Gehorsame Diener ihrer Partei: grau, bar jeden Charismas. Auf diese Klischees werden die Funktionäre der SED in der öffentlichen Wahrnehmung reduziert – sofern an sie überhaupt noch erinnert wird. Denn auf den ersten Blick regen die etwa 44.000 hauptamtlichen Mitarbeiter, die in den „Apparaten“ der Partei Dienst taten, nicht dazu an, sich näher mit ihnen zu beschäftigen: Einerseits scheinen sie jenen konservativen Realsozialismus zu verkörpern, der die DDR-Bürger zunehmend abstieß und für das Scheitern der sozialistischen Utopie stand. Andererseits standen sie im Schatten von Politbüro und ZK-Sekretariat, auf deren Angehörige sich die Aufmerksamkeit vor wie nach 1989 konzentrierte.
Es lohnt jedoch ein zweiter Blick auf diese „grauen“ Funktionäre. Tatsächlich verfügten sie über weitgehende Steuerungsbefugnisse, ohne jedoch Staat und Gesellschaft völlig zu dominieren. Sie bildeten eine weitaus heterogenere Gruppe, als es das Klischee der gesichtslosen „Apparatschiks“ suggeriert, und schließlich stellten sie an der Basis und in lokalen Kontexten das durchaus nicht nur unpopuläre „Gesicht“ der Staatspartei dar. Der Vortrag nimmt die Funktionäre der SED nicht als Rädchen in einem Machtapparat, sondern als eigenständig handelnde Subjekte mit eigenen Erfahrungen und Erwartungen in den Blick und fragt nach den Konsequenzen dieser Perspektive für das Geschichtsbild von der SED.
Der Vortrag ist Teil der Reihe „Die Geschichte der SED zwischen Mauerbau und Mauerfall“, die vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, vom Institut für Zeitgeschichte München – Berlin und von der
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur veranstaltet wird.
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