Das Thema

Gesellschaft und Demokratie in Deutschland

Filmmuseumplakat Ankündigung Vortrag 14. Nov. 2005
1965 kam bei Piper in München „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“, ein opus magnum von 500 Seiten, heraus. Der Autor Ralf Dahrendorf, Soziologieprofessor in Hamburg und Tübingen, hatte sich durch Untersuchungen zu soziologischen Einzelthemen einen Namen gemacht und zählte zu den großen Hoffnungen der (west-)deutschen Soziologie. „Gesellschaft und Demokratie“ war die erste große soziologische Bestandsaufnahme von Gesellschaft, Politik und Geschichte in Deutschland von der Wilhelminischen Zeit bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts.

Ralf Dahrendorf rührt an die Kernfragen der deutschen Demokratie und Geschichte ... Viele der Fragen und Themen, die uns bewegen, werden hier zusammengefaßt. (...) Mit der Darstellung der Strukturen und Wandlungen der deutschen Gesellschaft entwirft Dahrendorf zugleich eine Theorie der Demokratie und zeigt einen Weg, der aus den Hemmnissen herausführt und aus der Ratlosigkeit, mit der der Deutsche vor seiner Geschichte und seiner Gesellschaft steht.“ (Klappentext)

Die Diagnose bezeugte das Fehlen von Liberalität in allen Sphären des wirtschaftlichen, sozialen, politischen Lebens. Ihr Resümee betraf die Grundfrage der Gesellschaft: „Die deutsche Frage ist die Frage nach den Hemmnissen der liberalen Demokratie in Deutschland. (...) Wo immer widersprüchliche Interessen in der deutschen Gesellschaft aufeinanderprallen, besteht die Tendenz, autoritäre und inhaltliche statt versuchsweiser und formaler Lösungen zu suchen.“ Der Deutsche sei grundsätzlich, mache alles zu Rechtsfragen, delegiere Probleme an Experten, scheue Konflikte, sehne sich nach Synthesen, kurz: unmoderne Menschen in einer modernen Welt. „Die deutsche Frage ist nicht eine politische Frage an andere, sondern eine soziale Frage an uns selbst.“

Die Frage nach Liberalität sei die Frage nach einer politischen Grundhaltung, gekennzeichnet durch die Suche nach institutionellen Mitteln zur Kontrolle der Mächtigen im Interesse der Erhaltung der Offenheit des politischen Systems für immer neue Lösungen. „Es gibt den Gedanken einer liberalen Demokratie, die aus der Modernität selbst hervorwächst. Sie ist die Regierung durch Konflikt in einer Gesellschaft mündiger Menschen, die also gleichsam trotz der vollendeten Modernität das Prinzip der Auseinandersetzung als Medium politischer Entscheidung in ihre Institutionen bannt und in ihren Menschen wachhält.“

Das Buch hat auch nach 40 Jahren noch Aktualität, was für den Autor spricht, aber gegen die Verhältnisse. Hatte er 1968 noch „Für eine Erneuerung der Demokratie in der Bundesrepublik“ plädiert, sprach er zur Jahrtausendwende nur mehr von den „Krisen der Demokratie“ (München: Beck ‘02) und war „Auf der Suche nach einer neuen Ordnung“ (München: Beck ’03) Das war indes weder Abgesang, noch Aufkündigung seines Themas, das war – und ist – echter „Dahrendorf“ in der Verbindung von angewandter Aufklärung und demokratischer Leidenschaft.

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