Jahrestagung mit Vereinen Politischer Bildung am 13. Februar 2014 in der Landeszentrale. Was hat politische Bildung mit nachhaltiger Entwicklung zu tun? Eine überraschend vielfältige Bildungslandschaft stellte sich in Potsdam vor. Ein Veranstaltungsbericht.
Solchen Andrang auf eine Veranstaltung sieht man in der politischen Bildung nicht jeden Tag: Der Raum war voll und bis auf den letzten Platz belegt. Mit ihrem diesjährigen Jahresthema trafen die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung und die Landesarbeitsgemeinschaft für politisch-kulturelle Bildung (LAG) offensichtlich auf großes Interesse vieler freier Träger und Vereine in Brandenburg.
Das Programm war straff und gut organisiert. In ihrer kurzen Begrüßung stellte Martina Weyrauch, die Leiterin der Landeszentrale, die diesjährigen Schwerpunktthemen der Landeszentrale vor. Besonders wichtig für die Anwesenden: Fördermittel gibt es auch für Themen, die nicht auf der Agenda stehen. Wer eine gute Idee hat, könne auch einen Förderantrag stellen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung ist politische Bildung
Das Impulsreferat hielt Heike Molitor, Professorin an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Zunächst klärte sie ein weitverbreitetes Missverständnis auf. Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Bildung seien nicht das Gleiche, würden aber selbst von seriösen Journalisten häufig synonym verwendet.
BNE soll die Menschen befähigen, die Zukunft nachhaltig mitgestalten zu können. Sie ist ein Konzept zur Kompetenzentwicklung. Nachhaltige Bildung befasst sich dagegen eher mit Fragen von Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit.“
Das von Molitor vorgestellte Schalenmodell der BNE machte deutlich, wie ihre drei Komponenten – Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft – im Verhältnis zueinander stehen. Das Ökosystem umfasst nach diesem Modell alle sozialen Systeme. In diese sozialen Systeme ist die Ökonomie eingegliedert. Die Abhängigkeit verläuft also vom Ökosystem hinunter zur Wirtschaft.
In ihrem Vortrag wies Molitor auch auf die Gemeinsamkeiten zwischen BNE und politischer Bildung hin. Die BNE frage, ebenso wie die politische Bildung, nach den Möglichkeiten der Partizipation. Die didaktischen Prinzipien der BNE – selbstbestimmtes und situiertes Lernen, Entwicklung wirklichkeitsnaher Lösungen und Methodenvielfalt – sollen zu gemeinsamem Planen und Handeln befähigen. Die Zukunftsgestaltung soll nicht einigen wenigen überlassen werden, sondern möglichst viele Menschen einbeziehen.
Der Vortrag blieb nicht in der Theorie stehen. Als ein Beispiel aus der Praxis nannte die Expertin den Dialogprozess der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Brandenburg. Dieser fand zunächst zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Politik statt. In der Endphase wurde den Bürgern eine Online-Beteiligung ermöglicht.
Gerade dieses Beispiel löste eine lebhafte Debatte und u.a. die Frage aus, ob der Nachhaltigkeitsbeirat des Landes Brandenburg, dem Heike Molitor angehört, überhaupt Einfluss auf die Politik ausüben könnte. Gut: Die Wissenschaftlerin, die selbst über lange Praxiserfahrung in der Erwachsenenbildung verfügte, wich nicht aus. Politisch nicht gewollte Empfehlungen würden in der Regel auch nicht berücksichtigt. Aber immerhin seien die Empfehlungen des Beirats ausgesprochen und auch angehört worden. Außerdem trage der Beirat viel zur Vernetzung der einzelnen Akteure bei.
Die Debatte zeigte aber auch eine gewisse Unsicherheit eben dieser Akteure im Umgang mit dem Thema. Denn noch immer ist das Thema Nachhaltigkeit zwar in vieler Munde, aber noch nicht in allen Köpfen. So scheinen Ältere weniger empfänglich für das Thema der Nachhaltigkeit zu sein. Welche Formate erreichten Erwachsene am besten, so lautete dann auch eine der Fragen an die Expertin. Diese verwies auf erste Erfolge. So werde versucht, das Thema in die Volkshochschulen zu integrieren, jedoch nicht in Form eigenständiger Kurse. Das würde viele Leute eher abschrecken. Stattdessen könnte es ein Kapitel im Englischkurs sein. Bildungsurlaube seien auch ein gutes Format, aber leider vielerorts Luxus.
DIE eine Lösung konnte und wollte Heike Molitor aber auch nicht anbieten. Auf die Frage wo BNE ansetzen müsse - in der Politik, in der Verwaltung oder ...? – antwortete sie ebenso theoretisch wie praxiserprobt.
BNE kann nur als gemeinsamer Prozess Erfolg haben. Auf zivilgesellschaftliches Engagement reagiert die Politik in der Regel. Dieses Engagement kostet aber viel Zeit und Nerven, was ein Miteinander noch wichtiger macht."
Praxisbeispiele: Sechs Träger stellen ihre Projekte vor
Der zweite Teil der Veranstaltung war ganz der Brandenburger Vereinspraxis vorbehalten. Einige Teilnehmer kannten sich, andere hörten das erste Mal von Projekten, was den Netzwerkgedanken der Tagung noch stärkte. Sehr gut auch an dieser Stelle: Alle Vortragenden hielten sich an die 10 bis 15 Minuten Redezeit, so dass noch Zeit für Pausengespräche blieb, die auch intensiv für den Gedankenaustausch genutzt wurden. Nachfolgend die vorgestellten sechs Projekte im Überblick:
- Lina Weiß von der Landesarbeitsgemeinschaft politisch-kulturelle Bildung in Brandenburg e. V. stellte das Vernetzungs- und Qualifizierungsprojekt vor. Das Projekt richtet sich an Mitgliedsorganisationen der LAG. Ziel ist es, die einzelnen Mitglieder fachlich weiterzubilden und über die eigene Arbeit und Methoden zu reflektieren.
- Dr. Michael Jahn (LAG) von HochVier e. V. sprach über die Studienexkursionen zur Regionalentwicklung in Brandenburg. Dabei wird vor Ort, beispielsweise in einer ehemaligen Textilfabrik, über die Verlagerung der Textilproduktion aus Brandenburg ins Ausland gesprochen. Häufig kommen dabei auch beteiligte Akteure, zum Beispiel ehemalige Arbeiter oder lokale Bürgerinitiativen, zu Wort. Trotz des hohen Planungsaufwands sind diese Wochenendexkursionen erschwinglich, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen (und werden im Übrigen auch von der Landeszentrale gefördert). Neben reiner Information haben die Exkursionen auch den Zweck, die Teilnehmer miteinander zu vernetzen und weiteres Engagement zu ermöglichen.
- Birte Hoffmann von Landmade e. V. berichtete über das Forum der Visionen. Wie kann man in abgeschiedenen, ländlichen Dörfern eine kulturelle Grundversorgung sicherstellen? Und sind Internet und soziale Netzwerke wirklich ein Allheilmittel? Diesen Fragen sind die Teilnehmer des Projekts nachgegangen und zu erstaunlichen Ergebnissen gelangt. Das Internet kann soziale Isolation nicht aufheben und Facebook ist kein Ersatz für Aktivitäten im realen Leben. Online-Angebote können die kulturelle Angebote vor Ort unterfüttern, aber nicht ersetzen.
- Adina Hammoud von der Gesellschaft für Solidarische Entwicklungszusammenarbeit stellte ein internationales Projekt für Jugendliche vor. Das Projekt StadtLandGeld 2010 – 2014 ermöglicht es Jugendlichen aus Bolivien, Tansania, den Philippinen und Brandenburg gemeinsam zu einem bestimmten Jahresthema (Ernährung, Gerechtigkeit, etc.) zu arbeiten. Zu den dreiwöchigen Treffen in einem der Teilnehmerländer werden Vor- und Nachbereitungstreffen im Heimatland angeboten. Positiver Nebeneffekt: kulturelle und sprachliche Weiterentwicklung und internationale Freundschaften.
- Chris Rappaport erzählte von den Bemühungen des Vereins Brandenburg21 die soziale und kommunale Einheit „Dorf“ zu stärken und die einzelnen Dorfinitiativen zu vernetzen. Dazu werden nicht nur Veranstaltungen zu verschiedenen Themen, z.B. der Nachhaltigkeitsstrategie, in den Dörfern angeboten, sondern auch Veranstaltungen in Städten, die den Stadtmenschen das Dorfleben näherbringen sollen.
- Abschließend ging es im Beitrag von Christin Zschoge-Meile vom Verein zur Förderung innovativer Wohn- und Lebensformen e. V. um ein Potsdamer Projekt, das Nachhaltigkeit erfahrbar machen soll. Im Werkhaus lernen Kinder und Jugendliche (und interessierte Erwachsene) beispielsweise wie aus dem Baum ein Regal wird. In Nähkursen kann man lernen, was kreative Nachhaltigkeit bedeutet, nämlich aus alter oder zu kleiner Kleidung neue Unikate zu schneidern. Das Werkhaus verbindet somit den theoretischen Aspekt der Nachhaltigkeit mit dem Erlernen praktischer Fähigkeiten, denn in den Werkräumen müssen die Teilnehmer selbst Hand anlegen.
Die Diskussion blieb in diesem Teil eher auf Nachfragen nach der praktischen Umsetzung beschränkt, etwa nach den Kosten für eine Studienexkursion oder der Höhe von Raummieten. Die Fragen konnten daher auch schnell geklärt werden. Wer danach noch Fragen nach der Förderung seines konkreten Projekt hatte, konnte diese in individuellen Beratungen mit den Mitarbeiterinnen der Landeszentrale klären.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Die Tagung hat zahlreiche Anregungen gegeben, wie sich Bildung für nachhaltige Entwicklung in die politische Bildung integrieren lässt und nicht zuletzt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe auch integriert werden muss. Wer nicht wusste, wie vielfältig die Vereinslandschaft in Brandenburg ist, die sich genau damit beschäftigt, der hat durch diese Tagung ausreichend Anknüpfungspunkte für eigene Aktivitäten erhalten – und das kann sicher als ein Hauptergebnis des Treffens gelten.
Tanja Zakrzewski, Februar 2014. Die Autorin ist Studentin der Universität Potsdam.
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