Kollektives Gedächtnis und Nationalsozialismus – lohnt es sich überhaupt noch, über dieses Thema (schon wieder) nachzudenken? Gibt es auf diesem Gebiet wirklich mehr zu sagen oder etwas Neues zu erforschen?
Auf der einen Seite befassen sich Historiker und Kulturwissenschaftler, angeregt von Maurice Halbwachs, Pierre Nora und anderen, mit öffentlichen Diskursen und Repräsentation. Auf der anderen Seite gibt es auch eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten, die sich mit den Folgen und der Tradierung der Vergangenheit auf einer eher persönlichen Ebene befassen.
Psychotherapeuten, Sozialpsychologen und Literaturwissenschaftler untersuchen die physischen und psychischen Konsequenzen nicht nur für diejenigen, die von den Nazis verfolgt wurden, sondern auch die Erinnerungsnarrative, dazu öfters auch die intergenerationellen Erzählungen und gemeinsamen Konstruktionen der Vergangenheit einzelner Familienmitglieder. Die Ansichten und narrativen Strategien auf der "Täter-Seite" geraten auch immer mehr in den Blick. Aber all diese Ansätze kommen nur selten zusammen.
Wir sollten die Vergangenheit nicht nur als eine Frage der "Erinnerung" oder "Repräsentation" ansehen, sondern auch als wichtigen und integralen Teil einer späteren Gegenwart. Insbesondere sollten wir längerfristige Resonanzen der Vergangenheit betrachten – also die Bedeutung der Vergangenheit nicht nur als eine Frage der politischen Instrumentalisierung, der verschiedenen kulturellen Repräsentationen und/oder der individuellen Erinnerungen und expliziten Familiengeschichten begreifen, sondern auch versuchen, die verschiedenen Ebenen zusammenzubringen.
In ihrem Vortrag präsentiert Mary Fulbrook einige Ansätze und Beispiele für ein solches Vorgehen.
Vortrag von Professor Mary Fulbrook (London)
Moderation: Prof. Dr. Frank Bösch (ZZF Potsdam)
Der Vortrag wird in deutscher Sprache gehalten.
Mary Fulbrook, geboren 1951 in Cardiff/Wales, ist Professorin für Deutsche Geschichte am University College London. Mit zahlreichen Veröffentlichungen zur deutschen und europäischen Gesellschafts- und Erfahrungsgeschichte im "Zeitalter der Extreme" hat sie sich weit über den englischsprachigen Raum hinaus einen Namen gemacht.
Das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und das Einstein Forum laden Sie herzlich ein.
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