterschiedliche Strategien, Stärken und Herangehensweisen, was der einen leicht fällt, geht dem anderen nur sehr schwer über die Lippen. Und was nützen uns Strategien, die zu schwer sind, um sie umzusetzen.
Was jede Person üben kann, ist, sich zu aktuellen Themen wie Asyl, Medien, Demokratie und ähnlichem eine eigene Meinung zu bilden. Als Unterstützung kann es dienen, die eigene Argumentation in drei Ebenen aufzuteilen, denn stark sind eine Intervention und ein Argument dann, wenn da ein bisschen von allem drinsteckt, was auch zu uns Menschen gehört. Etwas Kopf und Fakten, etwas Herz, also Wünsche und Überzeugungen und etwas, was wir machen können, also ein Appell. Diese Mischung kann ich für mich allein oder mit Freunden im Vorfeld üben und mich so auf verschiedene Themen vorbereiten. Empfehlenswert ist es auch, die ersten Satzanfänge vor dem Spiegel einmal laut auszusprechen und zu merken, wie es sich anfühlt.
Was würden Sie Pegida-Anhängern sagen?
Dass ihre Positionen, allein schon ihr Grundsatzpapier die „Dresdner Thesen“, zutiefst rassistisch, verschwörungstheoretisch und antidemokratisch sind. So hängt zum Beispiel die prophezeite Bedrohung durch eine angebliche Islamisierung mit Rassismus zusammen, aber auch mit sozialdarwinistischen Vorstellungen des Zusammenlebens.
Völkische Elemente wie der Glaube an eine natürlich zusammengehörende und zusammenlebende Bevölkerung beziehungsweise Gemeinschaft finden sich in der Pegida-Bewegung ebenfalls. Ganz konkret dient die Thematisierung der Unterdrückung der Frau in diesem Kontext nicht der allgemeinen Gleichberechtigung der Frau, sondern der rassistischen Abwertung der Anderen.
Wenn Menschen meinen, bei Pegida Antworten oder ein politischen Zuhause zu finden, kann ich nur sagen, dass sie aufpassen sollten. Denn hier ist niemand wirklich interessiert am Einzelnen und seinen Lebensumständen. Es geht um Propaganda und Hass, das Gefühl der Zusammengehörigkeit wird über Abwertung und Ausgrenzung erkämpft. Das ist nicht nur für Leute gefährlich, die nicht dazugehören, die Gewalt und die Bedrohung richtet sich auch gegen Menschen innerhalb der Bewegung.
Insgesamt ist ein Kontakt mit PEGIDA keiner, welcher darauf beruhen kann, mit ihnen zu „reden“. Jeder Kontakt muss dazu dienen, ihnen argumentativ entgegen zu treten und klar den Rassismus, alle Formen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen und die antidemokratische Haltung aufzuzeigen und zu problematisieren.
Gibt es Situationen, in denen Sie nicht wissen, was zu tun ist? Und was tun Sie dann?
Klar gibt es diese und dann bin ich für ein paar Sekunden sprachlos, traurig oder wütend, dass Menschen sich zutiefst diskriminierend äußern und auch daran glauben. Das zeigt uns auf, dass wir in einer Welt und in einer Demokratie leben, die nicht nur schön ist. Wir müssen für Gleichberechtigung und einen demokratischen Umgang kämpfen und streiten, ja argumentieren. Dies zeigen auch die verschiedenen „Mitte – Studien“, die belegen, dass nicht nur Neonazis und Rechtspopulisten problematische Haltungen vertreten, sondern sich diese durch die Gesamtbevölkerung ziehen.
Aber zurück zu Ihrer Frage, was mache ich dann eigentlich? Tief Luft holen, einen festen Stand suchen, kurz überlegen, was ich mit welchem Ziel sagen möchte und dann meine Position verlautbaren. So signalisiere ich meinem Gegenüber, dass er oder sie nun mit mir rechnen muss und ich eine andere, eine humanistische Sicht auf die Welt habe. Dies kann auch verbunden sein mit einer entsprechenden Einladung, über das Thema zu diskutieren, jetzt oder zu einem anderen Zeitpunkt. Es kann aber auch mit einem Hausverweis enden. Das hängt dann alles sehr von den Umständen ab.
Wenn einmal alles nicht gelungen ist, schaue ich selbst sehr genau hin, um es das nächste Mal anders zu machen. Es gibt ja leider, so muss man sagen, fast täglich Momente, in denen ich üben kann, für meine Position und für eine bessere Welt einzutreten. In diesem Prozess Menschen zu unterstützen und zu ermutigen, sich für Andere und mehr Gerechtigkeit, mehr Solidarität, mehr Demokratie einzusetzen, dazu dienen Argumentations- und Handlungstrainings gegen Rechts.
BLPB, März 2016
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Kommentare
KommentierenIm Kampf für eine "bessere Welt"
Auch wenn die Veranstaltung das Thema "Argumentieren gegen Rechts" hatte, so bleibt dennoch die Frage, weshalb für Herrn Stromeyer antidemokratische und menschenfeindliche Positionen aus den Reihen sich als links verstehender Parteien und Organisationen überhaupt keine Rolle zu spielen scheinen. Diskriminierend äußern sich anscheinend von Grund auf nur Personen, die einem von vornherein fest umrissenen politischen Spektrum angehören oder eben der Otto-Normalverbraucher, der im Gespräch nicht jedes einzelne Wort so auf die Goldwaage legt, dass es den Wünschen aller sich als progressiv verstehenden Kräften in diesem Lande entspricht.
Eine meilenweite Übertreibung? Immerhi bekundet Herr Stromeyer ja selbst, dass es sein Hauptziel sei, "für eine bessere Welt einzutreten". Was das aber noch mit dem Kampf gegen tatsächlichen Extermismus und Verfassungsfeinde zu tun hat, sagt er nicht - und das wiederum wohl aus gutem Grunde. Denn hier sind wir schon ganz offenkundig im Bereich der Ideologie; das böse und ach so ungerechte Heute gegen das bessere und hellere Morgen. Doch solche Schalmeienklänge kennt manch einer auch noch von wenig demokratischen Regimen ...
Antwort
Und eben Der Ottonormalverbraucher muss lernen und geschult werden, jedes Wort eben auf die Goldwaage zu legen, und auf negative Beweggründe zu Prüfen
Zwischenruf
Freiwilligkeit ist heute ein Grundprinzip der politischen Bildung. Das finden wir gut und in diesem Sinne sind alle Informationen auf unserer Seite als Angebote zu verstehen. Wir freuen uns, wenn sich aus kontroversen Meinungsäußerungen Diskussionen entwickeln, die zu einem immer wieder erneuten Nachdenken darüber anregen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.
So weisen murmelis Überlegungen auf eine wichtige Diskussion, die zwar nicht auf dieser Seite geführt wurde, in diesem Interview ging es um Argumente gegen Rechts, aber zur weiteren Debatte anregen. Hier zum Beispiel: Klaus Schröder, Politikprofessor an der FU Berlin, hat 2015 ein Interview in der Zeit zum Umgang mit dem Linksextremismus in Deutschland gegeben. Die Huffington-Post hat 5 Argumente für den Vergleich von Links- und Rechtsextremismus zusammengetragen. Dort werden auch einige der Fragen aufgegriffen, die in den Kommentaren aufgeworfen wurden. Viele Grüße, Ihre Landeszentrale
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