Celtic Folk. Die Wiederentdeckung

Rechtsextremisten wissen solche Unschärfen zu nutzen. Längst wird darüber diskutiert, neben anderen Musikstilen auch HipHop als Ausdrucksformen nationalistischer Agitation zu nutzen. Auch wollen sich viele jüngere Neonazis nicht mit dem herkömmlichen Rechtsrock begnügen, der gelegentlich als zu „dumpf“, zu „altmodisch“ oder zu sehr mit Vorurteilen behaftet beschrieben wird.

Darin, Musik hören zu wollen, die den Ansprüchen des Zeitgeists gerecht wird, gleichen rechtsextreme Jugendliche und junge Erwachsene anderen Altersgefährten. Das Selbstbild vieler HipHoper jedenfalls, nach dem es unmöglich sein soll, dass aus ihren Reihe rechtsextreme, rassistische oder neonazistische Rhymes kommen, stimmt nicht.

Black Metal, NeoFolk u. a. – längst ist mehr oder weniger offen ausgelebter Rechtsextremismus in Musikszenen angelangt, die als „unpolitisch“ oder „links“ gelten. Ein weniger bekanntes Beispiel ist der Celtic Folk, der ebenfalls häufig als „links“ wahrgenommen wird. Einflüsse des Celtic Folk finden sich in zahlreichen Musikstilen: Es gibt Folk Punk, der auf musikalische Motive des Celtic Folk zurück greift, ebenso Spielarten des Heavy Metal oder etwa auch NeoFolk.

 

Basic Celtos: Liberté. O. A. 1999
Rechtsextremer HipHop auch in Frankreich. Die Crew Basic Celtos bezeichnete sich 1999 im Interview mit dem polnischen Neonazi-Fanzine InfoPatria als „Nationalrevolutionäre“.

Auf dem Cover ihrer CD „Liberté“ ist eine in Brand gesetzte us-amerikanische Nationalfahne abgebildet, und auf ihrer Homepage gaben sie ganz im Einklang mit dem Szene-Slang die Marschroute vor: „Der Turm zu Babylon wird einstürzen!“

In ihrem Titelsong zur CD „Liberté“ rappen sie: „Liberalismus, Kapitalismus, Kommunismus, Sozialismus / Alles Kinder des Globalisierung / Kranke Ideologien, die den Wert des Menschen unterschlagen / Und sich auf einen Schlag in Millliarden von Fernsehantennen brennen / Fernsehen, Staatsdroge, die alle bevormundet durch die Medien / [...] / Offizielle Indoktrination der weltweiten Finanzsystems / Verkaufe deine Seele ans Materielle, an die Korruption und an die Satelliten / Dich, Du kleiner Ideal-Klon, Du Produkt der nationalen Hirnwäsche / [...] / Jeden Abend zwingst du dich zu sagen, ich folge dem gerechten Kampf / ich habe meine Sache zum Ende gebracht, ich werde ihr Joch nicht mehr tragen / [...] / Wir finden unsre Wurzeln wieder, kämpfen für das Leben / Vergiss niemals, du sollst ein freier Mensch sein / Frei von Big Brother, Frei von Zensur / Frei von Lobbiisten, frei von der Hundeleine / Frei von Drogendealern, frei vom Geld / Frei von der Nato / Freiheit!“ (Original in Französisch).


Der Celtic Folk entstand um 1968 als das Interesse der Flower-Power-Generation für „authentische“ Volksmusiken geweckt wurde. Der Bretone Alan Stivell, Celtic-Folk-Musiker der ersten Stunde, beschrieb das so:
 

Ich glaube, vielleicht das größte Problem in der Welt heute ist, dass so viele Leute entwurzelt sind. Sie sind von ihren Wurzeln abgeschnitten, haben ihre Identität verloren und den Sinn ihrer Verbindungen zur Welt. Die keltische Kultur kann uns wieder verbinden, weil ihre Wurzeln bis zum Beginn der westlichen Zivilisation zurückreichen. In anderen Kulturen sind die Wurzeln gekappt worden, speziell durch den Imperialismus. Ich glaube dies ist der Grund, warum jüngere Europäer, die nicht in keltischen Ländern leben, etwas tief in ihrem Innersten fühlen wann immer sie keltische Musik hören.“
(Zitiert nach: June Skinner - Sawyers: Celtic Music - A Complete Guide. Da Capo Press 2000; Original in Englisch)

Ebenjene Entwurzelung durch Imperialismus und westliche Zivilisation, von der Stivell hier redet, treibt auch Rechtsextremisten um. Viele sehen im Celtic Folk die Musik „unserer Ahnen“, als „echten“ Ausdruck „arischen Gefühlslebens“, unverwässert und unverfälscht. So schrieb der offen rechtsextreme Celtic-Folk-Musiker Eric Owens (USA):

Die großen Medien-Konzerne von heute begünstigen schwarze Musiker, die für Drogenmissbrauch einstehen, für gewaltätigen sexuellen Missbrauch an Frauen, für Mord und für Hass gegen Weiße, während sie jeden Weißen verunglimpfen, der es wagt, über die Liebe zu Land und Kultur zu singen oder über die Kriegsveteranen und Alten, über Respekt für Frauen, Familie, Kinder, harte Arbeit und über rassisches Erbe. Die Medien und die Musikindustrie haben erfolgreich die Moral von den Füßen auf den Kopf gestellt. Rassisch bewusste Musik kann helfen, die Dinge wieder gerade zu rücken.“
(American Rennaissance Nr. 11, 2000; Original in Englisch)

Und in einem unveröffentlichten Interview mit dem rechtsextremen Fanzine Underground Review, das in neonazistischen Newsgroups im Internet verbreitet wird, führte er, gefragt nach der Bedeutung von Folk Music, 2004 weiter aus:

Ich habe das Gefühl, es ist wichtig, unsere Wurzeln und unsere Kultur zu feiern. Die meisten von uns sind in einer Weise von ihnen entfernt, dass sie mehr über fremde Kulturen wissen als über die eigene. Ich denke, wenn mehr Weiße ihre eigene Musik und ihre Traditionen kennen würden, dann würden sie sich gefestigter fühlen und nicht so eifrig die niedrigen Kulturen der Nigger, Kanaken [im Original: „wetbacks“] und Juden nachahmen.“
(Original in Englisch)

Als hätten sie Alan Stivells Diktum von den „jungen Europäern, die nicht in keltischen Ländern leben“, Wirklichkeit werden lassen, veranstalten amerikanische Neonazis überall in den Vereinigten Staaten regelmäßig „European Festivals“, auf denen überwiegend Celtic-Folk-Bands auftreten, deren Beschreibungen stark den Berichten von Kameradschafts- und Liederabenden bundesdeutscher Neonazis ähneln.

Der amerikanische Rechtsextremismusforscher Mark Potok bezeichnet sie als „Wolf-im-Schafspelz-Strategie“.[1] Die Idee, „ethnisch Weiße zu erreichen, ohne ausdrücklich Neonazismus zu propagieren“, geht laut Potok auf Erich Gliebe zurück, Chef der rechtsextremen Organisation National Alliance. Neben musikalischen Darbietungen werden die Besucher solcher Veranstaltungen in Vorträgen kulturell, historisch und politisch belehrt. Während eines solchen Abend erklärte etwa ein Referent, der über das Thema, „Europa unter Attacke. Von dem frühen islamischen Angriff zum kommunistischen Verhängnis“, sprach, zur Einwanderungspolitk der Bundesrepublik: „Die Türken versklaven weiße Menschen in Deutschland.“

Wie stark Neonazismus unter us-amerikanischen Celtic-Folk-Musikern verbreitet ist, lässt sich vielleicht erahnen, wenn man die Klage von Marc Gunn liest, Bandleader der Brobdingnagian Bards und Mitglied der lokalen Dachorganisation Austin Celtic Association (ACA):

www.marcgunn.com/2003/04/celtic-community-frustrationssometimes.shtml
„Die Neonazis sind ein geringer Teil des Problems, allerdings landen sie immer in herausragenden Positionen. Jetzt denke ich über eine neue Strategie nach: „Celtic Folk, der die Traditionalisten anpisst“. Das wird einen Graben in der [ACA] aufwerfen, aber nur vordergründig, denn tatsächlich wird es den schon vorhandenen Bruch in der [ACA] nur sichtbarer machen. [...] Alles, was ich weiß, ist, dass ich krank von der Haltung der Traditionalisten bin. Sie ist engstirnig und dumm!“
(Original in Englisch)

In Europa sind die meisten Celtic-Folk-Bands weit davon entfernt, neonazistisch zu sein. Allerdings stehen viele von ihnen wohl für ein Menschen- und Politikverständnis, wie es von Alan Stivell formuliert wurde formuliert wurde. Der Bretone engagiert sich seit Jahren in der nationalistisch-seperatistischen Partei Union democratique Bretonne („Bretonisch-demokratische Union“), die sich seit ihrer Gründung 1964 für die Loslösung der Bretagne von Frankreich einsetzt. Auf der Homepage der UDB ist zu lesen:

www.udb-bzh.net/Economique/com-intermitents-030725.htm
Seit 60 Jahren wollen die Männer und Frauen, ermuntert durch die Wiedergeburt in der Populärkultur, wie sie in den Strukturen der Bagadoù oder den keltischen Zirkeln zu finden ist, ihre Leidenschaften ausleben, ohne von Paris gegängelt zu werden oder dort zu verbleiben. Ohne die geringste offizielle Unterstützung, vor allem nicht durch den Staat, war[en] Alan Stivell [es folgt eine Aufzählung weiterer Künstler] Vorreiter dieser Bewegung, ohne Beispiel zu haben, nicht nur in der Bretagne, sondern in ganz Frankreich.

Zurecht bezeichnete die rechtsextreme Wochenzeitschrift Junge Freiheit die Bemühungen der UDB als „Kulturnationalismus“ und jubelte: „Gerade in der Bretagne hat man auf dem Gebiet der kulturellen Selbstbehauptung eine ganze Reihe von Erfolgen zu verzeichnen gehabt.“ (Junge Freiheit, Nr. 18 / 2000), nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die wachsende Popularität der „keltischen Kultur“ die Wut der militanten bretonischen Separatisten auf den „verhassten amerikanischen Kulturimperialismus“ und ihre Ungeduld noch steigern könne.

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