Der Populismus ist die Kehrseite neoliberaler Politik und Argumentationsweisen. Diese Ausgangsthese beruht auf dem Vergleich verschiedener Reformpolitiken und „Schocktherapien“ in Europa seit 1989. Die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit und die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Regionen und Gesellschaftsschichten führten zu einer Entfremdung von der Demokratie und zum Aufkommen populistischer Parteien und Bewegungen, die sich gegen die scheinbare „Alternativlosigkeit“ der Reformen wandten. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise lässt sich diese Entwicklung auch in Süd- und Westeuropa beobachten. Insofern verstärken die „Flüchtlingskrise“ und die politischen Abwehrreaktionen darauf lediglich eine längere Entwicklung.
Der Vortrag nimmt zugleich ostmitteleuropäische Forderungen nach einer „illiberalen Demokratie“ zum Anlass, um über die Veränderung des Liberalismus in den vergangenen 30 Jahren nachzudenken. Wieso wurde der Freiheitsbegriff auch im Westen so stark auf seine ökonomische Dimension reduziert und überwiegend als Freiheit der Märkte gedacht? Warum verhielten sich prominente Liberale wie Ralf Dahrendorf skeptisch zur Forderung nach einer grundlegenden Demokratisierung der postkommunistischen Gesellschaften?
Der Abendvortrag von Philipp Ther findet im Rahmen des Theodor-Heuss-Kolloquiums 2016 "Die neoliberale Herausforderung und der Wandel des Liberalismus im späten 20. Jahrhundert" (3.-4. November 2016, Potsdam) statt.
Philipp Ther, geb. 1967, ist seit 2010 Professor für Geschichte Ostmitteleuropas an der Universität Wien. Er war zuvor unter anderem John F. Kennedy Fellow an der Harvard University und Professor am European University Institute in Florenz. Für sein Buch „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa“ (Berlin: Suhrkamp Verlag 2014) wurde Philipp Ther im Frühjahr 2015 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik ausgezeichnet.
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